Bischof Dr. Gebhard Fürst: Predigt am Ersten Weihnachtsfeiertag 2018

Diejenigen werden die glaubwürdigsten Menschen sein, die am intensivsten und am nachhaltigsten Frieden bringen und Versöhnung stiften. Sie bringen das größte Geschenk, die Gnade von Gott in diese Welt, dass dort, wo ER ankommt, Friede und Freude und Versöhnung wirklich werden.

Rottenburg, Dom St. Martin

Schrifttexte: Jes 52, 7-10, Hebr 1,1-6, Joh 1,1-18

Liebe Schwestern und Brüder,

frohe, friedvolle Weihnachten - das wünschen wir uns heute gerne. Froh und fried-voll leben können - wer wünschte sich das nicht für sich selbst und für unser Zusammenleben. Weihnachten ist für uns alle eine Sehnsuchtszeit, Friede und Freude zu erfahren im Familien- und Freundeskreis.

Wenn wir hinausschauen in die Welt, verbindet sich mit Weihnachten erst recht eine starke Hoffnung auf Frieden. Wieviel Unfrieden erleben wir täglich. Wir hören schlimme Nachrichten über eine Welt voller Gewalt und sehen Bilder von Kriegen furchtbaren Ausmaßes - nach wie vor im Nahen Osten, in Syrien, aber auch anderswo. Fast vergessen ist die humanitäre Katastrophe im Krieg im Jemen. Krieg tötet. Und nicht zu vergessen ganz bei uns in der Nähe: die Ukraine. Waffen werden wieder aufeinander gerichtet.

Liebe Schwestern und Brüder, Unfriede, Streit, Feindschaft, ja Gewalttätigkeit entstehen überall dort, wo einer größer und stärker sein will als der Andere. I am first. - Ich bin der Erste. Du hast Dich unter zu ordnen…. Ich bin der Stärkere, recht ist, wenn du der Schwächere bleibst, der rettungslos Unterlegene. Diese unheilvolle, gewalttätige Mentalität breitet sich wie Gift aus in unseren Zeiten.

So können wir alle nur zu gut nachempfinden, wenn einer sagt: Willkommener sind mir diejenigen, die Frieden bringen statt gewalttätigen Streit, die Freude machen statt Leid zufügen. Es ist Jesaja, der Prophet von Friede und Freude, der das heute in der Weihnachtslesung uns zuruft: „Willkommen sind auf den Bergen die Schritte des Freudenboten, der Frieden ankündigt, der eine frohe Botschaft bringt und Rettung verheißt.“ (Jes. 52,7) Wer sehnt sich nicht danach, dass Gewalt und Kriege aufhören. Dass ihnen ein Ende gesetzt wird. Ja auch, dass ich selbst Frieden finde und Freude.

Aber wo sind die Frieden ankündigenden Boten, die Rettung bringen und Freude? Auf unsere Sehnsucht nach Frieden und Heil antwortet die Verkündigung der Freudenboten, der Engel über der Geburtsstätte Jesu in Bethlehem: „Verherrlicht ist Gott in der Höhe und auf Erden ist Friede bei den Menschen seiner Gnade.“ - So haben wir das in der Feier der heiligen Nacht gehört (Lk 2,14). Friede den Menschen auf Erden!

Liebe Schwestern und Brüder, das Kind, dessen Geburtstag wir heute feiern, ist das göttliche Kind in der Krippe im Stall von Bethlehem. In diesem Kind ist der Friedensbringer - aus Gott geboren - unter uns angekommen. Jesus von Nazareth, „ein Mensch wie sonst keiner“ (Ernst Bloch), bringt Frieden in unser gemeinsames Haus.

Im ältesten Loblied des Neuen Testaments auf den in die Welt gekommenen Jesus Christus heißt es: „Jesus Christus war Gott gleich, hielt aber nicht daran fest, Gott zu sein. Er erniedrigte sich und wurde den Menschen gleich. Sein Leben war das eines Menschen ….“ (vgl. Phil, 2,6ff). Was hier besungen wird, ereignet sich heute.

Jesus von Nazareth, dessen Geburtsfest wir heute feiern, von ihm singt das Jubellied: „Er lebte das Leben eines Menschen.“ Welch ein Wort. Gott lebte das Leben eines Menschen. Jesus von Nazareth lebte das Leben eines Menschen - aber mit der großen, alles entscheidenden Ausnahme: In seinem Leben gab es keinen Hang zur Gewalttätigkeit. In seinem Leben war die Macht des Friedens wirksam und mächtig. Er wollte, dass der Schwache stark wird und aufsteht.

Als 30-Jähriger ruft Jesus von Nazareth den auf dem Berg um ihn versammelten Menschen zu: „Selig, die keine Gewalt anwenden, denn sie werden das Land erben. Selig, die Frieden stiften, denn sie werden Söhne und Töchter Gottes genannt werden.“ (Mt 5,5.9) Das Land erben, wahre Söhne und Töchter Gottes sein, Menschen ohne Gewalt – für den Frieden. Ihnen, euch, wird die Zukunft gehören.

