Bischof Dr. Gebhard Fürst: Predigt am Fronleichnamsfest 2017

Dom St. Martin Rottenburg, 15. Juni 2016

Dies Brot ist mein Leib für das Leben der Welt.
(Vgl. Joh 6,51c)

Liebe Schwestern und Brüder!

Was für eine schöne Sache kann doch das Leben sein – wenn es denn gelingt. Wie schwer zu ertragen, wenn es misslingt. Wo es gelingt, da sind wir voller Glück. Kein Wunder, dass wir uns darum bemühen, dass unser Leben gelingt und wir Glück finden.

Wir hungern nach Leben. Aber was macht uns satt? – Was ist für uns wie Brot zum Leben? Manche meinen, das Gelingen des Lebens hänge nur von mir selber ab. Ich müsste alles selber machen – Die christliche Botschaft des Evangeliums sieht das etwas anders! Du musst nicht alles selber machen! Da gibt es für Dich zur freien Verfügung ein Angebot zum Gelingen des Lebens.

Jesus sagt von sich: „Ich bin das Brot des Lebens“ (Joh 6,48). Das, was ihr sucht, wonach euch hungert, das bin ich in meinem Leben, mit meiner Botschaft, mit meinem Verhalten, das ihr gesehen und erlebt habt. Nehmt das auf, was ich euch anbiete, folgt meinem Lebensstil. Wer gemäß meinem Leben lebt, wer meine Botschaft aufnimmt und in meine Verhaltensweise eintritt, dessen Hunger nach Leben wird gestillt, er wird wirklich leben. Der jesuanische Lebensweg lässt das Leben gelingen. Das ist die Botschaft dieses Festes. Die Botschaft Jesu Christi. Nicht nur für heute, sondern für die Ewigkeit.

Liebe Schwestern und Brüder,
Jesus Christus ist für uns Menschen um unseres Heiles willen da.[1] Richten wir unseren Blick also immer wieder auf ihn, der unter uns Menschen gelebt und sich für uns hingegeben hat. Er hat für uns Menschen gelebt und gehandelt. Damit wir heil werden und Heil erlangen, damit wir auch selbst heilsames tun und heilsam handeln: Die Nähe zu den Menschen – besonders zu den bedrohten, verletzten, leidenden und abgeschobenen Menschen – ist wie ein Grundmuster seines Lebens.

Durch ein Leben der Selbsthingabe bis zum Letzten hat Jesus eine neue Weise zu leben erfunden, nicht mehr für sich selbst, sondern: Da sein für Andere. Zu diesem neuen Lebensstil lädt er uns alle ein. Jesus nachfolgen heißt: In seinem Geist und nach seinem Vorbild denen, die auf Distanz gehalten oder aus der Gemeinschaft entfernt werden, hilfreiche Nähe zu schenken.

Wo wir handeln wie Jesus Christus, wo wir uns verhalten wie er, wo wir Worte finden wie er: da werden wir selbst wie Brot für das Leben der anderen.

„Dies Brot ist mein Leib für das Leben der Welt“ ruft uns Jesus im Evangelium von heute zu: Wir haben sein Wort über das Fronleichnamsfest geschrieben. Dies Brot, das euch gleich ausgeteilt wird, ist mein Leib, für das Leben der Welt.

Das sichtbare Brot wird in der Feier der Eucharistie für uns zum Leib Jesu Christi. In ihm schenkt er sich uns und damit sein ganzes Lebensmodell. Seinen Lebensstil lässt er uns zu eigen werden. Wir empfangen ihn ganz: Das, was ihn beseelt und was in ihm zugunsten der Menschen lebendig ist, wird in uns lebendig und wirksam.

Im Brot – im Leib Christi – in der Monstranz, die wir anschließend durch die Straßen unserer Stadt tragen und uns von ihm segnen lassen, – da wird sichtbar, was Jesus für uns ist: Christi Leib für das Leben der Welt.

