Katholikentag

Für einen Klima-Pass

Die Podiumsteilnehmer (von links): Gebhard Fürst, Katrin Göring-Eckardt, Moderatorin Eva Bahner, Hans Joachim Schellnhuber und Oliver Müller. Bild: DRS/Gregor Moser

Bischof Fürst, Hans Joachim Schellnhuber, Katrin Göring-Eckhardt und Oliver Müller diskutieren bei Podium zum Thema „Klimagerechtigkeit und Migration“.

Der Potsdamer Klimaforscher Hans Joachim Schellnhuber gab zu Beginn des Podiums „Klimagerechtigkeit und Migration. Migrationspolitik im Horizont gefährlichen Klimawandels“ beim 102. Deutschen Katholikentag in Stuttgart einen Impulsvortrag, in dem er sich dafür aussprach, die Gefahr eines Worst Case-Scenarios bei der Klimaveränderung ernsthaft in Betracht zu ziehen und auch dafür, Klimaflüchtlingen ein verbrieftes Recht zuteilwerden zu lassen, sich in sicheren Ländern niederzulassen.

Durch Klima-Pass freigesetzte Emissionen nach einem einheitlichen Maßstab berechnen

Bereits heute sei bekannt, dass das Meer bis Ende dieses Jahrhunderts um mindestens einen oder auch zwei Meter ansteigen wird. Durch die fortschreitenden Erderwärmung könne es indes auch zu einem Anstieg um zehn bis 20 Meter kommen. Auch werde in bestimmten Regionen die Anpassungsfähigkeit der Menschen an ihre Umgebung durch steigende Temperaturen und eine zunehmende Luftfeuchtigkeit an ihre Grenzen stoßen: „Die inneren Tropen werden bis Ende des Jahrhunderts nicht mehr bewohnbar sein“, sagte Schellnhuber. Durch diese Entwicklungen könnten Milliarden von Menschen ihren Wohnraum verlieren. In Anlehnung an den so genannten Nansen-Pass für Staatenlose in Folge des Ersten Weltkriegs müsse sich die Weltgemeinschaft vor dem Hintergrund der Klimaveränderung Gedanken darüber machen, wie sie auf eine bislang ungekannt große Zahl an Flüchtlingen reagieren kann und die Idee eines Klima-Passes vorantreiben. Dazu könne es aufgrund der von den einzelnen Ländern im Lauf der Geschichte freigesetzten Emissionen nach einem einheitlichen Maßstab berechnet werden, welches Land wie viele Menschen aufzunehmen hat. Bei den Vereinten Nationen ließe sich ein Schiedsgericht einführen, das die dazugehörigen Quoten festlegt. 

„Für mich ist die Frage, ob es uns gelingt, einen solchen Klima-Pass einzuführen, die Feuerfrage“, sagte Schellnhuber. „Werden wir eine Gesellschaft haben, in der Humanismus die Richtschnur ist?“ Realität sei dabei leider auch, dass fast nie aus einem Schuldbewusstsein heraus, die Tür für Flüchtlinge geöffnet werde. „Da kann Politik nicht helfen; es geht um eine menschliche Haltung, die nicht in Gesetze gegossen werden kann.“ Deshalb sei er gerne auf dem Katholikentag. „Die kirchliche Bereitschaft, das richtige zu tun, auch wenn es unpopulär ist, ist wichtiger denn je“, hielt er fest.
 

Die Idee des Klimapasses sollten wir ernsthaft und weltweit vorantreiben.
Katrin Göring-Eckhardt


Bundestagsvizepräsidentin Katrin Göring-Eckhardt, Fraktionsvorsitzende von Bündnis 90/Die Grünen im Deutschen Bundestag, schloss sich der Forderung Schnellhubers an: Angesichts der zu erwartenden Zahl an Klimaflüchtlingen sei es wichtig, das Einwanderungsrecht anzupassen, sagte sie. „Die Idee des Klimapasses sollten wir ernsthaft und weltweit vorantreiben.“ Dieser könnte in einer ersten Phase den Bevölkerungen kleiner, vom Untergang bedrohter Inselstaaten zur Verfügung gestellt werden, schlug sie vor.

Leider herrscht eine allgemeine Gleichgültigkeit gegenüber diesen Tragödien, die sich gerade in bestimmten Teilen der Welt zutragen.
Bischof Fürst


Bischof Dr. Gebhard Fürst sagte: „Sie, die Flüchtlinge, tragen die Last ihres Lebens in Verlassenheit und ohne jeglichen gesetzlichen Schutz. Leider herrscht eine allgemeine Gleichgültigkeit gegenüber diesen Tragödien, die sich gerade in bestimmten Teilen der Welt zutragen. Der Mangel an Reaktionen angesichts dieser Dramen steht als Zeichen für den Verlust jedes Verantwortungsgefühls für unsere Mitmenschen, auf die sich jede zivile Gesellschaft gründet.“ Ein Klimapass könne den vom Klimawandel Betroffenen die Chance geben, nicht, wenn es zu spät ist, fliehen zu müssen, sondern in Würde ein neues Leben zu planen und zu beginnen.


Der Leiter von Caritas international, Dr. Oliver Müller, brachte die Perspektive des Praktikers in die Runde mit ein. Es habe sich gezeigt, dass es viele Menschen gibt, die unter den Folgen des Klimawandels leiden, sich dessen aber gar nicht bewusst sind, hielt er fest. Millionen von Menschen würden jährlich durch Extremwetterereignisse aus ihrer Heimat vertrieben und nicht alle von ihnen kehrten zurück. Zudem gebe es schleichende und durch den Klimawandel ausgelöste Veränderungen wie beispielsweise die Versalzung von Böden. Es werde darauf ankommen, einen Schutzstatus für die Betroffenen zu etablieren, sagte auch Müller wobei er jedoch auch darauf hinwies, dass viele Staaten vor der Etablierung solcher Regelungen zurückschreckten, da sie die damit verbundenen Rechte fürchteten, die sie den Betroffenen dann einräumen müssten.

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