Klöster

Perspektiven im leergeräumten Kloster

Schwester Maria Hanna erklärt, dass in die Klausurkapelle ein kleiner Andachtsraum und die Bibliothek eingebaut wird - Foto: DRS/Waggershauser

Schwester Maria Hanna Löhlein erklärt bei einer Führung die künftige Nutzung des Klosterbergs in Reute.

Gespenstisch wirken die langen Flure, durch die Schwester Maria Hanna Löhlein, Generaloberin der Franziskanerinnen von Reute, die etwa 40 Interessierten führt. Die Zimmer und Funktionsräume, die vor 30 Jahren etwa 250 Ordensfrauen mit Leben füllten, stehen weitgehend leer. Vor zehn Monaten zogen die 130 aktuell in Reute wohnenden Schwestern - im Schnitt 78 Jahre alt - in das bisher nur von Seniorinnen genutzte Gut-Betha-Haus und in einige der früheren Gästezimmer um. Inzwischen ist das meiste ausgeräumt, so dass die Handwerker bald loslegen können.

Schwester Maria Hanna ist aber schon einen Schritt weiter. Sie erzählt von den Plänen und Überlegungen, wie alles einmal sein wird. „Das Kernelement des Projekts Klosterberg ist der Umbau des Klosters und das Bereitstellen von Platz, den bisher nur wir Schwestern nutzten, für Appartements und für Menschen, die zu uns kommen wollen“, erklärt sie. Während die Wohnmöglichkeiten am unteren Ende des von 1910 bis 1912 angebauten Gebäudekomplexes geschaffen werden, befinden sich Empfang, Klosterladen und einfache Gästezimmer künftig im historischen, auf die Gute Beth zurückgehenden Gebäudeteil mit der Franziskuskapelle oben auf dem Berg. Dazwischen leben dann die Schwestern.

Architekt:innen haben Gespür fürs Kloster

Wie sich die Architekt:innen vom Büro Braunger Wörtz in Blaustein in die spezielle Klostersituation hineingedacht haben, zeigt Schwester Maria Hanna am Beispiel der Klausurkapelle. Da sie für Außenstehende nur schwer erreichbar ist, will die Gemeinschaft künftig in der Franziskuskapelle beten und Gottesdienst feiern. Doch auch am anderen Sakralraum hängen viele Erinnerungen der Schwestern. Inspiriert von der kleinen Portiunkulakapelle des heiligen Franz in Assisi, die heute mitten in der Basilika Santa Maria degli Angeli steht, bleibt der Chorraum erhalten und wird mit einer im Kirchenschiff stehenden Holzbox als Anbetungsraum verbunden. Drumherum entsteht die Klosterbibliothek.

Die altersmäßig gemischte Besucher:innengruppe ist von den Ideen angetan. Neugierig lauschen sie den Erklärungen und erkunden die Räume. Susanne Ritter ist in Reute aufgewachsen, ihr Großvater war Schreiner im Kloster. Als Kommunionkind besuchte sie die Hostienbäckerei und später die Paramentenwerkstatt für liturgische Stoffe. „Ich hätte mir nie vorgestellt, dass das wirklich so groß ist“, staunt die 57-Jährige heute. Auch Ellen Birk war Jahrzehnte später im Rahmen der Kommunion- und Firmvorbereitung im Kloster. Mit 23 Jahren gehört die Bad Waldseerin zu den jüngsten Besucher:innen dieser Führung. Sie kennt einige Schwestern und ihr Opa habe ihr die Besichtigung empfohlen.

Bereits Interessent:innen fürs Wohnprojekt

Bereits zum zweiten Mal macht Edith Busson die Führung mit - dieses Mal gemeinsam mit ihrem Mann Nico. Dieser interessiert sich als ehemaliger Maler für die Kunst im Gebäude und für die Geschichte. Von 1403 bis 1784 lebte die von der Guten Beth gegründete Gemeinschaft auf dem Berg. 1870 zog die heutige Kongregation ein, wie Schwester Maria Hanna berichtet. „Wir sind vor kurzem in Tettnang eingezogen“, verrät Edith Busson. „Sonst wäre ich hier sofort dabei.“ Sie meint das klosternahe Wohnen, für das sich schon knapp 25 Interessierte gemeldet haben.

