Familie und Beruf unter einem Hut

Auszeichnung für das Bischöfliche Ordinariat durch Bundesfamilienministerin Dr. Franziska Giffey / Job-Sharing auch in Führungspositionen

Die Diözese Rottenburg-Stuttgart spielt eine Pionierrolle bei der Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Bundesfamilienministerin Dr. Franziska Giffey zeichnet das Bischöfliche Ordinariat am morgigen Mittwoch in Berlin bereits zum sechsten Mal mit dem "audit berufundfamilie" aus. Dass auch Führungsaufgaben in Teilzeit zu stemmen sind, zeigt das Beispiel der beiden Diplom-Verwaltungswirtinnen Henrieke Möchel-Boutloukos (37) und Elke Bürkle (45). Markus Waggershauser hat sie interviewt. 

Kein Aprilscherz: Am 01.04.2016 hatte der Leiter der Abteilung Personalverwaltung im Ordinariat plötzlich anstelle eines Stellvertreters zwei Stellvertreterinnen. Wie waren die Reaktionen in der Abteilung, bei den Vorgesetzten sowie bei den Mitarbeitern, Ihren „Kunden“? 

Möchel-Boutloukos: Zuerst waren sie etwas skeptisch, denn das gab es vorher noch nicht. Wie soll das funktionieren? Wen sollen wir in welchen Bereichen ansprechen? Das hat sich aber schnell gelegt. So waren zumindest die Rückmeldungen, die wir von unseren Mitarbeitern, Kollegen und natürlich von unseren Vorgesetzten bekommen haben. 

Wie kann ich mir so ein Führungstandem vorstellen? Aus 100 Prozent mach zweimal 50 Prozent? 

Bürkle: Es gibt eine Führungsstelle, die auf zwei 50-Prozent-Stellen aufgeteilt wird. Zu jeder dieser beiden Stellen kommen dann noch 10 Prozent dazu, um Kommunikation und Abstimmungsaufwand abzudecken. 

Haben Sie – auch in Ihrem Sachgebiet Kurie – einzelne Arbeitsbereiche unter sich aufgeteilt oder sind Sie zeitlich abwechselnd für dieselben Themen zuständig? 

Möchel-Boutloukos: Wir haben klar getrennte Aufgabenbereiche im Sachgebiet und bei den ständigen Führungsaufgaben, die der Abteilungsleiter an uns delegiert hat. Die Stellvertretung ist aber immer gewährleistet. 

Bürkle: Wir teilen uns ein Zweier-Büro. Dadurch bekommen wir viel voneinander mit und sind gut upgedatet, was die einzelnen „Personalfälle“ anbelangt. So können wir auch Auskunft geben. Wenn die eine nicht da ist, ist die andere relativ gut informiert. 

Ein Blick zurück: Wie sind Sie denn zu dieser gemeinsamen Führungsposition gekommen? 

Möchel-Boutloukos: Die Stelle „stellvertretende Abteilungsleitung Personalverwaltung“ war damals schon mit der Option auf Teilzeit ausgeschrieben. Wir haben uns damals beide getrennt beworben und geschaut, was auf uns zukommt. Am Bewerbungsverfahren war auch die Gleichstellungsbeauftragte beteiligt. Damals wurde gerade das Projekt „Frauen in Führungspositionen“ durch die Sitzung des Bischöflichen Ordinariats genehmigt. Das war dann der Aufhänger. Man hat uns das angeboten und für uns war es eine gute Möglichkeit. 

War es das erste Mal, dass eine Top-Sharing-Stelle im Ordinariat eingerichtet wurde? 

Möchel-Boutloukos: In der Bischöflichen Kurie waren wir das erste Tandem. 

Bürkle: Damals gab es schon ein weiteres Tandem in der Dekanatsgeschäftsstelle Esslingen und wir waren in der ganzen Diözese dann die zweiten. 

Die Diözese möchte das Modell der geteilten Führung weiter fördern. Welche Tipps würden Sie Interessierten geben? Wie kann Top-Sharing konkret gelingen? 

Bürkle: Wichtig ist einen Partner zu haben, dem man voll vertraut, der die gleichen Werte- und Führungsvorstellungen hat, weil man ja gemeinsam Entscheidungen trifft. Wichtig ist auch, dass die Vorgesetzten einen unterstützen. Diese Erfahrung haben wir. Man muss auch mal etwas über den Tellerrand hinausdenken, Dinge ausprobieren und sich darauf einlassen. 

Möchel-Boutloukos: Wir hatten auch den Vorteil, dass wir uns vorher schon kannten und ein Büro geteilt haben. Wir wissen sehr gut, wie die andere tickt, und konnten es uns deshalb auch gut vorstellen. 

Sie haben beide Ihre Gründe, nicht 100 Prozent im Beruf zu arbeiten. Bleibt Ihnen neben der Führung in Teilzeit genügend Freiraum für Familie und anderes? 

Bürkle: Jede von uns hat ihre festen Freiräume, sei es ein Nachmittag oder auch mal ein ganzer Tag. So können wir uns sehr gut auf die Bedürfnisse zu Hause und auf die Betreuungszeiten abstimmen. Man möchte im Büro und auch familiär einen guten Job machen. Da bekommen wir den Spagat beide gut hin. 
Wenn Sie mit der Erfahrung von heute nochmals in der Situation von vor gut zwei Jahren wären, würden Sie die Herausforderung der geteilten Leitung wieder miteinander angehen? 

Beide: Ja, auf jeden Fall. Das hat sich bewährt. 

 

Infokasten

Das Bischöfliche Ordinariat Rottenburg-Stuttgart wurde bereits im Jahr 2002 als erstes in Deutschland mit dem "audit berufundfamilie" der gemeinnützigen Hertie-Stiftung ausgezeichnet – als ein Arbeitgeber, der auf die Vereinbarkeit von Beruf und Familie besonderen Wert legt. Mit der sechsten Zertifizierung in Folge hat das Ordinariat die hohe Ehrung jetzt dauerhaft verliehen bekommen; Bundesfamilienministerin Dr. Franziska Giffey überreicht am 27. Juni in Berlin die Urkunde an die Gleichstellungsbeauftragte der Diözese, Andrea Langenbacher. Zum Angebot des Bischöflichen Ordinariates zählen bislang schon familiengerechte Teilzeitarbeitsmöglichkeiten, flexible Arbeitszeit, alternierende Telearbeit, Unterstützung bei der Suche nach Kinderbetreuung, familienbezogene Entgeltbestandteile, Sonderurlaub zur Kinderbetreuung bzw. Pflege von Angehörigen, ein Kontakthalteprogramm für beurlaubte Beschäftigte sowie Unterstützung beim beruflichen Wiedereinstieg. Das Handlungsprogramm bis zur nächsten Überprüfung 2020 enthält Themen wie Führung in Teilzeit (TopSharing), vollzeitnahe Führung und Veranstaltungen zu Beruf und Pflege. Angestrebt wird ein Frauenanteil von 30 Prozent bei Führungsstellen.

Weitere Nachrichten

Deutsche Bischofskonferenz
Stellungnahme: Ständiger Rat der Deutschen Bischofskonferenz zum Bericht der Kommission zur reproduktiven Selbstbestimmung und Fortpflanzungsmedizin.
Weiterlesen
72-Stunden-Aktion
Weihbischof Matthäus Karrer besucht 72-Stunden-Gruppe in Isny und informiert sich über Foodsharing.
Weiterlesen