Bischof Dr. Gebhard Fürst: Hirtenbrief zur österlichen Bußzeit 2017

Als Martinsdiözese wollen wir eine missionarische, diakonische, eine helfende und heilende Kirche sein. Für uns alle erwächst daraus die Verpflichtung, alle, deren Ehen und Beziehungen in die Krise geraten oder zerbrochen sind, einfühlsam und kompetent zu begleiten. Wir wollen sie dabei unterstützen, eine neue, gelingende Perspektive zu finden.

 

Am größten ist die Liebe

Ehe- und Familienpastoral im Licht von Amoris laetitia

Für jetzt bleiben Glaube, Hoffnung, Liebe, diese drei;
doch am größten unter ihnen ist die Liebe.
(1 Kor 13,13)

I.

Liebe Schwestern und Brüder!

Wir stehen am Beginn der österlichen Bußzeit. Die kommenden Tage geben Gelegenheit, uns bewusst auf unser Leben zu besinnen. Sie geben Raum, uns zu erinnern: an Gelungenes und Geglücktes. Und gleichzeitig fordern sie uns heraus, auch auf das zu schauen, was verletzt und verwundet vor uns liegt.

Trotz der bedrängenden Probleme, die uns alle mit Sorge erfüllen, möchte ich meinen diesjährigen Brief zur Fastenzeit dem Thema „Ehe und Familie“ widmen.

II.

Nach christlichem Verständnis ist die Ehe sichtbares Zeichen für die Liebe Gottes und deren wirksame Kraft. Sie ist ein Stück gelebte Kirche. Darum verstehen wir Ehe und Familie auch als Kirche im Kleinen, als „Hauskirche“[1], für die einzutreten und sie zu pflegen unser aller Auftrag ist.

Ich freue mich über das große Geschenk, das Papst Franziskus der Kirche mit seinem nach-synodalen Schreiben „Amoris laetitia – über die Liebe in der Familie“ gemacht hat. Alltagsnah und lebensbejahend spricht Papst Franziskus von der Bedeutung der zwischenmenschlichen Beziehungen. Er spricht von Ehe, Partnerschaft, Sexualität, Elternschaft und vor allem von der Liebe. Mit dem Schreiben Amoris laetitia haben wir deutschen Bischöfe uns intensiv beschäftigt. Dabei sind wir dem ausdrücklichen Wunsch von Papst Franziskus nachgekommen, „in jedem Land oder jeder Region besser inkulturierte Lösungen“ zu suchen, „welche die örtlichen Traditionen und Herausforderungen berücksichtigen“ (AL Nr. 3). Anfang Februar haben wir eine Stellungnahme veröffentlicht, die das päpstliche Schreiben Amoris laetitia für unseren Wirkungsbereich vertieft.[2] Dieses „Wort der deutschen Bischöfe“ möchte ich aufgreifen und in der Pastoral unserer Diözese zur Geltung bringen.

III.

Wenn zwei Menschen zueinander finden und als Ehepaar und Familie ihren Weg fortsetzen, dann sind sie getragen und begleitet von Gottes Segen. Die Liebe zwischen zwei Menschen ist etwas ganz Besonderes. Sie ist das Abbild der Liebe Gottes zu uns Menschen. In der katholischen Kirche ist die Ehe ein Sakrament, das sich die Liebenden gegenseitig spenden. In diesem Sakrament wird deutlich: So unverbrüchlich, ewig und einzigartig die Liebe Gottes zu den Menschen ist, so unverbrüchlich und einzigartig soll die Verbindung von Frau und Mann sein.

IV.

Trotz allen guten Willens der Eheleute und trotz aller Vorbereitung auf die Ehe geschieht es, dass Beziehungen zerbrechen. Immer wieder schildern mir Menschen in Begegnungen und Briefen von den schmerzhaften Erfahrungen, die sie in Zusammenhang mit dem Zerbrechen ihrer Ehe machen mussten. Sie leiden daran, dass sie scheitern und ihrem Ideal einer lebenslangen Liebe nicht gerecht werden können oder von einem geliebten Partner verlassen wurden. Für mich gehört es zu den schmerzlichsten Erfahrungen, dass sich viele Menschen in dieser Lebenssituation von der Kirche nicht unterstützt fühlen.

Ich bitte alle, deren Ehe zerbrochen ist, die gemeinsamen Kinder spüren zu lassen, dass sie weiterhin als Eltern für sie da sind.

V.

Liebe Schwestern, liebe Brüder,

die Unauflöslichkeit der Ehe gehört zum unverzichtbaren Glaubensgut der Kirche. Daran lässt Amoris laetitia keinen Zweifel. Doch ebenso zweifellos gehören Menschen, deren Ehe gescheitert ist, in die Mitte der Kirche. Sie sind weiterhin gerufen, echte Zeugen Jesu Christi zu sein.

Papst Franziskus beschreibt eine pastorale Kultur, die von freiheitsfähigen, verantwortlichen und gewissenhaften Kirchenmitgliedern lebt. In Amoris laetitia unterstreicht er deutlich: „Sie sollen sich nicht nur als nicht exkommuniziert fühlen, sondern können als lebendige Glieder der Kirche leben und reifen, indem sie diese wie eine Mutter empfinden, die sie immer aufnimmt, sich liebevoll um sie kümmert und sie auf dem Weg des Lebens und des Evangeliums ermutigt.“ (AL Nr. 299) Als Ziel der pastoralen Sorge sieht Papst Franziskus fürsorgliches Eingliedern. Dies gilt auch für den Empfang der Sakramente.

