Bauprojekt

Abschied von St. Johannes Maria Vianney

Profanierung von St. Johannes Maria Vianney

Foto: Nicole Höfle

Die Mönchfelder Kirche ist entweiht und wird abgerissen. Der Neubau von Kirche und Gemeindezentrum beginnt im Herbst 2020.

Martina Siegl hat im Familienalbum geblättert und die Hochzeitsbilder ihrer Schwiegereltern herausgesucht. Das strahlende Brautpaar steht 1963 vor der neu gebauten Kirche St. Johannes Maria Vianney in der Steinbuttstraße. Man sieht, dass die Außenanlage noch nicht fertig ist, der Weg ist steinig, die Baustelle noch sichtbar. Die Familiengeschichte der Siegls ist eng mit der Kirche verbunden, nicht nur der Hochzeit der Schwiegereltern wegen. Martina Siegl engagiert sich seit mehr als 30 Jahren in der Gemeinde in Mönchfeld mit ihren 1400 Katholiken, seit neun Jahren ist sie gewählte Vorsitzende des Kirchengemeinderats. Ihre vier Kinder sind alle in St. Johannes Maria Vianney getauft, ihr ältester Sohn hat in der Kirche geheiratet, ihre Enkeltochter in der Kirche vor einem Jahr die Taufe empfangen. Alle vier Kinder haben in St. Johannes Maria Vianney ministriert, sie selbst hat 20 Jahre lang im Advent mit den Kindern das Krippenspiel einstudiert, hat Familienwochenenden organisiert, singt im Chor und kümmert sich bis heute um die Familiengottesdienste und den anschließenden Brunch.

„Das ist schon ein seltsames Gefühl“, gesteht die gelernte Krankenschwester. Sie ist traurig und zugleich freut sie sich auf die neue Kirche: „Das ist für die Gemeinde eine große Chance. Die alte Kirche ist im Winter nicht mehr zu heizen, es zieht durch alle Ritzen und die Baumängel sind an vielen Ecken spürbar. Die neue Kirche wird hell und freundlich sein. Wenn wir nach dem Familiengottesdienst unseren Brunch machen, können wir die Türen zum Foyer einfach öffnen.“ Von der neuen Kirche aus wird es direkt in das Gemeindezentrum gehen. „Die Kaffeemaschine für den sonntäglichen Brunch steht dann gleich nebenan. Die Wege werden viel kürzer sein und wir können die Räume flexibler nutzen.“ Dennoch erlebt Martina Siegl eben auch die traurigen Momente, etwa als sie die Requisiten fürs Krippenspiel in Kartons verpackt hat. „Die vielen schönen Erinnerungen haben mich wehmütig gemacht“, erzählt die 54-Jährige.

Ein halbes Jahrhundert mit der Kirche verbunden

Ein halbes Jahrhundert mit der Kirche verbunden ist Helmut Baur. Der 81-jährige Elektriker im Ruhestand hat in dem Gemeindezentrum zusammen mit vielen anderen freiwilligen Helfern bis tief in die Nacht Leitungen verlegt. „Weil wir an den Baukosten sparen mussten, haben wir die Elektrik in Eigenarbeit gemacht. Genug Helfer gab es, die sich alle nach Feierabend in dem Rohbau getroffen haben.“ Zusammengekommen sind die Männer nicht nur zum Arbeiten, sondern ganz selbstverständlich mit ihren Familien auch beim Gottesdienst und zum Feiern in dem fertigen Gemeindehaus. „Die erste Veranstaltung im Gemeindehaus war der Fasching, da waren alle da und auch der Pfarrer hat mitgefeiert“, erinnert sich Helmut Baur.

