Bischof Dr. Gebhard Fürst: Hirtenbrief zur österlichen Bußzeit 2018

Wir dürfen den Umgang mit den Feiertagen nicht einseitig verfolgten ökonomischen oder individualistischen Interessen überlassen. ... Die christlichen Feste ... halten die unter keinen Umständen zu verletzende Würde des Menschen fest, erinnern an sie. ... Ich wünsche mir eine einladende, eine in diesem Sinne Lebenskultur und Lebensstil stiftende Kirche.

Die Zeit ist erfüllt

Über die Bedeutung der christlichen Feste

„Er verkündete das Evangelium Gottes" MK 1,14

Gegenwart Gottes in der Welt

Liebe Schwestern, liebe Brüder!
Zu Beginn der österlichen Bußzeit grüße ich Sie sehr herzlich! Die kommenden Wochen geben uns Gelegenheit zur Vorbereitung auf das Fest der Auferstehung Jesu Christi. Ostern ist nicht bloß eine Feier eines Ereignisses in der Vergangenheit. Ostern ist das Fest des Lebens. „Ostern proklamiert einen Anfang, der schon über die fernste Zukunft entschieden hat“ (Karl Rahner). Das heißt für uns Menschen: Selbst in Situationen, in Zeiten, in denen wir uns verschätzt und verfehlt haben, gibt es Hoffnung auf Gottes rettendes Handeln. Das ‚Ja‘ Gottes zum Menschen ist grundlegend, es gilt bedingungslos und bleibt unverbrüchlich. Das feiern wir am Osterfest.

Liebe Schwestern und Brüder,
unser Alltag hat neben erfüllten auch mühselige Zeiten, aus denen wir bisweilen gerne ausbrechen wollen. Unser Alltag bietet zugleich unzählige Möglichkeiten an Zerstreuung. Die Möglichkeiten, die die digitalen Medien bieten, um in andere Welten einzutauchen, sind nahezu unerschöpflich. Sie bergen zugleich die Gefahr in sich, uns darin zu verlieren. Die sich immer rascher weiterentwickelnden Neuerungen im Bereich der Digitalisierung, der Information und der Kommunikation bieten dabei zahlreiche Wege. Unbestritten sind viele Innovationen wichtig und gut. Vieles aber nimmt auch eine bedrohliche Form an.

Ohne einfach pessimistisch in die Zukunft zu blicken, möchte ich Ihnen eine Sorge weitergeben, die mich umtreibt. Die Menschen laufen Gefahr, durch die Technisierung der Welt und letztlich des Menschen, selbst zum verfügbaren Objekt zu werden. Ich sehe darin eine ernste Krise unserer menschlichen Kultur.

Ein Gefühl für das Heilige

Liebe Schwestern und Brüder,
wir können diese Krise nur bewältigen, wenn wir uns ein sensibles Empfinden für das Unantastbare und Heilige neu entwickeln. Wir brauchen ein neues Gefühl, ein neues Empfinden für Heiliges, das unter keinen Umständen verletzt werden darf. Eine stärkere Beziehung zum Heiligen tut uns in dieser krisenhaften Situation gut.

Das christliche Bild vom Menschen bedeutet: Wir sind keine ‚Selfmade-Menschen‘. Wir haben uns nicht selbst hervorgebracht, wir sind nicht unser eigenes Produkt. Jede und jeder Einzelne verdankt seine Existenz Gott, dem unverfügbaren Schöpfer. Als Christinnen und Christen haben wir den Auftrag, die gesamte Schöpfung, uns Menschen und letztlich auch Gott selbst vor dem Zugriff des technologisch Machbaren zu schützen.

Der Mensch ist Geschöpf. Deshalb gilt besonders: Als Geschöpf ist er ein Empfangender, ein im Leben Beschenkter. Der Mensch ist Gottes Ebenbild. Er ist das Abbild des unsichtbaren Gottes, der in Jesus Christus zu den Menschen gekommen ist und unter uns gewirkt hat. In ihm ist die Liebe Gottes leibhaftig geworden. Diese Liebe Gottes will auch in uns lebendig werden. Sie will uns wandeln, damit wir zum Geschenk füreinander werden. In diesem Sinne dürfen wir uns sehen und unseren Nächsten, den wir lieben sollen wie uns selbst.