Auch wir Bischöfe betonen in unserem gemeinsamen Wort: „Amoris laetitia übersieht weder die schwere Schuld, die viele Menschen in Situationen des Zerbrechens und Scheiterns ehelicher Beziehungen auf sich laden, noch die Problematik, dass eine zivilrechtliche Wiederheirat dem sichtbaren Zeichen des Ehesakraments widerspricht.“[3] Als Bischof befürworte und befördere ich deshalb differenzierte Lösungen, die dem jeweiligen Einzelfall gerecht werden.

Dazu steht im Wort der Bischöfe: „Amoris laetitia geht von einem Prozess der Entscheidungsfindung aus, die von einem Seelsorger begleitet wird. Unter der Voraussetzung dieses Entscheidungsprozesses, in dem das Gewissen in höchstem Maß gefordert ist, eröffnet Amoris laetitia die Möglichkeit, die Sakramente der Versöhnung und der Eucharistie zu empfangen. (…) Am Ende eines solchen geistlichen Prozesses, dem es immer um das Eingliedern geht, steht nicht in jedem Fall der Empfang der Sakramente von Buße und Eucharistie. Die individuelle Entscheidung, unter den jeweiligen Gegebenheiten nicht oder noch nicht in der Lage zu sein, die Sakramente zu empfangen, verdient Respekt und Achtung. Aber auch eine Entscheidung für den Sakramentenempfang gilt es zu respektieren.“[4]

VI.

Liebe Schwestern und Brüder,

Paare in Krise, Scheidung und zivilrechtlicher Wiederverheiratung zu begleiten, bedeutet eine große Herausforderung. Gerade in den existenziellen Situationen des Lebens sollen die Menschen erfahren können, dass ihre Kirche, die Gemeinschaft der Christgläubigen, an ihrer Seite steht. Dabei bin ich mir bewusst, dass unser Eheverständnis, ja unser Bild vom Menschen immer wieder neu zur Sprache gebracht werden muss. Als Martinsdiözese wollen wir eine missionarische, diakonische, eine helfende und heilende Kirche sein. Für uns alle, für mich als Ihr Bischof, für die Priester und Diakone, für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der pastoralen Dienste und die Fachdienste der Caritas, erwächst daraus die Verpflichtung, alle, deren Ehen und Beziehungen in die Krise geraten oder zerbrochen sind, einfühlsam und kompetent zu begleiten. Wir wollen sie dabei unterstützen, eine neue, gelingende Perspektive zu finden.

Deshalb ermutige ich Betroffene, das Gespräch mit einem Seelsorger zu suchen und die vielfältigen diözesanen Angebote der Beratung und Begleitung zu nutzen.[5]

Zusammen mit den Verantwortlichen auf der Diözesanebene bis hin zu den Kirchengemeinden werden wir unsere Angebote vertiefen, die den Weg zur Ehe als bewussten Glaubensweg begleiten. Gleichzeitig sehen wir uns auch in der Pflicht, die Bemühungen um die Begleitung der Eheleute und ihrer Familien zu verstärken. In nächster Zeit werden wir den Priestern, den Diakonen und allen Seelsorgerinnen und Seelsorgern eine Handreichung anbieten, die sie im Umgang mit Paaren, Eheleuten und Familien unterstützt.

VII.

Abschließend möchte ich mich bei Ihnen allen bedanken. Sie alle geben mit Ihrem christlichen Leben Zeugnis für die frohe und lebensbejahende Botschaft Jesu Christi. Wir alle leben vom Vertrauen, dass Gott jeden Menschen ein Leben lang als der „unbeirrbar treue Gott“ (Dtn 32,4) mit seiner Barmherzigkeit begleitet. Ich danke allen, die durch ihre Eingaben zur Familiensynode in Rom zum Gelingen des synodalen Weges von Papst Franziskus beigetragen haben! Allen Diensten und Ämtern unserer Kirche, den Seelsorgerinnen und Seelsorgern danke ich für ihren wertvollen Dienst in der Begleitung der Menschen.

Mein größter Dank aber gilt Ihnen, den Frauen und Männern, Müttern und Vätern, die sich Tag für Tag den vielfältigen Anforderungen des Alltags stellen. Ich danke den Familien mit ihren Kindern, die die Gemeinschaft der Glaubenden auf so vielfältige und lebendige Weise beleben.

Möge Sie Gottes Segen begleiten!

Rottenburg,
am Fest der Darstellung des Herrn,
2. Februar 2017

Bischof Dr. Gebhard Fürst

 

[1] = Vgl. Apostolisches Schreiben Familiaris Consortio, 49

[2] = „Die Freude der Liebe, die in den Familien gelebt wird, ist auch die Freude der Kirche“ – Einladung zu einer erneuerten Ehe- und Familienpastoral im Licht von Amoris laetitia: Wort der deutschen Bischöfe, Bonn/Würzburg 01.02.2017

[3] = Wort der deutschen Bischöfe, a.a.O., S. 5

[4] = Wort der deutschen Bischöfe, a.a.O., S. 6

[5] = http://www.drs.de

 

Fastenhirtenbrief als Download und Übersetzungen des Fastenhirtenbriefes für Katholiken anderer Muttersprache

deutsch:

englisch:

spanisch:

portugiesisch:

polnisch:

kroatisch:

italienisch:

Weitere Nachrichten

Inklusion
Der Festakt zum Projektabschluss „Bibel in leichter Sprache“ fand am 24. April in der Akademie in Hohenheim statt.
Weiterlesen
Dekanekonferenz
Die Diözesanleitung hat sich erstmals in der Sedisvakanz intensiv mit der mittleren Führungsebene ausgetauscht.
Weiterlesen