Akademie

Islam-Beratung ist ein großer Erfolg

Das Interesse an Vorträgen und praktischen Erfahrungen war groß. Foto: Nicolas Conrads

Das Projekt von Akademie und Robert-Bosch-Stiftung erhält sehr gute Noten bei der Evaluation durch die Hochschule für öffentliche Verwaltung.

Im Februar 2015 hat die Akademie der Diözese gemeinsam mit der Robert Bosch Stiftung und der Hochschule für öffentliche Verwaltung Kehl das Modellprojekt  „Muslime als Partner in Baden-Württemberg (Islamberatung)“ ins Leben gerufen – knapp fünf Jahre danach ist nun bei der Jahrestagung ein sehr positives Fazit dieser Arbeit gezogen worden. Der Islam- und Religionswissenschaftler Dr. Hussein Hamdan, der Projektverantwortliche auf Seiten der Akademie, berichtete, dass es bis Ende des Jahres rund 160 Beratungen fast in ganz Baden-Württemberg gegeben haben wird. Vor allem Kommunen, zunehmend auch kleinere, nutzen das Angebot, aber auch andere Einrichtungen und Organisationen haben sich so externe Expertise geholt.

Die Hochschule für öffentliche Verwaltung in Kehl hat das Beratungsangebot evaluiert und bestätigt den Erfolg. Nach Angaben von Professor Dr. Andreas Pattar von der Fakultät für Rechts- und Kommunalwissenschaften der Hochschule wurden 23 verschiedene Institutionen unterschiedlicher Größe im ganzen Land befragt. Es seien „sehr gute Ergebnisse“ erzielt worden. So hätten 20 Einrichtungen ihre Erwartungen an die Beratung  als „vollständig erfüllt“ angesehen, zwei als „fast erfüllt“. „Sehr zufrieden“ seien die Verwaltungen und Institutionen gewesen, weil die Beratung konkrete Handlungsvorschläge entwickelt und hilfreiche Informationen gegeben habe, um Missverständnisse auszuräumen. Hamdan ermunterte deshalb ausdrücklich dazu, die kostenlose Beratung in Anspruch zu nehmen; denn dabei gehe es immer darum, nach pragmatischen Wegen und Handlungsoptionen zu suchen. 

Zu den Evalutions-Ergebnissen
 

Berater-Team im ganzen Land gefragt

Wegen der großen Nachfrage im ganzen Land wurde inzwischen ein vierköpfiges Team gebildet, das  verstärkt regional agieren kann. So sei auch sichergestellt, dass die Beratungen im Normalfall innerhalb von zwei Monaten erfolgen können. Hussein Hamdan berichtete, die Beratungen reichten thematisch von islamischen Gräberfeldern über Alltagsfragen in Kindergärten und Schulen, über die Probleme, wie man mit dem Fastengebot oder der Geschlechtertrennung umgeht, bis hin zum Thema interkulturelle Pflege in Pflegeeinrichtungen. Vor allem aber gehe es immer wieder um die Frage, wie muslimische Verbände einzuschätzen sind, etwa im Hinblick auf die Jugendarbeit oder bei Kooperationen.

Angesichts des Erfolgs hat nicht nur die Katholische Kirche die Arbeit verstetigt: Hamdan leitet inzwischen an der Akademie einen eigenen Fachbereich („Muslime in Deutschland – Gesellschaft gemeinsam gestalten“); auch die Robert Bosch Stiftung verlängert nach Aussage von Senior Projektmanager Volker Nüske das Projekt bis 2022.

Ebenfalls in die Verlängerung geht das unter Leitung von Hamdan entwickelte und von Bischof Fürst in Auftrag gegebene Seminarprogramm „Islam im Plural“; mehr als 20 dieser mehrtägigen Seminare  haben in verschiedenen Orten in Baden-Württemberg bisher stattgefunden, auch im kommenden Jahr werden die Seminare wieder angeboten.

