Fastenzeit

„Wir müssen jetzt entschieden handeln“

Um das Porträtfoto zeigen Schwarz-Weiß-Fotos aufeinanderliegende Hände, Menschen auf einer Demonstration, Schilder und Transparente im Wald und betende Hände.

Fotokollage: Aktion Klimafasten - Porträtfoto: Privat

Nachhaltigkeitsforscher Markus Szaguhn spricht im Interview über die Aktion Klimafasten und konkrete Handlungsimpulse.

Mit einer hybriden Auftaktveranstaltung am Aschermittwoch starten die Katholische Arbeitnehmerbewegung (KAB) und die Katholische Erwachsenenbildung (keb) in Ravensburg die Aktion Klimafasten. Markus Szaguhn vom Karlsruher Institut für Technologie (KIT) motiviert in seinem Auftaktvortrag zu nachhaltigem Handeln in der siebenwöchigen Fastenzeit. Im Interview verrät er vorab, worauf es ihm ankommt.

Herr Szaguhn, dass die Menschheit etwas tun muss, um den Klimawandel abzubremsen, darin sind sich die Klimawissenschaftler:innen einig. Sind Einzelne nicht eher machtlos im Blick auf das globale Problem?

Es ist nachvollziehbar und menschlich, wenn wir uns angesichts der Klimakrise überfordert oder machtlos fühlen. Die Umweltpsychologie spricht auch von Klimaangst. Wir müssen hier aber nicht stehenbleiben. Wir können gemeinsam aktiv werden. Tatsächlich erleben wir nun häufiger drastische Fluten, Hitzewellen und Waldbrände vor unserer eigenen Haustüre. Gleichzeitig sehen wir, dass weltweit besonders diejenigen unter den negativen Folgen der globalen Erwärmung leiden, die sie am wenigsten verursacht haben.

Die „Letzte Generation“ klebt sich auf Straßen fest. Ist das eine angemessene Reaktion?

Ich habe für Aktionen von Gruppen wie der „Letzten Generation“ durchaus Verständnis, weil sie die Wahrheit sagen und uns wachrütteln. Wir können die Herausforderungen nicht mehr wie bisher verdrängen. Wir müssen jetzt entschieden handeln. Die Fastenzeit kann uns darin bestärken Verantwortung zu übernehmen.

Was ist zu tun?

Ich bin davon überzeugt, dass wir unsere Klimaschutzziele nicht allein durch individuelle Verhaltensänderungen im privaten Umfeld erreichen können, wie etwa durch nachhaltigen Konsum oder Verzicht. Die Verringerung des eigenen CO2-Fußabrucks sensibilisiert zwar für das Thema, doch wir stoßen auch schnell an die Grenzen des aktuell Möglichen. Vielmehr benötigen wir tiefgreifende Veränderungen in Strukturen und Rahmenbedingungen, damit ein klimafreundliches Leben für alle einfacher wird - auch für die, die sich nicht aktiv damit befassen können.

Sie sprechen von „transformativem Engagement“ für den Klimaschutz. Was ist damit gemeint und was bedeutet, Menschen darin zu stärken?

Menschen in ihrem transformativen Engagement zu stärken bedeutet, ihnen die Kompetenzen zu vermitteln, mit denen sie Klimaschutz konstruktiv in den verschiedenen Zusammenhängen unserer Gesellschaft verankern können. Diese Handlungsebene nennt sich auch Handabdruck und sie umfasst ein vielfältiges Engagement im politischen, beruflichen und zivilgesellschaftlichen Bereich.

In der Zeit von Aschermittwoch bis Ostern begleiten Sie sieben Wochen lang die Aktion Klimafasten der KAB und der keb Ravensburg. In welchen Bereichen lässt sich in dieser überschaubaren Zeit wirksam etwas bewegen?

Auf der individuellen Ebene des Fußabdrucks kann es hilfreich sein, mit der Berechnung der eigenen CO2-Bilanz mit dem Rechner des Umweltbundesamts zu beginnen.

Wer klimafasten möchte, könnte also den Fokus auf einen Bereich legen, in dem die CO2-Emissionen erhöht sind: der Umstieg vom Auto auf das Rad, eine tierproduktreduzierte Ernährung oder ein Kauf-Stopp für neue Kleidung oder technische Geräte.

Einige der Maßnahmen werden in den wöchentlichen Schwerpunktthemen der Klimafastenaktion aufgegriffen.

Und beim Handabdruck, dem transformativen Engagement?

