Veranstaltung

„Dieses Buch ist ein kleines Pfingstwunder“

Schwester Philippa Rath hat aus ihrem Buch „Weil Gott es so will“ gelesen. Bild: Dietrich

Schwester Philippa Rath war zur digitalen Buchlesung mit 170 Zuhörern im Dekanat Esslingen zu Gast.

Die erste Auflage war in drei Tagen verkauft, dann gab es in nur vier Monaten fünf Auflagen: Mit ihrem Buch „Weil Gott es so will“ hat die Benediktinerin Philippa Rath ein Tabu gebrochen. Bei einer digitalen Lesung erzählte sie die spannenden Hintergründe des Buches, es folgte eine Podiumsdiskussion mit Weihbischof Matthäus Karrer über Frauen in Weiheämtern.

Mit einer Tasse Kaffee in der Hand stand Schwester Philippa Rath bei einer Versammlung zum Synodalen Weg mit zwei Bischöfen zusammen. Ob es denn wirklich Frauen gebe, die in kirchliche Weiheämter wollten, fragten die Bischöfe: „Wir kennen keine.“ Philippa Rath kannte sie und ihre vielen Leidensgeschichten, in einer halben schlaflosen Nacht zogen sie erneut vor ihren Augen vorüber. Im April 2020 schrieb sie zwölf E-Mails und bat solche Frauen um einen kurzen Bericht. „Statistisch hatte ich drei oder vier Antworten erwartet.“ Das würde für die Bischöfe genügen. Doch es kam ganz anders: „Bis Pfingsten hatte ich 150 Texte.“ Die angefragten Frauen hatten die Anfrage weitergeleitet, nun saß Philippa Rath bewegt am Computer: „Was machst du jetzt mit diesen 150 Texten?“ Ihr Kontaktmann beim Herder-Verlag wusste das sofort, sie werden ein Buch. „Dieses Buch ist ein kleines Pfingstwunder“, sagt Philippa Rath.

So entstand die Sammlung von Zeugnissen, die eine unglaubliche Verschwendung von Gaben und Charismen dokumentieren. Die Katholikinnen zwischen 20 und über 90 Jahren kommen aus dem gesamten deutschsprachigen Raum, sie sind fast alle haupt- und ehrenamtlich in der Kirche engagiert. Sie alle sahen sich von Gott zur Diakonin oder Priesterin berufen, doch sie konnten diese Berufung nicht leben, nur weil sie Frauen waren. Ihre Berufungen wurden belächelt, nicht ernst genommen und schon gar nicht ernsthaft geprüft. Wie viel dann in der gemeindlichen Praxis möglich war, etwa als Pastoralreferentin oder Gemeindereferentin, hing vom schwankenden Wohlwollen der jeweiligen männlichen Amtsträger ab. Was Philippa Rath erstaunte und bewegte: „Nur vier der Frauen sind konvertiert. Zwei sind nun altkatholisch, zwei evangelische Pfarrerinnen.“

Die digitale Lesung hat das Dekanat Esslingen-Nürtingen als Beitrag zum Synodalen Weg organisiert, sie wurde von Aichtal-Grötzingen aus übertragen, die rund 170 Teilnehmer kamen aus der ganzen Diözese Rottenburg-Stuttgart und darüber hinaus. Die Aufzeichnung steht nun online und ist über die Homepage des katholischen Dekanats abrufbar, das Interesse ist groß. „Endlich hat mal jemand das Tabu gebrochen“, hört Philippa Rath oft. Gemeint ist das Tabu, über die göttliche Berufung von Frauen zu sprechen, weil einfach nicht sein kann, was angeblich nicht sein darf. Ihre Post und die Anrufe kann die Autorin längst nicht mehr zählen, beschränkt sich auf eine Statistik: „98 Prozent sind positiv, zwei Prozent ablehnend bis unterirdisch angreifend. Damit kann ich leben.“