Moscheen sind mehr als nur Orte religiöser Praxis

Im Mittelpunkt der diesjährigen Tagung stand das Thema Moscheen und Moscheebaukonflikte in Baden-Württemberg. Engin Karahan, Gründungs- und Beiratsmitglied der Alhambra Gesellschaft, schilderte in seinem Vortrag die große Bedeutung der Moscheen für Muslime, die keineswegs auf die religiöse Praxis begrenzt sei. Fast 60 Jahre gebe es nun – durch „Gastarbeiter“ importiertes muslimisches Leben in Deutschland, dessen Entwicklung jedoch nicht mit den christlichen Kirchen verglichen werden könne. Die Moscheen seien Provisorien gewesen bis zur eigentlich geplanten Rückkehr in die Heimat; zuerst seien die Gemeinden da gewesen, die Strukturen kamen erst später, als der Familiennachzug die Etablierung eines sozialen Raums für die ganze Familien notwendig machte. Kennzeichnend für die Anfänge in den 60er Jahren sei gewesen, dass es keine langfristige Bindung an das Gastland gegeben habe, Religiosität sei im Privaten gelebt worden. Man habe Räume umfunktioniert und kommunale und kirchliche Angebote für die Festtagsgebete in Gemeindesälen und Ähnlichem angenommen. Erst in den 70er Jahren seien mit zunehmender Sesshaftigkeit die Hinterhof- und Gewerberaum-Moscheen durch Privatpersonen oder Vereine entstanden; die Moschee sei zum sozial-religiösen Raum für die ganze Familie geworden, hier haben sich in den 1980er und 1990er Jahren Frauen-, Jugend- und Bildungsarbeit etabliert. Auf der Verwaltungs- und Koordinationsebene habe es eine hierarchische Ausdifferenzierung gegeben, vielerorts hätten Moscheegemeinden Immobilen gekauft, denn immer mehr seien die Moscheen als Heimat angesehen worden, was weit über den Ort der rein religiösen Praxis hinausgegangen sei. Es seien „Räume der Vertrautheit in der Fremde“ gewesen, von denen aus Einwanderer „erste Kontakte zur Zivilgesellschaft“ geknüpft hätten. Innerhalb der muslimischen Community seien die muslimischen Gemeinden die größte zivilgesellschaftliche Organisation.

Immer wiederkehrendes Problem: mangelnde Professionalität

Karahan benannte auch die Probleme dieser Gemeinden: Es fehle an Kenntnissen über rechtliche Grundlagen einer religiösen Institutionalisierung; es herrscht oft eine Unsicherheit über die Rolle der Religionsgemeinschaften in der Gesellschaft; die Muslime fühlen sich überfordert von den Erwartungen, denn fast alles geschehe im Ehrenamt. Oft fehlten darüber hinaus sprachlich und politisch versierte Ansprechpartner und es gebe nicht nur eine überzogene Erwartungshaltung an staatliches Handeln, sondern auch an persönliche Kontakte. Zudem fehle es an einer Differenzierung von religiös und gesellschaftlich orientiertem Angebot. Bei den Moscheevereinen seien oft kommunale Strukturen und die eigene Verantwortung wenig bekannt; im Gegenzug wüssten allerdings auch die Kommunen wenig von der Organisation und Funktion von Moscheen und die Vergleiche zu den etablierten christlichen Kirchen und Wohlfahrtsverbänden führten zu überzogenen Erwartungen. Die Gleichbehandlung ganz unterschiedlicher Gegebenheiten führe da leicht zu Überforderungen.

Karahan schlug deshalb hauptamtliche „Gemeindeassistenten“ vor, die Brückenfunktionen übernehmen könnten. Er war damit einer Meinung mit Hussein Hamdan, der sagte, die Verbände und Moscheegemeinden müssten sich vor allem im Bereich der Kommunikation professionalisieren und über hauptamtliche Ansprechpartner verfügen. Das werde vor allem bei Moscheebauten deutlich. Was es im Guten wie im Schlechten bedeuten kann, belegten die Beispiele Tuttlingen und Leinfelden-Echterdingen. Professor Dr. Andreas Pattar stellte dafür die allgemeinen rechtlichen Rahmenbedingungen vor, die im Grundgesetz, Artikel 4 (Religionsfreiheit), dem Bundesbaugesetz, der Landesbauordnung und den kommunalen Bauplänen  festgelegt sind. Allein – wenn es Streit über Moscheebauten, über Größe, Baustil und Minarette gibt, liegt dies zumeist gar nicht an den engeren Bauvorschriften, sondern oft an Ängsten, Vorurteilen, veröffentlichter Meinung und nicht zuletzt politischen Stimmungen, die bei und mit solchen Vorhaben gemacht werden.