Jesus bewegt sich in der Überlieferung des Wirken Gottes an den Menschen von Anfang an besonders an denen, die Hilfe brauchen. In ihrem Lied preist die große Prophetin Hanna Gott mit den Worten: „Den Schwachen hebt er empor aus dem Staub und erhöht den Armen, der im Schmutz liegt; er gibt ihm einen Sitz bei den Edlen, einen Ehrenplatz weist er ihm zu.“ (1 Sam 2,8a). Und Maria, die Mutter Jesu, stimmt im Magnifikat dem Lobpreis dieses Gottes ein (Lk 1,53). Daraus wird Dasein für Andere bei Jesus von Nazareth. Daraus wird Dasein für Andere bei uns Christen.

Heute kann dieses Sein für Andere, das „den Schwachen empor hebt aus dem Staub und den Armen erhöht, der im Schmutz liegt“, nicht nur bei einem lokalen Charakter im Blick auf unser Zusammenleben hier bleiben. Das Sein für Andere muss global werden. Die globalisierte Welt ist unser gemeinsames Haus, in dem wir leben und handeln. Die katholische Kirche lebt mit 1,2 Mrd. Menschen in dieser globalen Welt als global handelnde Kirche aus dem Geist Jesu Christi. Aus seinem Dasein für Andere muss das Wesen unserer Kirche eine Kirche für die Menschen sein, ein Volk Gottes für die Anderen sein, besonders für die, die weltweit in Not und Bedrängnis sind. Als global handelnde Kirche haben wir in fast allen Regionen dieser Welt kleine und große Zellen der aus Jesu Geist lebenden und handelnden katholischen Christen.

In diesen Wochen gerät Afrika besonders in den Blick, dieser notleidende und krisengeschüttelte Kontinent. Viele Millionen Menschen suchen nach neuen Lebensperspektiven und fliehen aus den Zonen des Todes, fliehen in Zonen des Lebens. So sind Millionen auf der Flucht. Krieg, Gewalt, Hungersnot, Armut und fehlende Perspektive vertreiben sie aus ihrer Heimat. Die große Mehrheit von ihnen will nach Europa, zu uns. Mit einem nachhaltigen Entwicklungsprogramm für Afrika versucht die Politik die Menschen von der Flucht nach Europa abzuhalten. Und in der Tat, ich stimme denen zu, die sagen: „Wir müssen die Lebensbedingungen der Menschen in Afrika verbessern, damit es nicht zu einem Exodus kommt. Nur wenn sie Zukunft in ihrer Heimat finden, werden sie bleiben. Europa sollte sich nicht der Illusion hingeben, dass diese Völkerwanderung durch Patrouillen auf See, durch Zäune oder Mauern aufgehalten werden könnte.“ (As.38)

Was also sollen wir tun? Wie kann dem abgeholfen werden? – Der Marschallplan für Afrika versucht eine wirtschaftlich und sozial nachhaltige Entwicklung vor Ort. Die Politik setzt dabei besonders auf die Zusammenarbeit mit kirchlichen Organisationen, denn, so der Entwicklungsminister: „Die Kirchen kommen in Regionen, wo es keine staatlichen Strukturen gibt. Es fehlen Dörfer und Bürgermeister, wie wir uns das vorstellen, aber es gibt Pfarreien und Kirchen. Um die Pfarrer bildet und ordnet sich das Leben. Deswegen haben die Kirchen dort Möglichkeiten, die der Staat nicht hat.“

Liebe Schwester, liebe Brüder!
Was heißt für uns in diesem konkreten Kontext, dass wir Christen aus dem Geist Jesu Christi wie Brot für das Leben der Menschen sein wollen? Wie sieht unter diesem Vorzeichen unsere „Entwicklungshilfe“ aus? – Die weltkirchliche Entwicklungszusammenarbeit in unserer Diözese fördert die Eigeninitiative der Menschen.

Im Februar war ich zusammen mit Mitarbeitern der Hauptabteilung Weltkirche auf einer Pastoralreise in Afrika. Ghana hat einen unglaublichen Reichtum an jungen Menschen. Sie werden in guten Schulen gut gebildet. Wenn in einigen Jahren diese hunderttausend Kinder und Jugendlichen aus den Schulen kommen, werden sie keine Arbeit finden, denn Ghana hat keine Industrie.