Sie bekam auch von Männern so viel Zustimmung, dass nun ein zweites Buch folgt. Von 120 angefragten Kirchenmännern bekam sie 110 Zusagen. Sie alle schreiben nun zum Thema: „Was fehlt der Kirche, wenn sie keine geweihten Frauen haben?“ Denn es geht nicht nur darum, den Frauen gerecht zu werden, sondern auch um das Wohl der Kirche, die sich derzeit – darüber gab es in der Diskussion einen breiten Konsens – selbst amputiert. Wenn manche katholischen Stimmen behaupten, diese Frauenfrage sei ja nur ein deutsches Thema, widerspricht Philippa Rath entschieden, berichtet von einer Zoom-Konferenz mit 350 Frauen aus allen Kontinenten. Auch Bischöfe haben ihr geschrieben, oft sehr freundlich, aber nichtssagend. Ganz anders einer der beiden Bischöfe vom Kaffeegespräch: Nach der Lektüre des Buches, bekannte er, habe sich seine Position zur Frauenordination um 180 Grad gedreht. Viel mehr als ein Kaffeegespräch wünscht sich die Autorin bei Frauen, die sich von Gott zur Diakonin oder Priesterin berufen sehen. „Es braucht eine ernsthafte Prüfung, es muss eine Akte angelegt werden.“

„Ich habe mich geschämt für die Männer, sie sich an diesen Berufungen vergriffen haben“, sagte Weihbischof Matthäus Karrer nach der Lektüre des Buches. Er kritisierte „machttaktische politische Spielchen“ in der Kirche. „Über den Synodalen Weg wurden Lügen in die Welt gesetzt, weil man ihn nicht haben will.“ Die Mehrheiten in Deutschland seien klar. Doch viel kleinere, aber sehr laute konservative Kräfte malten „das Schreckensszenario einer zweiten Reformation an die Wand“.  Die Debatte polarisiere sich, aber die Modernisierungswilligen fassten Mut: „Ich habe erlebt, dass sich immer mehr in den Wind stellen.“ Ein erster Schritt sei die Taufspendung durch pastorale Dienste, ein nächster das Diakonat der Frau: „Theologisch ist da alles gesagt.“ Das verändere das Amt, die Ämter müssten ohnehin hinterfragt werden, geistliche und administrative Leitung seien nicht zwingend miteinander zu verbinden.

Annette Gawaz, Seelsorgerin für pastorale Berufe, ist froh über die Enttabuisierung des Themas durch das Buch. Bisher entscheide im Zweifelsfall derjenige, der Amt und Autorität hinter sich habe, also immer ein Mann. Claudia Schmidt, Geistliche Beirätin des Katholischen Deutschen Frauenbundes, sagte, Frauen täten diesen Ämtern gut: „Ich finde nicht, dass Frauen die besseren Priesterinnen wären, und sie müssen es auch gar nicht sein. Aber sie machen manche Dinge anders.“ Pfarrer Martin Stöffelmaier, Sprecher des Priesterrates, hält es „für einen Skandal, dass wir die Frauen nicht in neuen Ämtern unterbringen“. Ämter müssten immer wieder neu zugeschnitten werden, denn Kirche sei keine statische Größe.

Jahrzehntelang waren viele Katholikinnen unendlich geduldig. Jetzt reicht es ihnen. „Die Frauengeduld ist am Ende“, sagte Claudia Schmidt, die einen „inneren und äußeren Abschied“ befürchtet. Das kann Philippa Rath bestätigen: „Mich rufen andere Nonnen an, ob das gehe, aus der Kirche auszutreten und dennoch Ordensfrau zu bleiben.“ Ob die Kirche die Frauen womöglich so verliere wie Ende des 19. Jahrhunderts die Arbeiter, fragte der Moderator, Professor Thomas Fliethmann, Leiter des Instituts für Fort- und Weiterbildung.

Und das Argument der Weltkirche? Unter ihrem Dach hätten verschiedene Traditionen und Liturgien Platz, sagte Philippa Rath und blickte in die Schweiz: „Dass Pastoralreferentinnen Gemeinden leiten und predigen, ist dort selbstverständlich.“

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