Gemeinsame Vereinbarung baut Ängste ab

In Tuttlingen hat man dieser Gemengelage dadurch Rechnung getragen, dass die Stadt gemeinsam mit der Arbeitsgemeinschaft der christlichen Kirchen und der DITIB-Gemeinde als Bauträger ein Eckpunktepapier formuliert hat, das die „Grundlagen für ein interkulturelles Miteinander“ benennt. Dabei geht es nicht nur um rechtliche Aspekte, sondern auch um den Dialog zwischen Kommune, Kirchen und islamischer Vereinigung. Daneben wurden soziale und integrationsspezifische Aspekte vereinbart, darunter Öffentlichkeitsarbeit und Transparenz der Dialogpartner. Drittens wurden städtebauliche Aspekte in „einvernehmlichen Rahmenbedingungen“ verankert. Auf dieser Grundlage wurde 2014/15 der Bau begonnen, der, weil er fast nur ehrenamtlich hochgezogen wird, noch immer nicht fertig ist. Die lange Bau-dauer strapaziert die Nerven der Beteiligten; aber die Vereinbarung hält noch, auch wenn Erdinc Altuntas, der Vorsitzende des DITIB Landesverbandes Baden-Württemberg „gemischte Gefühle“ bei dem Papier überkommen. Einerseits sieht er darin „ein positives Signal“, andererseits frage er sich, warum sie ihre Finanzierung offen legen sollten: „Woher kommt das Misstrauen?“ Und er sehe auch nicht ein, „warum wir sagen sollen, wie und wo wir unseren Kindern den Koran beibringen. Das greift in unser Selbstbestimmungsrecht ein.“ Nicht zuletzt frage er sich,  „warum müssen wir immer wieder versichern, dass wir auf dem Boden des Grundgesetzes stehen“, sagte er, „natürlich bekennen wir uns zum Grundgesetz, wir sind Bürger dieses Landes.“ Für Altuntas ist das Papier denn auch „kein allgemeines Kochrezept für die Moscheebauten im Land, aber man kann damit in den Dialog gehen.“ Und auch Forderung nach professioneller Öffentlichkeitsarbeit und hauptamtlichen Strukturen verschließt sich Altuntas nicht: „Ich weiß, dass wir da Hausaufgaben machen müssen“.

In Leinfelden-Echterdingen ist Streit eskaliert

Was passieren kann bei ungenügenden ehrenamtlichen Strukturen, schlechter Kommunikation und Ängsten, die in der Bevölkerung nicht nur bereits vorhanden sind, sondern medial und durch Rechtspopulisten (in diesem Fall die Identitäre Bewegung) lässt sich derzeit in Leinfelden-Echterdingen als Anschauungsbeispiel beobachten. Dort wollte der Verein für Kultur, Bildung und Integration (VKBI), der dem VIKZ-Verband angehört, seine als absolut unhaltbar anerkannte Moscheesituation durch einen zweiteiligen Neubau verbessern. Auf einem von der Stadt in Erbpacht zur Verfügung gestellten Grundstück sollte in einem ersten Bauabschnitt eine Moschee erbaut werden, dem in einem zweiten Abschnitt ein Schülerwohnheim angefügt werden sollte. Doch der Bau ist zum Erliegen gekommen, die Stadt hat wegen nicht eingehaltener Fristen die Erbpacht widerrufen und fordert den Rückbau. Die Fronten sind so verhärtet, dass die Stadt ihre Teilnahme an der Podiumsdiskussion zurückgezogen hat, zwischen muslimischer Gemeinde und Stadt herrscht Funkstille, der Streit über die Angelegenheit wird vor Gericht ausgetragen und der katholische Ortspfarrer Hans Stehle, der von jahrzehntelangen guten Verbindungen mit der muslimischen Gemeinde berichtet, zeigt sich „sehr enttäuscht und erschrocken, wie schnell heute Stimmungen kippen. „Wenn das Projekt vor vier Jahren fertig gewesen wäre, hätte es sicher eine große Einigkeit gegeben“, sagte er auf die politischen Veränderungen durch die Flüchtlingspolitik von Angela Merkel anspielend.

„Eine Vereinbarung wie in Tuttlingen hätte sicher geholfen“, zeigte sich Stehle überzeugt, „wir Kirchen hätten vermitteln können.“ Doch nun ist das Kind erstmal in den Brunnen gefallen, und Muhammet Güclü, der noch ziemlich neue Vorsitzende des VKBI, muss die Scherben aufkehren, für die er keineswegs nur die anderen verantwortlich erklärt. Weil alles nur ehrenamtlich gemacht werde, seien Anfragen unbeantwortet geblieben und der Bau habe sich verzögert, räumt er ein. Einwände, der Verband sei sehr konservativ, es gebe für die Schüler seiner Wohnheime kaum Außenkontakte und eine strikte Geschlechtertrennung, versucht der Ingenieur zu relativieren. „Ich gehe mit meiner Frau auch Sushi essen, wir haben ein ganz normales Leben“.  Doch wie man in der aufgeheizten Stimmung wieder zu einem vernünftigen Dialog kommen soll, scheint auch ihm nicht ganz klar. Hussein Hamdan konnte sich da eine neckende Bemerkung nicht verkneifen: „Fragen Sie den Islam-Berater Ihres Vertrauens“.

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