700 Jahre in Kunst und Wort

Die Ablass-Urkunde aus Binsdorf

Sie gehören zu dem Augenfälligsten, was das Urkundenwesen des abendländischen Mittelalters zu bieten hat: Ablass-Urkunden. Im Archiv der Diözese Rottenburg-Stuttgart befindet sich ein spannendes Exemplar, das im November 1334 von der päpstlichen Kanzlei im französischen Avignon für die katholische Gemeinde Binsdorf im heutigen Zollernalbkreis ausgestellt wurde. Frank Rebmann hat sich von Archivar Thomas Oschmann die Besonderheiten dieser Urkunde erklären lassen.

Kunst im Wort

Was auffällt, sind die Ausschmückungen der nahezu 700 Jahre alten Urkunde. Besonders der Textanfang sticht hier hervor, allen voran die Anfangsinitiale. Das „U“ ist mit Darstellungen mehrerer Heiliger verziert. Um welche Heiligen es sich handelt und warum gerade diese für die Urkunde an die Gemeinde Binsdorf ausgewählt wurden, erläutert Thomas Oschmann im folgenden Video.

Der Ablass heute und damals

Häufig wird unter Ablässen die Vergebung der Sünden verstanden, sagt der renommierte katholische Theologe Peter C. Düren. Das sei aber ein Missverständnis. In der katholischen Lehre werde unterschieden zwischen der Schuld, die man durch eine Sünde auf sich lädt, und der Strafe, die der Sünder dafür erleiden muss.  

Der Ablass, sagt Düren, sei nicht die Vergebung der Sünde, sondern ein Nachlass der ausstehenden Strafe. Die Binsdorfer Urkunde gewährt 40 Tage Ablass - also 40 Tage weniger im Fegefeuer für den Sünder oder die Sünderin. Beim Fegefeuer handelt es sich übrigens nicht um die Hölle, in der es keine Hoffnung auf Erlösung gibt, sondern um eine gewisse Zeit unter der Abwesenheit von Gott und unter sinnlichen Strafen. 

Ablässe gibt es auch heute noch. So ist zum Beispiel der berühmte Segen „Urbi et Orbi“ (Der Stadt und dem Erdkreis), den der Papst an Weihnachten und Ostern spendet, mit einem sogenannten vollkommenen Ablass verbunden. Durch ihn werden allen Empfängerinnen und Empfängern unter bestimmten Voraussetzungen die Strafen für ihre Sünden erlassen.

Was aber mussten die Binsdorfer Gläubigen vor fast 700 Jahren machen, um einen Ablass zu bekommen?

Das geheimnisvolle Pergament

Die Ablass-Urkunde lag damals in Binsdorf für alle sichtbar stets auf dem Altar. Aber nur wenige Zeitgenossen konnten im 14. Jahrhundert lesen. Deshalb übersetzten die Geistlichen die Worte und lasen den Gläubigen die Urkunde vor. Die Imposanz des offiziellen Schreibens sorgte für den nötigen Eindruck - und manchmal wohl auch Nachdruck.

Die verschwundenen Siegel

Die Echtheit einer solchen Urkunde wurde mit Siegeln beglaubigt. Bei der Binsdorfer Urkunde sind diese verschwunden. Anders dagegen bei einer weiteren Urkunde im Diözesanarchiv, die ebenfalls im Video zu sehen ist. Auch diese Ablass-Urkunde wurde 1490 von der päpstlichen Kanzlei ausgestellt, die damals aber wieder in Rom ansässig war. Empfängerin ist die Pfarrkirche St. Ulrich in Seibranz, heute Teil der Seelsorgeeinheit Bad Wurzach im Dekanat Allgäu-Oberschwaben.

Zur Person und Kontakt

Thomas Oschmann studierte Geschichte und Katholische Theologie in Aachen und Bonn. Seit dem Jahr 2000 ist der Historiker und Theologe Archivar am Diözesanarchiv in Rottenburg.

Diözesanarchiv
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