Kirche

„Das Christentum war für uns prägend“

„Das Christentum war für uns prägend“

Dr. Diradur Sardaryan ist seit September 2007 Gemeindepfarrer der Armenischen Gemeinden in Baden-Württemberg. Bild: privat

Gemeindepfarrer Dr. Sardaryan stellt die Armenisch Apostolische Kirche in Baden-Württemberg vor und berichtet, wie die Christen hierzulande leben.

In den vergangenen Monaten stand Armenien vor allem in Zusammenhang mit dem Konflikt mit dem Nachbarland Aserbaidschan um die Region Berg-Karabach in Zentrum der Aufmerksamkeit. Dass in Baden-Württemberg rund 5.000 Armenier leben und es eine Armenisch Apostolische Kirche gibt, wissen viele allerdings nicht. Wir haben mit Dr. Diradur Sardaryan, seit September 2007 Gemeindepfarrer der Armenischen Gemeinden in unserem Bundesland, über die Ursprünge seiner Kirche gesprochen und wie die Gemeindemitglieder bei uns ihren Glauben leben.

Pfarrer Sardaryan , bei der Armenisch Apostolischen Kirche handelt es sich um eine der ältesten christlichen Kirchen der Welt. Können Sie uns etwas über deren Geschichte erzählen?

Im Jahr 301 wurde das Christentum in Armenien durch den Hl. Gregor den Erleuchter zur Staatsreligion proklamiert. Somit wurde Armenien der erste Staat auf der Welt, in dem das Christentum zur Staatsreligion erhoben wurde. Doch das Christentum kam bereits im ersten Jahrhundert nach Armenien. Nach der Tradition waren zwei von den zwölf Jüngern Christi, der Hl. Thaddäus und der Hl. Bartholomäus, die ersten Prediger des Christentums.

Zweifellos war die Übersetzung der Bibel ins Armenische der nächste wichtige Schritt im Prozess der Bekehrung Armeniens zum Christentum. Die Voraussetzung zu diesem Schritt wurde erst im Jahre 406 mit der Entwicklung des armenischen Alphabets durch den Hl. Mesrop Maschtotz geschaffen. Die darauffolgende umfangreiche Übersetzungsbewegung, tatkräftig unterstützt vom Katholikos Hl. Sahak Bartev und dem König Vramschapuh, brachte eine armenische Nationalliteratur hervor, die sich nicht nur auf die wichtigsten Werke der Kirchenväter beschränkte.

Es ist schwer die zweitausend Jahre lange Geschichte kurz zu beschreiben.

Doch es muss erwähnt werden, dass das Christentum unsere gesamte Geschichte, Kultur und Existenz geprägt und es einem kleinen Volk ermöglicht hat, durch die Jahrhunderte einer leidvollen Geschichte noch am Leben zu bleiben.

Der Kampf ums Überleben hat für die armenischen Christen eigentlich niemals aufgehört.

Wie lebt ihr Gemeinde heute in Baden-Württemberg?

Die Armenier hatten bereits im Mittelalter, vermutlich durch die armenischen Geschäfts- und Kaufleute, aber auch durch die Beziehungen zu der Stauferdynastie, Kontakte mit den Deutschen. Es gibt in dieser Beziehung vieles, was bis jetzt nicht ausreichend erforscht ist. Ich will aber zwei Namen nennen, die für die katholischen Christen von großer Bedeutung sind: der armenische Bischof Blasius, der heiliggesprochen wurde, und Bischof Aurelius aus Armenien, dessen Gebeine in Hirsau liegen.

Nach dem Zweiten Weltkrieg war in der Funkerkaserne in Stuttgart-Bad Cannstatt das größte Lager der armenischen Kriegsgefangenen, mit mehr als 5.000 Personen. Es gab schon damals einen Pfarrer, der die Gemeinde betreute, zwei Zeitungen, eine armenische Schule etc. In den fünfziger Jahren sind die meisten dieser Menschen nach Frezno (USA) umgezogen. Von dieser Zeit ist nur eine kleine Abteilung im Friedhof Steinhaldenfeld geblieben, die gefährdet ist, und ein Innschrift auf einer Wand vor dem Großmarkt in Stuttgart, worauf steht, dass in den Mercedes-Werken 200 armenische Kriegsgefangene gearbeitet haben.

Heute leben von etwa 60.000 Armeniern in Deutschland, ca. 5.000 Armenier in Baden-Württemberg. Darunter sind Armenier, die nach dem Zweiten Weltkrieg in Deutschland blieben sind; Armenier, die in den 70er Jahren aus der Türkei als „Gastarbeiter“ nach Deutschland einwanderten; Armenier, die während der Iranischen Revolution nach Deutschland flüchteten; Armenier, die nach dem Fall der ehemaligen Sowjetunion aus verschiedenen Gründen aus Armenien und ehemaligen GUS Ländern auswanderten. Inzwischen gibt es mindestens zwei Generationen Armenier, die in Deutschland geboren sind. Sie alle haben in der Armenisch Apostolischen Kirche, deren Gemeinde wir in Baden-Württemberg sind, ihre geistliche Heimat.

Wir feiern Gottesdienste in Göppingen, Stuttgart, Karlsruhe, Konstanz, Heidelberg, Mannheim, Neckarsulm, Kehl und Weingarten. In Stuttgart gibt es zudem eine Samstagsschule, wo die Kinder Armenisch, Religion und Geschichte lernen, basteln und ihre Freizeit gestalten. Neben der Seelsorge wird die Jugendarbeit bei uns genauso großgeschrieben, wie die kulturelle und die soziale Arbeit sowohl hier in Deutschland als auch in Armenien und Artsakh (Berg-Karabach). Wir sind eine bunte, heterogene Gemeinde, die in ihrem Glauben vereint ist.

Gibt es besondere Projekte, die die Katholikinnen und Katholiken in unserer Diözese unterstützen können?

Wir sind ein kleines Volk, dessen Stimme auf der Weltbühne kaum hörbar ist. Wir brauchen Freunde und Verbündete, die uns nach diesem großen Schmerz und Verlust unterstützen, um uns wieder auf die Beine zu stellen. Wir sind offen für jegliche Kooperation und wären dankbar, wenn unsere katholischen Geschwister unsere Projekte unterstützen würden, wie sie z.B. von unserer Diözese aufgerufen sind. An erster Stelle steht dabei das Projekt mit dem Titel „Ein Herz für Artsakh“, das den Geflüchteten helfen soll, den Kamp fürs Überleben nicht zu verlieren (https://dakd.de/ein-herz-fuer-arzach/). Es wäre uns eine große Ehre, wenn die beiden katholischen Bischöfe mit Verantwortlichen aus der Entwicklungszusammenarbeit Armenien besuchen würden. Wir wissen und schätzen die Arbeit von Renovabis in Armenien, aber vielleicht lassen sich auch ökumenische Kooperationen auch auf regionaler Ebene entwickeln. Wir sind gerne bereit, die Brückenbauer zu sein.

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