Wo also werden die hunderttausende Jugendlichen unterkommen? Sie denken an ihre Zukunft, wollen eine Familie gründen, wollen einigermaßen gut leben, keinen Hunger haben: ein gelingendes Leben finden. Alle haben ihre Smartphones, die ihnen die Regionen der Welt zeigen, in denen es Arbeit gibt, Wohlstand, Sicherheit, Freiheit… Sie werden dorthin gehen. Das heißt sie kommen zu uns. Wie kann es gelingen, diesen Menschen eine Perspektive in ihrer Heimat zu geben, dass ihr Leben dort gelingt und sie dort bleiben? Das ist für uns eine große Herausforderung.

Wie das in kleinen, aber wirkungsvollen Projekten gehen kann, das habe ich in Ghana erlebt. Nur ein Beispiel: Wir wurden von einem ghanaischen Priester begleitet. Elf Jahre war er in der Seelsorge bei uns in der Diözese tätig. Zum Abschied schenkten ihm Gläubige moderne, computergesteuerte Nähmaschinen. Damit gründete er die Nähfabrik „Pax Garments“. Die Firma „Friedensgewänder“. Hier arbeiten jetzt fast 30 Frauen und Männer. Die Diözese Rottenburg-Stuttgart unterstützt das Projekt. Pax Garments wirft Gewinn ab und erlaubt weitere Investitionen. „Wir sind dankbar für jede Hilfe, wir müssen die Dinge aber auch selbst in die Hand nehmen“, sagte Pfarrer Peter Oppong-Kumi. Menschen in Arbeit bleiben in ihrer Heimat.

Aber die Situation in Afrika ist prekär. Und wer Europa bewahren will vor überfordernden Flüchtlingsströmen, der muss Afrika retten. Allein die Vernunft muss uns dazu bewegen, eine wirksame Entwicklungszusammenarbeit im umfassenden Sinne im eigenen Interesse zu realisieren.

Aber Christen haben eine tiefere Motivation: Es ist nicht ihr eigener Nutzen oder die Vernunft. Unsere tiefere Motivation ist unsere christliche Religion. Jesus, der Stifter unserer Religion, motiviert uns durch sein Lebensmodell: Die Armen und Bedrängten aller Art sind bei ihm im Fokus. Nicht weil er ein unverbesserlicher Philantrop war, sondern weil er als Gottes Sohn wusste: alle Menschen sind Geschöpfe Gottes, Brüder und Schwestern. Und diejenigen, denen ihre Menschenwürde streitig gemacht wird, denen ist dieser Jesus Christus besonders verbunden. „Den Schwachen hebt er empor aus dem Staub und erhöht den Armen, der im Schmutz liegt.“ Dies gilt es auf die armen Länder Afrikas anzuwenden.

Jesus Christus geht uns in seinem Dasein für andere voran, „dies Brot ist mein Leib für das Leben der Welt!“, dass es gelingt, dass Menschen Heil erfahren. Nehmen wir an Jesus Christus in der Kommunion Anteil, dann lassen wir uns – unser Sein, unsere Existenz – verwandeln in ein Sein für andere. Jesu Hingabe an die Menschen bewirkt, dass sie aufstehen, weitergehen, heil werden, dass ihr Leben gelingt und sie nicht davonlaufen müssen. Unsere Entwicklungsarbeit im Sinne Jesu muss bewirken, dass Menschen aufstehen, weitergehen und heil werden. Und so in ihrer Heimat leben bleiben.

Aus dem Kern unseres Glaubens und Feierns, aus der Feier der Eucharistie, der Heiligen Messe, aus dem Fronleichnamsfest, an dem wir das Brot des Lebens verehren, folgt für uns das Engagement für die Menschen. – Dies Brot ist mein Leib für das Leben der Welt.

Amen.

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