Je zwei bis drei ehemalige Schwesternzimmer sollen zu insgesamt zwölf Appartments ausgebaut werden. Auf jedem der drei Stockwerke steht auch ein Gemeinschaftsraum zur Verfügung. Die Wohneinheiten werden vom Land als Vorzeigeprojekt bezuschusst. „Wir müssen aber noch mit den Leuten ins Gespräch gehen, ob das wirklich das ist, was sie sich vorstellen und was wir uns vorstellen“, gibt Schwester Maria Hanna zu bedenken. Die Kirchenzugehörigkeit spiele dabei keine Rolle. „Wenn ein Mensch unsere Werte teilt und dafür steht, darf er kommen“, betont sie.

Den Friedhof vor dem Fenster

Auch wenn die Bewohner:innen grundsätzlich autark seien, wäre eine Unterstützung - etwa beim Pfortendienst - wünschenswert. Umgekehrt plane sie freiwillige spirituelle Angebote mit den künftigen Nachbar:innen, verrät die Oberin. Und sie verweist auf weitere bezahlbare Wohnmöglichkeiten, die zusätzlich ums Kloster herum entstehen. Ein bisschen mehr Wohnkomfort soll es auch für die Schwesternzimmer geben. Dabei sind die jeweils eigenen Nasszellen kein Luxus, sondern ein Lernergebnis aus der Coronapandemie, die im Kloster wütete. Die Nutzung von Gemeinschaftstoiletten, ohne sich anzustecken, war eine extreme Herausforderung.

Vom Schwesternbereich und vom klosternahen Wohnen fällt der Blick auf den Friedhof, auf dem an jede verstorbene Ordensfrau ein einheitliches weißes Kreuz erinnert. „Da das manchen vielleicht Angst macht, haben wir beschlossen: Wir machen unseren Friedhof zum Hoffnungsort“, sagt Schwester Maria Hanna. Ein Labyrinth, in dem jede der 3200 Schwestern seit 1870 mit einem Stein verewigt wird, sei ein Tod-Leben-Symbol, erläutert sie. Die neue Aussegnungshalle aus Stampferde erhält dieser Tage ein Dach, das Licht von oben hereinlässt. Das Portal des seitherigen Aufbewahrungsraums gibt dann den Eingang zu den Appartsments.

Unterstützer gesucht

Den Umbau der Räume, die die Schwestern für sich nutzen, wollen sie aus eigenen Rücklagen stemmen. Das Wohnprojekt erhält Zuschüsse. „Für die Bereiche, wo wir Menschen willkommen heißen, sind wir am Werben für Geldspenden, weil wir das nicht alleine tragen können“, sagt Schwester Maria Hanna. Bischof Gebhard Fürst hat für die Diözese bereits zwei Millionen Euro zugesagt. Projektkoordinator Claus Mellinger berichtet von kreativen Fundraisingmaßnahmen wie dem Sponsoring von Ziegelsteinen fürs Labyrinth bis hin zur Einrichtung ganzer Räume.

„Ich habe großen Respekt und Anerkennung, was sie so vorhaben“, sagt Nachbar Karl-Heinz Gut, Kassenprüfer des Fördervereins Klosterberg Reute. Er hat eine gute Verbindung zur Guten Beth und unterstützt die ganze Entwicklung als langjähriger Ortschaftsrat und Filialleiter eines Kreditinstituts. Fürs Umbauen ist die Zeit mit Coronaverzögerung und steigenden Preisen nicht ideal. „Aber wenn wir nicht positiv in die Zukunft schauen“, sagt Schwester Maria Hanna, „wer soll es denn dann machen?“

Weitere Infos

Alle Informationen rund um das Klosterbergprojekt samt Quartiersentwicklung, aktuelle Meldungen und Videos finden sich auf der Homepage.
Am 27. Mai und am 24. Juni – jeweils samstags um 14 Uhr – finden weitere öffentliche Führungen statt. Treffpunkt ist an der früheren Klosterpforte gegenüber der Pfarrkirche.
Am 18. und 19. Juli greift ein Symposium im Tagungshaus der diözesanen Akademie in Weingarten das Thema „Gemeinschaft baut Zukunft“ auf. Diözesanbaumeister sprach jüngst in einem Vorabinterview darüber.

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