Bischof Dr. Gebhard Fürst: Predigt am Ersten Weihnachtsfeiertag 2016

Rottenburg, Dom St. Martin

Schrifttexte: Jes 9, 1-6, Hebr 1,1-6, Joh 1,1-18

Liebe Schwestern und Brüder,

eine überregionale Zeitung machte am gestrigen Heiligabend auf mit großem Farbbild von einem Engelchen mit Kuh und Ochs und Weihnachtsmann mit Zipfelmütze: „Weihnachten feiern!“ steht darüber. Und darunter etwas kleiner die Frage: „Gibt es an Weihnachten etwas zu feiern?“ Ausgerechnet in diesem von Kriegen, von Krisen und Attentaten und von aufflammendem Hass geprägten Jahr 2016? Ja, steht da: „Der Sinn des Feierns ist das Feiern selbst!“

Der Sinn des Feierns ist das Feiern selbst? Feiern als rauschender Selbstzweck? Geht es denn nur ums Feiern? Um rührselige Stunden mit Keks und Punsch? Ich weiß wohl, dass ich dies nicht zuerst Sie fragen muss, die heute Morgen gekommen sind, um hier im Dom Weihnachten zu feiern. Aber ich möchte dies hinausfragen in unsere Gesellschaft: Wie wichtig ist uns heute das Weihnachtsfest, wenn wir feiern? Wir feiern nicht das Feiern. Wir feiern ein Fest. Ein Fest aus Anlass. Ein Fest ob eines unglaublichen Ereignisses: des unglaublichen Ereignisses: Gott wird Mensch in dem Kindlein Jesus im Futtertrog von Tieren im Stall von Betlehem. Gott wird Mensch draußen vor der Tür im Stall, weil in der Herberge, im Gasthaus, schon alles besetzt ist und niemand mehr hereingelassen wird.

Und dieses Ereignis hat seine Botschaft: Heute ist euch der Retter geboren, der Retter aus Not und Hass, aus Gewalt und Krieg. Und noch eine Botschaft hat dieses unsagbare Ereignis: „Friede den Menschen auf Erden“, rufen die Gottesboten. Friede möge werden in dieser Zeit, rufen auch wir. Das ist der Sinn des Weihnachtsfestes. Das heißt Weihnachten feiern. Die Geburt Jesu geschah zu einer bestimmbaren Zeit: „Als Quirinius Statthalter von Syrien war“, heißt es. Und sie ereignete sich an einem bestimmten Ort: „In Betlehem“, ein Ort - nicht allzu weit weg von Aleppo, der geschundenen Stadt, und den geschundenen Menschen. Ein Ort - nicht zu weit weg von uns oft verletzten Menschen.

Der Sinn des Festes, das wir feiern, heißt: Heute ist uns der Retter geboren - hinein in unsre so zerrissene und geschundene Welt, hinein gerade auch in zerrissenes Leben. Der Friedensbringer ist da. Und wer diese heilsame und rettende Botschaft hört, sie sich sagen lässt und aus ihr lebt, überwindet Hass und Gewalt. Also wir feiern ein Fest, das Sinn macht, nein noch mehr, ein Fest, das Sinn hat und Sinn stiftet.

Was aus dem Ereignis wird mit der frohen Botschaft, dass Gott Mensch wird, um uns zu retten und Frieden zu bringen, das können wir sehen und erleben - hautnah und handfest - an Jesus, geboren in Betlehem. Als Dreißigjähriger wird Jesus dann aus Nazaret – auch im Vorderen Orient gelegen – durch das Land ziehen und von Gottes Liebe nicht nur reden, sondern aus Gottes Liebe und in seinem Namen gute Taten an den Menschen tun, denen übel mitgespielt wurde und wird. Er tröstet die Trauernden, er heilt die Verwundeten an Leib und Seele, er befreit die von dämonischen Mächten Besessenen, die Fanatisierten. Er ermutigt die Menschen in ihrer Not und Hoffnungslosigkeit, gibt Kraft und Zuversicht und stiftet Hoffnung – über das Sterben und den Tod hinaus. Ein wunderbarer Mensch, dieser Jesus, der Stifter der christlichen Religion. Ein wunderbarer Mensch dieser Jesus, aus Gott geboren. Sein Geburtsfest feiern Christen heute.

