Kirche am Ort

„Kirche im Netzwerk pastoraler Orte und Ereignisse“

Bild: Christiane Bundschuh-Schramm

In einer Vorlesung am Lehrstuhl für Pastoraltheologie in Tübingen präsentierte Tobias Dera die Ergebnisse seiner „Tiefenbohrung“.

Untersucht wurde am Beispiel einer Seelsorgeeinheit, wie sich Kirche als Netzwerk und Kirche als Organisation zueinander verhalten. Anders formuliert: Inwieweit kommen in der verfassten Kirche die Erfahrungen der Menschen an vielen Orten mit dem Evangelium in den Blick. Denn die Kirche an vielen Orten ist ja das Programm des Entwicklungsprozesses; folglich fragt die Wissenschaft, wie es damit steht.

 

Anhand von Interviews, flanierenden Interviews und anhand des Abschlussberichts einer Seelsorgeeinheit werden Netzwerke aufgespürt, in denen Menschen Beziehungen leben und interagieren, ihre persönlichen Geschichten erzählen und mit Glaube und Kirche verbinden. Es geht um die „doing-church“ an vielen Orten in, neben, hinter oder zwischen den organisierten Orten von Kirche.

Die Ergebnisse sind einerseits ernüchternd, andererseits hilfreich für die weitere Kirchenentwicklung. Denn Kirche ist angewiesen auf beides, auf die Organisation und auf die Netzwerke. Die Organisation braucht die Erfahrungen, Beziehungen und Gelegenheiten des Evangeliums, sonst wird sie leer. Die Netzwerke brauchen die Organisation, sonst könnten sie zu eng werden. Die Realität der Kirche sieht aber oft anders aus: Die Logik der Organisation ist dominant, die kirchliche Praxis weitgehend festgelegt. Die Kirchengemeinde sieht sich im Zentrum, Beteiligung ist noch Theorie. Dies alles trotz bester Absichten, denn die Engagierten wollen den Dialog mit den Menschen am Ort, sie wollen Vertrauen und Wertschätzung leben, sie wollen hören und wahrnehmen, was Menschen denken und tun. Aber dann sind es eingespielte Abläufe und organisationale Notwendigkeiten, die die Oberhand gewinnen. So entsteht ein Graben zwischen dem organisierten Ort der Kirchengemeinde und den Erfahrungsorten der Menschen, so dass diese mit der Kirche nicht mehr verbinden können, was an ihren Lebensorten alles geschieht. Die Folgen erleben die haupt- und ehrenamtlich Engagierten täglich: Die Organisation Kirche verliert an Lebensrelevanz.

 

Der Forschungsbericht von Tobias Dera, Michael Schüssler, Lukas Moser und Teresa Schweighofer macht deutlich, dass die Kirche an vielen Orten noch mehr Programm als Realität ist; und er stellt auch die Frage, „welche Rolle die Diözesanleitung im Netzwerk pastoraler Orte eigentlich einnimmt: Welche veränderte Praxis von Kirche, welches veränderte Selbstverständnis wird dort sichtbar?“.

Die Untersuchung zeigt auch, dass der Prozess „Kirche am Ort – Kirche an vielen Orten“ eine Kirchenentwicklung angestoßen hat, die nach dem Prozess weitergeht. Die Richtung wird am Ende des Prozesses noch deutlicher: hin zu einer neuen Balance von Organisation und Netzwerk, von verfasster Kirche und fluiden Beziehungen, in denen sich das Evangelium an vielen Orten und immer wieder neu ereignet.

 

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