Advent

Weihnachten in knallbunten Farben

Foto: Heinz Heiss

Krippe unter Palmen, der Stern von Bethlehem über dem Westpazifik, das Weihnachtsfest auf den Philippinen hat einen ganz eigenen Charakter.

Um es gleich vorwegzunehmen: Der größte Unterschied zwischen den Philippinen und Deutschland ist der Start: Die Weihnachtszeit beginnt in dem südostasiatischen Land bereits Ende September, Anfang Oktober und zieht sich oft bis Anfang Februar hin. Von wegen „Advent ist im Dezember“, wie die Kirchen hierzulande fordern.

Die 36-jährige Evelyn Noel ist bereits in der zweiten Generation in Deutschland und hier geboren. Aber auch sie kennt aus den Besuchen auf den Philippinen, wie dort schon im Herbst Weihnachtslieder in den Einkaufszentren erklingen, Weihnachtsgebäck angeboten wird und die knallbunte Dekoration aus Papiersternen, Lichterketten und farbenfrohen Girlanden Feststimmung verbreitet.

Wir wollen ein bisschen das Gefühl
wie auf den Philippinen haben.

Ein bisschen von dem Flair wollen die philippinischen Katholiken auch in Stuttgart spüren. Daher treffen sie sich jedes Jahr, um die Dekoration zu basteln, mit der dann die Kirche St. Maria etwas geschmückt wird. Da entstehen dann Sterne mit bunten Kreisen aus Papier drumherum. Manchmal wird darin auch die Krippe eingebaut oder elektrische Lichterketten. „Wir wollen ein bisschen das Gefühl wie auf den Philippinen haben“, sagt die 72-jährige Anecita Podador, die seit 47 Jahren in Deutschland lebt. Nach der letzten Messe vor Weihnachten wird der Schmuck dann gegen Spenden abgegeben.

Nicht die Geschenke, Liturgie und Glaube stehen im Mittelpunkt

Und wieso beginnt alles so früh? Evelyn Noels Erklärung lautet so: „Die Weihnachtszeit ist nur eine kurze Saison, aber die Philippinos feiern gerne und zelebrieren das Fest daher vorher ausgiebig.“ Wo man also geht und steht, wechseln rhythmische Lieder im Stil von Felice Navidad mit melancholischen langsamen Weisen ab.

Überall wird Gebäck aus Reis mit Kokos oder aus lila Süßkartoffelwurzeln in Bananenblätter eingewickelt und verkauft. In Einkaufszentren und vor der Kirche.

Um Geschenke dreht sich das Fest auf den Philippinen kaum. Die eher arme Bevölkerung kann sich nicht viel leisten. Eher stehen Liturgie und Glaube im Mittelpunkt. Mit einer Novene leiten die Katholiken dort das Weihnachtsfest neun Tage vor Heiligabend ein. Jede Nacht um 3 Uhr wird in dieser Zeit Messe gefeiert.

Ein Brauch, der auch in Deutschland weitergeführt wird, allerdings zu einer für Stuttgarter Verhältnisse geeigneteren Uhrzeit: um 20 Uhr, jeweils eine Stunde in St. Maria. Der Volksglaube verspricht: „Wer alle neun Messen besucht hat, für den erfüllen sich seine Wünsche“, erzählt der 36 Jahre alte Pater Jonathan Ramoso, der seit vier Jahren in Stuttgart die philippinische Gemeinde leitet. Weil morgens um 3 Uhr die Menschen noch sehr schläfrig seien, werde in diesen Messen besonders fetzige Musik gespielt, sagt die 37-jährige Hotelfachfrau Evelyn Noel, richtet sich auf  und lacht. „Zum Aufwachen.“

Schinken und Obst an Heiligabend

Und dann kommt die Fiesta. Der Heilige Abend. „Da stehen alle Türen offen, man geht von einem Nachbarn zum anderen, alle feiern“, erzählt Evelyn Noel. Dem Einfluss der Spanier ist es zu verdanken, dass es am Abend Schinken gibt, die  chinesische Kultur fügt Obst hinzu. „Neun verschiedene runde Obstsorten müssen es sein“, erzählt Evelyn Noel. „Sie sollen Glück bringen.“ Außerdem gebe es eine typische Nudelpfanne mit langen Nudeln, die für ein langes Leben stehen.

Einen Weihnachtsbaum kennt man im Westpazifik eigentlich nicht. Früher ahmte man die europäische weiße Weihnacht manchmal mit Palmen nach, die mit Eiweiß und Zucker bestrichen waren, für den Schnee. Inzwischen stellen manche künstliche Tannenbäume auf.

Eine Krippe und ein geschmückter Hausaltar

Philippinische Tradition ist es allerdings eine Krippe aufzustellen und leuchtende Weihnachtssterne aufzuhängen, mit denen der Hausalter geschmückt wird, den es in jeder Familie gibt. „Es ist ein Tisch oder ein Schrankoberteil, auf dem eine Madonna, das Jesuskind, Kerzen, Blumen und ein Kreuz stehen“, beschreibt Evelyn Noel.

Wir Philippinos
sind immer am Singen.

In Stuttgart findet die letzte Novenenmesse am 23. Dezember statt. Dann wird in den Familien weitergefeiert. Von Haus zu Haus gehen wie auf den Philippinen ist hier nicht möglich. Die Gemeinde achtet daher darauf, dass Alleinstehende wie zum Beispiel philippinische Krankenschwestern, die allein in Deutschland sind, von einer Familie mit nach Hause genommen werden. Denn da ist dann Feststimmung. „Wir Philippinos sind immer am Singen“, erzählt Evelyn Noel.

Feiern, Schmücken, Nachbarn besuchen, das ist Weihnachten im Pazifik. Auch dass Kinder von Haus zu Haus gehen, Lieder mit selbst gebastelten Instrumenten singen und um etwas Geld bitten, wie Pater Jonathan Ramoso erzählt. Und manchmal gibt es ein kleines selbst gebautes Feuerwerk. „Das aber vor allem Krach macht, Knaller eben“, sagt Evelyn Noel. In Stuttgart findet man einen Hauch davon wieder.

Die Weihnachtsnovene in der Stuttgarter Gemeinde beginnt am 15. Dezember um 20 Uhr in St. Maria, wo sie jeden Tag bis zum 23. Dezember stattfindet. Sie wird jeweils von einer philippinischen Gruppe der Gemeinde vorbereitet.

Ob als Text-Bild-Reportage, als Video oder Podcast: Unter der Rubrik "Mein Advent" sammeln wir an dieser Stelle besondere Geschichten aus einer ganz besonderen Zeit.

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