Viele Gruppen haben sich in dem Gemeindezentrum versammelt, die Metzgersfrau war genauso dabei wie der Bezirksvorsteher. Auch Helmut Baur hat Gemeindefahrten organisiert, war 21 Jahre gewählter Vorsitzender des Kirchengemeinderats und gestaltet heute noch regelmäßig Wortgottesfeiern. Der 81-Jährige gehört zur Gründergeneration der alten Kirche, er gehört aber auch zu den Menschen, die über den anstehenden Neubau am besten Bescheid wissen, der die Raumhöhe der neuen Kirche (sieben Meter) genauso im Kopf hat wie die Platzierungen von Altar, Ambo und Taufbecken. „Wir haben fast zehn Jahre über Neubau und Renovierung geredet, es ist gut, dass es mit den Bauarbeiten bald losgeht.“ Und natürlich möchte Helmut Baur auch beim Einweihungsgottesdienst in der neuen Kirche dabei sein – so wie er 1962 bei der Kirchweihe der alten dabei gewesen ist. „Mein Bruder hat damals das Kreuz in die Kirche getragen.“

Upcycling im Kirchenraum

Nicht nur die Erinnerungen werden mit in die neue Kirche wandern, sondern auch das Holzkreuz über dem Altar, die Marienstatue und sogar ein Teil der alten Kirchenbänke. Aus einem Viertel der jetzigen Bänke wird ein Schreiner den künftigen Altar, den Ambo und auch das Taufbecken gestalten - Recycling im Kirchenraum. Die restlichen Kirchenbänke übernimmt voraussichtlich eine Gemeinde in Polen. Geprüft wird auch, ob ein Teil der Buntglasfenster in die neue Kirche eingesetzt werden kann. Der Kreuzweg wird vermutlich im benachbarten Caritas-Seniorenheim St. Ulrich einen neuen Platz bekommen.

Die neue Kirche wird mit 120 Plätzen deutlich kleiner ausfallen als die jetzige mit ihren 420 Plätzen. „Das ist ein Vorteil, dann kann man die Gemeinschaft wieder ganz anders erleben. In manchen Gottesdiensten wirkt die Gemeinde in der großen Kirche sehr verloren“, sagt Helmut Baur. Einen großen Teil der Baukosten für Kirche, Gemeindezentrum und Pfarrbüro, die bei insgesamt 3,8 Millionen Euro liegen, kann die Gemeinde über den Grundstücksverkauf finanzieren. Hinzu kommen Zuschüsse der Diözese und des Stadtdekanats. Der Abriss der Kirche ist Anfang nächsten Jahres geplant, nur der Kirchturm wird stehen bleiben. Baubeginn für die neue Kirche samt Gemeindezentrum soll im Herbst 2020 sein. Gebaut wird nach den Plänen des Stuttgarter Architekturbüros Ackermann & Raff, die vor zwei Jahren den Architektenwettbewerb gewonnen haben und in diesem Sommer zudem den Kunstwettbewerb für die Gestaltung von Altar und Ambo aus den Kirchenbänken für sich entschieden haben.

Auf dem Grundstück entstehen neben Kirche und Gemeindezentrum zudem drei Wohnhäuser für Senioren, die die Caritas-Gemeinschaftsstiftung in Kooperation mit der Grötzinger Stiftung verwirklicht. Mit dem Bau wird 2020 begonnen, sobald die Baugenehmigung vorliegt. In einem der drei Wohnhäuser wird die viergruppige Kita der Gemeinde Platz finden. Kirche und Gemeindezentrum sollen bis Herbst 2022 fertig sein.

Profanierung war Ende September

Seit dem Profanierungsgottesdienst Ende September feiert die Gemeinde ihre Sonntags- und Werktagsgottesdienste in der benachbarten evangelischen Kirche, der evangelischen Kirche in Mühlhausen und im Seniorenheim St. Ulrich. „Wir freuen uns über die Gastfreundschaft“, sagt Helmut Baur. Das Pfarrbüro von St. Johannes Maria Vianney ist im Seniorenheim St. Ulrich zu erreichen. „Die Übergangszeit wird für die Gemeinde eine Herausforderung. Aber wir freuen uns auf das Neue und auch auf die Möglichkeiten, die sich für die Gemeinde aus der Nähe zu der Kindertagesstätte und den Seniorenwohnungen ergeben“, sagt Martina Siegl.

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