Jesus verkündet das nicht nur, sondern er selbst verhält sich entsprechend. Jesus setzt nicht auf Gewalt - schon gar nicht in Beziehungen. Er setzt nicht auf das Schwert, nicht auf Waffen. Als Jesus gefangengesetzt werden soll, ergreift einer seiner Begleiter sein Schwert. Er schlägt auf den Diener dessen ein, der ihn gefangen nehmen will. Er will so Jesus, seinen Meister, retten. Aber Jesus sagt zu ihm: „Steck dein Schwert weg, alle, die zum Schwert greifen, werden durch das Schwert umkommen.“ (Mt 26,52) Steck dein Schwert weg, leg deine Waffen aus der Hand, hör auf, den Anderen deine Stärke spüren zu lassen. Dieser gewalttätige Weg führt nur in den Teufelskreis.

Der, dessen Geburtsfest wir an diesem Weihnachtsfest feiern, setzt nicht auf Gewalt, von ihm geht der Geist des Friedens und des Friedenstiftens aus. Jesus, der Stifter der christlichen Religion, ist der Friedensstifter, der gewaltlose Botschafter Gottes. Paulus nennt das Evangelium Jesu Christi einfach „das Evangelium des Friedens“ (Eph, 6,15).

Die christliche Religion ist die Religion des Friedens und der Versöhnung. Oder sie ist nicht bei ihrem Stifter, nicht bei Jesus Christus und seinem Leben eines Menschen. Die christliche Religion und die Menschen, die ihr anhangen, sind dort bei der Sache Jesu, bei ihrem Religionsstifter Jesus Christus, wo durch sie Frieden, Versöhnung und Heil in die Welt kommen.

Jesus und alle, die mit ihm sympathisieren, die ihm wirklich nachfolgen, müssen Frieden und Heil, Verzicht auf Gewalt und Bereitschaft zur Versöhnung im Sinn haben, sonst sind sie nicht seine Jünger und Jüngerinnen. Uns, liebe Schwestern und Brüder, die wir aus dem Geiste Jesu leben wollen, ist aufgetragen, Frieden und Heil schaffen.

Die Friedensbotschaft des Weihnachtsfestes ist also nicht irgendetwas. Sie ist Ursprung und Anfang des Christseins. Christus tritt auf die zu, die im Unfrieden, in Streit und Verlorenheit leben. Im Johannesevangelium ruft der Auferstandene den Jüngern zu: „Frieden hinterlasse ich euch, meinen Frieden gebe ich euch“ (Joh 14,27). Das ist sein Vermächtnis an uns. Die Weihnachtsbotschaft hat deshalb auch eine politische Dimension, eine Dimension, die die friedvolle Gestaltung des Zusammenleben in der Gesellschaft und in der Gemeinschaft der Länder und Menschen auf der ganzen Welt im Sinn hat.

In einer Welt voller Streit, Gewalt und kriegerischer Auseinandersetzungen, wo wieder der Un-Geist des Stärkeren sich überall durchzusetzen beginnt, da müssen die Religionen dieser Welt ihr Haupt erheben und für den Frieden eintreten, für den Verzicht darauf, mit allen Mitteln der Stärkere sein zu wollen. Wie wäre es, wenn die Religionen dieser Welt sich nicht argwöhnisch beäugten oder gar bekämpften, sondern miteinander in einen Wettbewerb der Religionen einträten, einen Wettbewerb um des Friedens willen? In einen Wettbewerb darum, wer am meisten Frieden stiftet. (vgl. Lessings Ringparabel)

Alle Religionen und religiöse Menschen auf der ganzen Welt sind aufgerufen, miteinander in einen heilsamen Wettbewerb um des Friedens willen einzutreten, wer denn am intensivsten für den Frieden arbeitet und am nachhaltigsten Frieden bewirkt. Diejenigen werden die glaubwürdigsten Menschen sein, die am intensivsten und am nachhaltigsten Frieden bringen und Versöhnung stiften. Sie bringen das größte Geschenk, die Gnade von Gott in diese Welt, dass dort, wo ER ankommt, Friede und Freude und Versöhnung wirklich werden.

Liebe Schwestern und Brüder, in diesen Tagen tragen Jugendliche das Friedenslicht aus Bethlehem in die Kirchengemeinden unserer Diözese. Auf diese Weise geben sie die weihnachtliche Botschaft des Friedens an die Menschen in unserem Land weiter, die Botschaft, die von Bethlehem, dem Geburtsort von Jesus Christus selbst ausgeht. Das Friedenslicht erinnert, dass von Menschen weder Gewalt noch Krieg ausgehen darf. Das Friedenslicht ist Ermutigung, sich aktiv für den Frieden einzusetzen in den Familien, in Deutschland, europaweit und weltweit.

Für die heutigen Bringer des Friedenslichtes, für die Boten des Friedens gilt: „Wie willkommen sind auf den Bergen die Schritte des Freudenboten, der Frieden ankündigt, der eine frohe Botschaft bringt und Rettung verheißt.“ (Jesaja 52,7)

Frohe, friedvolle Weihnachten.

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