Katholikentag

Nachhaltigkeit als Chance für die Zukunft

Nachhaltigkeit als neues Sozialprinzip – ein Podium auf dem Katholikentag in Stuttgart mit Experten von der Dualen Hochschule Baden-Württemberg in Heidenheim lotete die Chancen für die Zukunft aus: (von links) Sozialethiker Prof. Dr. Sven van Meegen, Dekanatsreferentin Gabriele Kraatz (Moderation), Sozialwissenschaftlerin Prof. Dr. Barbara Steiner, und Prof. Dr. Michael Batz, Studiengangsleiter Sozialmanagement. Foto: DRS/Jerabek

Welche Prinzipien tragen unser Gemeinwesen und welche Bedeutung kommt der Nachhaltigkeit zu, fragte ein Podium beim Katholikentag.

Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter bilden die Berufsgruppe in Deutschland, die den höchsten Burnout-Faktor hat. Professor Sven van Meegen treibt das um – nicht nur als  Professor für Sozialethik und Sozialphilosophie, die er an der Dualen Hochschule Baden-Württemberg in Heidenheim lehrt, sondern auch als Seelsorger. Der Stadtpfarrer von Ellwangen und langjährige ehemalige Heidenheimer Dekan befasst sich intensiv mit der Frage: Wie können Menschen, die für andere da sind, ihre Kräfte so einteilen, also nachhaltig arbeiten, dass sie ihren Körper und ihre Psyche nicht „an die Wand fahren“. Für diese Berufsgruppe eröffnet das Katholikentagsthema „leben teilen“ einen besonderen Blickwinkel.

Ein Podium zur Nachhaltigkeit unter sozialen Vorzeichen, also auf den Menschen bezogen, versprach deshalb interessante Einblicke in ein Thema, das zwar in aller Munde und gleichsam ein Querschnittsthema ist, wie die Moderatorin und Heidenheimer Dekanatsreferentin Gabriele Kraatz erläuterte. Zugleich ist Nachhaltigkeit aber ein Begriff, der ob seiner immer wieder erfahrenen Neuinterpretation und wachsenden Komplexität zu überfordern droht. Zusammen mit seinen Hochschulkollegen Professor Michael Batz, Studiengangsleiter Sozialmanagement, und der Sozialwissenschaftlerin Prof. Barbara Steiner eröffnete er in der Stuttgarter Liederhalle für gut anderthalb Stunden eine Art Heidenheimer Kompetenzzentrum zur Nachhaltigkeit. Dieses Thema hat sich auch das katholische Dekanat Heidenheim auf die Fahnen geschrieben.

"Oberstes Prinzip allen sozialen Handelns müsse der Mensch sein"

In seinem Impulsvortrag skizzierte Sven van Meegen die klassischen Sozialprinzipien – Personalität, Solidarität, Subsidiarität und Gemeinwohl, welche tragende Säulen des Grundgesetzes und des Sozialstaates sind, was freilich nicht heiße, dass diese Prinzipien auch tatsächlich immer leitend seien. Oberstes Prinzip allen sozialen Handelns müsse der Mensch sein. Leider gebe es nicht wenige Einrichtungen, in denen anstelle der Personalität andere Leitbilder, etwa Wirtschaftlichkeit oder eine schwarze Null, gestellt würden. Mit Blick auf die Solidarität wies van Meegen darauf hin, dass der Zusammenhalt der Menschen unter der Coronapandemie sehr gelitten habe, weil Strukturen zusammengebrochen sind. Sichtbar werde dies an steigenden Austrittszahlen aus Vereinen und Kirchen und auf erschreckende Weise an gestiegenen Quoten bei Depressionen und bei Gewalt gegenüber Kleinkindern.
Unter den erweiterten Sozialprinzipien stelle die Nachhaltigkeit im menschlichen Bereich eine besondere Herausforderung dar, sagte van Meegen mit Blick auf die pflegenden Angehörigen, von denen 62 Prozent selbst schwer krank werden. „Das System befördert diese Menschen sehend zum Burnout.“ Zentrale Frage sei deshalb: „Können wir unser System im Jugendbereich, in der Pflege von Menschen und im Sozialbereich insgesamt so verändern, zum Beispiel was Personalschlüssel, was Auszeiten, was Unterstützung, was Lohngestaltung angeht, dass wirklich von einem nachhaltigen Arbeiten die Rede sein darf?“ Der Pflegenotstand und das Fehlen von Personal in den Sozialberufen sei keineswegs überraschend gekommen. Nachhaltigkeit sei also auch im Sinne personeller Ressourcen nötig.

Um Ressourcen ging es auch im Kurzvortrag von Professorin Barbara Steiner, die über die Sorge in der Kommune für ein gutes Älterwerden sprach. Nötig seien eine neue Programmatik hin zu besserer Teilhabe im Alter und zur „sorgenden Gemeinschaft“, echte Partizipation und Empowerment, also das Befähigen der Menschen, dass sie sich selber helfen können. Steiner unterstrich auch die Bedeutung der Familie und die Notwendigkeit eines guten Zusammenwirkens aller Akteure sowie eine gute Einbindung von bürgerlicher und kirchlicher Gemeinde. Es gelte auch, „Reibungsverluste“ im Verhältnis von professioneller und familiärer Pflege abzubauen.

Ökonomie, Ökologie und Soziales müssen sich ausgleichen

Professor Michael Batz betrachtete die Gerechtigkeit und die Nachhaltigkeit aus einem sozialökonomischen Blickwinkel: „Wie können wir so leben, dass alle Menschen auf dem Planeten dieselben Zugänge und Chancen haben und dasselbe Wohlbefinden entwickeln können und wie können wir das so gestalten, dass die nächsten Generationen dieselben Voraussetzungen vorfinden?“ Leider seien wir „kilometerweit“ davon entfernt, diesen Zustand der intra- und intergenerativen Gerechtigkeit zu erreichen.

Ökonomie, Ökologie und Soziales ließen sich bei der Suche nach Lösungen nicht voneinander trennen, sondern müssten in einen guten Ausgleich gebracht werden. Der Klimaschutz sei zwar eine zentrale Aufgabe, ohne den viele andere Ziele nicht erreicht werden könnten, „aber er ist nicht das einzige Thema und er ist auch nicht die einzige Lösung“, betonte Batz. Mit Blick auf soziale Arbeit sagte Batz: „Ich glaube, dass man soziale Arbeit in Zukunft gar nicht anders als nachhaltig denken kann. Soziale Arbeit, die nicht aktiv Nachhaltigkeit befördert, nimmt sich eigentlich selber seine Berechtigung.“ Nachhaltigkeit funktioniere außerdem nur im Dialog. Nachhaltigkeit sei und bleibe ein Suchprozess. Miteinander ins Gespräch zu kommen sei eine große Stärke der sozialen Arbeit. Kirche und Caritas seien hier wichtige Akteure und Multiplikatoren.

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