Hier haben wir beinahe unbegrenzte Möglichkeiten, uns für Klimaschutz einzusetzen. Wir können die Aufmerksamkeit auf den Handlungsbedarf lenken, indem wir uns in Gesprächen zum Klimaschutz bekennen, uns durch Leserbriefe in öffentliche Debatten einmischen, an Demonstrationen teilnehmen, oder Gemeinderäte und Abgeordnete in die Pflicht nehmen. Beispiele sind Initiativen zum Ausbau eines Radwegenetzes oder eine Unterschriftenaktion für den Anschluss einer Gemeinde an eine klimafreundliche Nahwärmeversorgung.

Bei diesen Beispielen werden Verantwortliche in Politik und Gesellschaft zum Handeln aufgefordert. Können die Teilnehmenden in ihrem Umfeld auch selbst etwas beim Handabdruck tun?

Sie können ihren bestehenden Einfluss in etwa Vereinen, Organisationen, Unternehmen, Kommunen direkt wahrnehmen, um Klimaschutz durch Entscheidungen dauerhaft zu verankern. Dies betrifft beispielsweise Satzungsänderungen, nachhaltige Beschaffungsrichtlinien oder klimafreundliche Investitionen. Auch die Übernahme von Ämtern und Entscheidungspositionen kann zielführend sein.

Muss Fasten weh tun oder gibt es auch Anregungen, die Freude machen?

Seit 2016 arbeite ich mit studentischen Gruppen, die sich für einen begrenzen Zeitraum von circa drei Monaten auf Veränderungsexperimente für mehr Klimaschutz im Alltag einlassen. Dabei habe ich immer wieder erlebt, wie viel Energie die Teilnehmenden aus ihren Erfahrungen ziehen, was mich tief inspiriert. Viele berichten von einem vitalen Lebensgefühl durch eine bewusste fleischreduzierte Ernährung oder durch das regelmäßige Radfahren. Und sie erleben eine neue Wirksamkeit, weil sie gemeinsam mit anderen öffentlich für Klimaschutz einstehen.

Sind nicht all diese Bemühungen nur ein Tropfen auf den heißen Stein...

Ich würde eher sagen: Steter Tropfen höhlt den Stein. Es geht doch darum sich selbst und andere zu bewegen und keine Scheu vor den oft komplexen Aushandlungsprozessen zu haben. Und es geht darum, bekannte und bewährte Lösungen umzusetzen. Wir müssen dranbleiben. Wenn wir an der Aktion Klimafasten teilnehmen wissen wir, dass wir mit unseren Handlungen nicht alleine sind. Und wir können uns mit anderen verbünden.

Was gibt Ihnen Hoffnung für die Zukunft?

Mir gibt Hoffnung, dass sich immer mehr Menschen für Klimaschutz einsetzen. Im Team des Transformationszentrums des KIT erlebe ich derzeit eine kraftvolle Dynamik. Gemeinsam mit Germanwatch e.V. und netzwerk-n e.V. rollen wir das Format #climatechallenge bundesweit aus. Durch Schulungen für Bildungsakteure in Schulen, Universitäten, Vereinen, Kommunen möchten wir in den nächsten drei Jahren 15.000 Teilnehmende erreichen. Diese können dabei eigene Ansätze für transformatives Engagement entwickeln und so eine aktivere Rolle im Klimaschutz einnehmen.

Beim Klimafasten mitmachen

Am Aschermittwoch, 22. Februar, startet die Aktion Klimafasten mit der Auftaktveranstaltung und dem Vortrag von Markus Szaguhn von 18 bis 19.30 Uhr im Bischof-Moser-Haus, Allmandstr. 10, in Ravensburg (Dachgeschoss) sowie digital über Zoom. Kurzentschlossene können sich bis Mittwoch um 12 Uhr noch anmelden unter KAB(at)blh.drs.de (Betreff: Klimafasten). Die Veranstalter sind unter 0751 21040 oder 0175 2876234 telefonisch erreichbar.

Beim Auftakt wird auch ein Wochentag festgelegt, an dem die Teilnehmenden sich online treffen und gemeinsam reflektieren können. In der letzten Woche der Fastenzeit gibt Markus Szaguhn nochmals einen Impuls zur Reflexion. Das Begleitheft gibt es unter https://klimafasten.de/downloads.

Zur Person

Markus Szaguhn ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Transformationszentrum des Karlsruher Institut für Technologie (KIT). Nach einer Berufsausbildung zum Technischen Zeichner und einem Maschinenbaustudium mit Schwerpunkt Energietechnik war der heute 35-Jährige in der kommunalen Klimaschutz- und Energieberatung tätig. Als Dozent machte er nebenberuflich Erfahrungen im Kontext der Bildung für Nachhaltige Entwicklung. Dann entschied er sich zu einer soziologischen Promotion. Seither forscht er im Bereich der transformativen Nachhaltigkeitsforschung und möchte durch seine Arbeit Menschen in Transformationsprozessen stärken.

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