Viele Kommunen und auch die Kirchen bemühen sich, dass Rollstuhlfahrer überall Zugang erhalten. Barrierefreiheit ist aber ebenso ein wichtiges Thema für diejenigen, die sich mit dem Lesen oder Verstehen von Texten schwertun. Im Interview erzählt Beate Vallendor, wie sie als Seelsorgerin bei Menschen mit Behinderung im Dekanat Allgäu-Oberschwaben mit der Bibel arbeitet.
Frau Vallendor, welche Einschränkungen und welche besonderen Begabungen haben denn diejenigen, mit denen Sie konkret zu tun haben?
Besonders viel habe ich mit Menschen zu tun, die man als intellektuell eingeschränkt bezeichnet, die eine sogenannte "geistige Behinderung" haben. Viele von ihnen sind sehr offen, entgegenkommend und herzlich. An ihnen könnten sich so manche "Nichtbehinderten" ein Beispiel nehmen.
Haben die Coronamaßnahmen mit der Aufforderung zu körperlicher Distanz Ihre Arbeit erschwert?
Auf jeden Fall. Gerade weil viele der Menschen, mit denen ich zu tun habe, so entgegenkommend und offen sind, fällt es ihnen schwer, mir nicht spontan herzlich zu begegnen. Auch in Gottesdiensten ist das beispielsweise beim Friedensgruß ein Problem.
Wie gelingt es Ihnen, mit diesen Menschen über religiöse Themen ins Gespräch zu kommen?
Ich stelle fest, dass es gar nicht schwierig ist, vor allem, wenn ein konkreter Anlass vorliegt, also ein Gottesdienst, ein religiöser Festtag, aber auch ein Trauerfall. Spannender wird es, wenn es darum geht, die "hohe Theologie" in einfachen, lebensnahen Worten zu formulieren. Das hat uns Jesus mit den Gleichnissen sehr gut gezeigt. Allerdings passen die Bilder von damals auch nicht mehr alle für uns Menschen von heute.
Diese Gleichnisse stehen in der Bibel. Sind nicht gerade geschriebene Texte für Menschen mit Behinderung eine besondere Herausforderung?
Das ist genau der Punkt, wo das Projekt "Evangelium in Leichter Sprache" ansetzt. Leichte Sprache hält auch in unserem Alltag, bei Behörden und in Broschüren immer mehr Einzug. Da ist es nur folgerichtig, auch biblische Text entsprechend anzupassen, ohne dabei allerdings ihre Aussage zu verfälschen. Leichte Sprache ist jedoch nicht mit kindlicher Sprache zu verwechseln.
In einem Online-Kurs der Katholischen Erwachsenenbildung (keb) in der Region Bodensee-Oberschwaben greifen Sie zusammen mit Dieter Bauer vom Katholischen Bibelwerk das Thema "Bibel und Leichte Sprache" auf. Um was geht es in diesem Kurs?
Zum einen werden die Teilnehmerinnen und Teilnehmer Grundsätzliches zum Thema Leichte Sprache im Allgemeinen und im Speziellen mit Blick auf das Projekt "Evangelium in Leichter Sprache" erfahren. Zum anderen wollen wir auch konkret erproben, wie man mit einem solchen Evangeliumstext in Leichter Sprache umgehen und weiterarbeiten kann.