Advent

Streichquartett statt Karten

Streichquartett-Partitur eines Adventslieds umgeben von Notenveröffentlichungen anderer Komponisten

Foto: Jochen Wiedemann

Redakteur Jochen Wiedemann verschenkt musikalische Adventsgrüße.

Als Grußkarten-Muffel bekam ich im Advent regelmäßig ein schlechtes Gewissen. Aus allen Himmelsrichtungen kamen Grußkarten mit Dankesbekundungen und den besten Wünschen zum Weihnachtsfest, aber sie blieben meist ohne Gegenstück meinerseits. Als ich für einen Gottesdienst traditionelle Adventslieder für eine Band einrichten sollte, reifte in mir die Idee, meine vorweihnachtlichen Grüße in die Welt künftig mit einer musikalischen Note zu versehen. Und so ist für mich seit einigen Jahren dann Advent, wenn auf dem Notenpapier vor mir aus einer alten adventlichen Weise ein kleines Werk für Streichquartett wird.

Dabei gehe ich von der Melodie eines Liedes aus. Zunächst spiele ich sie ganz ohne Begleitung auf dem Klavier. Wenn es dann im Kopf klickt und sich die Einfälle melden, weiß ich, dass ich das richtige Lied für dieses Jahr gefunden habe.

Obwohl ich selbst weder Geige, Bratsche noch Cello spiele, schreibe ich meine Adventsgrüße als Streichquartett. Diese Besetzung für mich eine spirituelle Dimension. Vier Instrumente sind miteinander im Dialog, bleiben aber kammermusikalisch auf das Wesentliche beschränkt. Das passt zum Advent: Eine Zeit, die dazu dient, sich auf das Wesentliche zu besinnen.

Wie geht das nun musikalisch vor sich? Ich meinem Kopf herrscht zunächst ein Durcheinander von musikalischen Einfällen. Also versuche ich, Ordnung ins Chaos bringen: Was finde ich bereits im Lied vor, in welchen Musikstil lässt sich das übertragen? Fast so, wie wenn man im Weihnachtstrubel innehält und sich fragt: Was ist jetzt wichtig? Wie kann ich dem ganzen Lärm und Betrieb entkommen und zur Ruhe finden?

Dabei versuche ich, die Adressaten meiner kleinen Adventsmusik nicht im Eifer der Kreativität zu übersehen. Die Anzahl derjenigen, die sich an atonaler Avantgarde erfreuen, hält sich in Grenzen. Also bemühe ich mich, verständlich zu bleiben.

Damit das „Werk“ repräsentabel verschenkt werden kann, verhilft der Computer zu einer lesbaren Notation. Und weil die wenigsten meiner Freunde und Bekannten sich allein an fünf Linien mit schwarzen Flecken erfreuen, möchte ich das alles auch noch hörbar machen.

Nun kenne ich keine Musiker, die ich mit der Aufnahme beauftragen könnte. Und so muss auch hier der Computer mit gesampelten Imitaten genügen. Die Empfänger werden es hoffentlich trotzdem gerne hören und die tagelange Arbeit zu schätzen wissen.

Ist es dreist, wenn ich meine adventlich-musikalische Liebhaberei vor meinem inneren Auge neben die Werke von Komponisten lege, die mir wichtig sind? Ich hoffe nicht, schließlich ich bin ja auch kein großer Theologe, und trotzdem ist es meine Aufgabe als Christ, meinen Teil an der Weitergabe des Glaubens miteinzubringen. Das hat hoffentlich auch nichts mit Dreistigkeit zu tun.

Wie dem auch sei: Wenn der CD-Brenner die letzte Scheibe auswirft und der Drucker das letzte Notenblatt ausdruckt, lehne ich mich zurück und denke: Ja, jetzt kann Weihnachten kommen.

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