Christliche Feiertage als Beitrag für gelingendes Miteinander

Zur Stärkung des Verständnisses für Heiliges und einer daraus wachsenden menschlichen Kultur haben die christlichen Feiertage ihre große Bedeutung. Recht verstanden leisten unsere christlichen Feste einen wesentlichen Beitrag für die Gesellschaft, für ein menschenwürdiges Leben und für das Zusammenleben der Menschen. Die Feiertage tragen Zentrales dazu bei, dass es in Gegenwart und Zukunft gelingt, die Humanität des Menschen je neu zu stiften und zu bewahren. Sie dienen der humanen Gestaltung der Zukunft! Für den Sonntag als christlichen Feiertag der Auferstehung und Eröffnung der Woche gilt dies ebenso.

Tiefe menschliche Dimensionen und Fragen sind in der Liturgie der christlichen Feste gegenwärtig und finden ihre Deutung: Woher kommen wir, wohin gehen wir, was ist der Mensch? Was darf ich hoffen?

Liebe Schwestern, liebe Brüder,
der Festkalender, das Kirchenjahr, die Schönheit der Liturgie – in all ihrer tiefgründigen Feierlichkeit – stellen uns vor die Grundfragen des Menschseins. Der Sinn des Festes ist nicht zuerst die Erholung vom Alltag; der Sinn des Festes ist die Erhebung über den Alltag hinaus. Die christlichen Feiertage als Erinnerungszeiten für Menschliches und Göttliches bilden somit heilsame Formen des kulturellen Gedächtnisses.

Um dieses kulturellen Gedächtnisses willen ist die Bewahrung der christlichen Feiertage eine dringliche, auch gesellschaftspolitische Aufgabe der Kirche. Wir dürfen den Umgang mit den Feiertagen nicht einseitig verfolgten ökonomischen oder individualistischen Interessen überlassen. Denn unsere Feiertage haben als Sinnangebote für gelingendes Leben eine große kulturelle Bedeutung.

Christliche Feste halten das Heilige präsent

Wir feiern auch in diesem Jahr wieder Palmsonntag und Karfreitag, Ostern – als Fest der Auferstehung – und Pfingsten, Weihnachten und viele Heiligenfeste.

Die Feier des Kirchenjahrs hält das Bewusstsein und die Sache des Heiligen präsent und den Glauben an den lebendigen unverfügbaren und dreieinigen Gott wach: In der Liturgie, der Feier der Eucharistie und in den Sakramenten kommen die großen Fragen der Menschen zur Sprache – und das in einer unserem Erlebnis und unserer Erfahrung offenstehenden Weise.

Die Feste der Christen feiern Gott und feiern deshalb den Menschen, der Gottes Abbild ist und der durch Gott ‚mit Herrlichkeit gekrönt ist‘, wie ein Psalmvers sagt (Ps 8,6). Die christlichen Feste, unsere Feiertage, halten die unter keinen Umständen zu verletzende Würde des Menschen fest, erinnern an sie, vergegenwärtigen sie.

Einladende und Leben stiftende Kirche sein

Liebe Schwestern und Brüder,
ich wünsche mir eine einladende, eine in diesem Sinne Lebenskultur und Lebensstil stiftende Kirche. Daran auf Ihre Weise mitzuwirken lade ich Sie alle ein. Bei Firmungen und Pastoralbesuchen in den Gemeinden darf ich immer wieder erleben, wie groß und vielfältig Ihr Engagement ist. Dafür danke ich Ihnen von Herzen.

Wir alle wollen eine bewohnbare, eine Heimat gebende Kirche sein und auch eine prophetische Kirche, die der Gerechtigkeit in allen Bereichen unseres Lebens und Zusammenlebens verpflichtet ist. Wir alle wirken daran mit, eine den Menschen dienende Kirche zu bauen – eine Kirche, in der das Evangelium vom Heil für alle Menschen lebendig und erfahrbar ist; auch und besonders in unseren christlichen Feiertagen.

Gegenwart Gottes in dieser Welt

Liebe Schwestern, liebe Brüder,
„die Zeit ist erfüllt, das Reich Gottes ist nahe“ verkündet uns das Evangelium vom ersten Fastensonntag (Mk 1,15). Das Reich Gottes ist nahe; es beginnt schon jetzt, sich Bahn zu brechen.

Ich wünsche Ihnen für die kommenden Wochen auf Ostern hin den Segen des unverfügbaren Gottes!
Amen!

Rottenburg,
am Fest der Darstellung des Herrn,
2. Februar 2018

Bischof Dr. Gebhard Fürst

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