Was für ein Anlass der Freude über Gott, der uns in Jesus ganz nahe kommt, der uns nicht uns selbst überlässt, ja der einer von uns wird, durch den gnadenlos behandelte Menschen Barmherzigkeit erfahren und an dem wir Gottes Barmherzigkeit live anschauen, ablesen, erleben und erlernen können. Diese Freude über Gott, der so an uns handelt, gibt Kraft und Mut, selbst in der in Jesus Fleisch gewordenen Liebe Gottes zu uns Menschen so zu handeln, wie er an uns gehandelt hat. Deshalb hat das Fest noch einen Sinnimpuls in sich, den der Gottesbote uns heute zuruft: „Ich verkünde euch eine große Freude.“ Gott ist da für uns, für die Verlorenen und Einsamen, Vertriebenen und Gequälten. Und solche gibt es nicht nur an anderen Orten und zu anderen Zeiten, sie gibt es auch unter uns mitten im Fest, mitten im Geschick des Lebens.

Liebe Schwestern und Brüder,
mit der weihnachtlichen Botschaft von Liebe und Frieden können wir Hass und Gewalt überwinden. Der Anschlag auf den Weihnachtsmarkt in Berlin hat uns schwer getroffen. Weihnachten trägt in diesem Jahr eine tiefe Wunde, wir feiern das Fest heute anders. Aber: Mit der Menschwerdung Gottes in Jesus Christus aus Betlehem und Nazaret wird der Teufelskreis der Missachtung, der Gewalt und des Todes durchbrochen. Am Weihnachtsfest erkennen wir: Jede Form von Hass und Gewalt widerspricht dem Menschen als Bild Gottes und widerspricht dem Bild Gottes, das mit Fleisch und Blut in Jesus von Nazaret unter uns gelebt und gewirkt hat.

Unfassbar wie Attentate islamistischer Terroristen ist für mich auch der Hass von denen hierzulande, der jenen entgegenschlägt, die aus den Krisenregionen fliehen und die auf unsere Hilfe angewiesen sind. 800 hasserfüllte Straftaten gegenüber Flüchtlingen müssen wir in Jahr 2016 beklagen.

Aber viele, viele Menschen leben nicht aus dem Geist des Hasses, sondern aus dem Geist Jesu Christi, dessen Geburtstag wir feiern, leben aus dem Geist der Liebe Gottes zu uns Menschen. Viele, viele engagieren sich für Menschen auf der Flucht und für bei uns wohnende geflüchtete Menschen. Damit ermöglichen sie oftmals traumatisierten Opfern von Hass, Gewalt und Krieg Wärme, Licht, Geborgenheit, ja vielleicht Heimat zu finden bei uns. Sie versuchen diese Menschen hineinzunehmen in die Mitte der Gesellschaft. So werden sie zu Rettern der Verlorenen. Für das wunderbare Engagement danke ich all den Engagierten.

Kraft, Mut, Motivation dafür beziehen Christen aus der Gewissheit, dass Gott durch seine Menschwerdung in die dunkelsten Winkel des menschlichen Lebens hineingekrochen ist und in ihnen heilsam wirksam wird. So zeigt er inmitten unseres menschlichen Elends seine ganze göttliche Barmherzigkeit und Frieden stiftende Kraft. Betlehem ist nicht weit weg von Aleppo und ändert alles. Mit Weihnachten überwinden wir den Hass. Die Botschaft von Liebe und Frieden heilt Wunden und lässt hoffen.

Amen.

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