Dekanatsrat

„Kirche lebt nur, wenn sie sich verändert“

Bernhard Kees. Bild: Stadtdekanat Stuttgart

Nach fast 30 Jahren verlässt der Laienvorsitzende Bernhard Kees den Stadtdekanatsrat. 15 Jahre war er dessen Gewählter Vorsitzender.

Fast 30 Jahre lang hat Bernhard Kees im Stadtdekanatsrat mitgewirkt, 15 Jahre lang war er der Gewählte Vorsitzende des katholischen Stadtparlaments. Jetzt nimmt der 65-Jährige Abschied, freut sich über die Entwicklungen in der Stuttgarter Stadtkirche, lässt es aber an kritischen Worten gegenüber dem Vatikan nicht fehlen. „Die katholische Kirche braucht einen Demokratisierungsprozess und eine zeitgemäße Organisationsform. Letztere muss sich danach ausrichten, wie Menschen ihren Glauben am wirkungsvollsten leben können. Und dazu brauche ich weder den Zölibat noch den Verzicht auf Weiheämter für Frauen noch die Überhöhung von Priestern.“ Die Arbeit vor Ort schätzt Bernhard Kees bis heute: „Mein Anspruch war es immer, über meinen Kirchturm hinaus zu denken und mich für eine lebendige Stadtkirche einzusetzen.“ 

Bernard Kees ist im wahrsten Sinne des Wortes in die katholische Kirche hineingewachsen. „Mein Vater war Kirchengemeinderat, Regionalrat und im katholischen Sportverband engagiert, bei uns zuhause sind Domkapitulare und Pfarrer ganz selbstverständlich ein- und ausgegangen.“ In Elbelen im Stadtbezirk Zuffenhausen hat Bernhard Kees auf der Baustelle der Kirche St. Albert mit seinen Freunden gespielt und sonntags dann im Nebenzimmer der Gaststätte Neuwirtshaus ministriert, in der die Gottesdienste gefeiert wurden, bevor die Kirche gebaut war. Über die Ministranten kam er zur Jugendarbeit, zum BDKJ und auch zum Stadtjugendring. Mit der Familiengründung zog Bernhard Kees nach Vaihingen, wo er 1991 erstmals in den Kirchengemeinderat von Christus König gewählt wurde und dort sechs Legislaturperioden die Geschicke der Gemeinde mitgestaltete.

Bei der einen Ebene vor seiner Haustüre aber beließ es der pensionierte Schulleiter nicht getreu seinem Motto „Kirche findet nicht nur in der Gemeinde statt“. 1992 wurde Bernhard Kees in den Diözesanrat gewählt, der auch über den diözesanen Haushalt entscheidet. Von dort aus wurde er in das Zentralkomitee der Deutschen Katholiken entsandt, dem er immerhin 15 Jahre lang angehörte, wo er in Leitungsgremien mitarbeitete und auch dem Präsidium des 1. Ökumenischen Kirchentags 2003 und der Katholikentagsleitung 2004 angehörte. Bereits 1991 begann der Deutsch- und Sportlehrer sein Engagement im Stadtdekanatsrat Stuttgart, dem er 29 Jahre lang angehörte, davon seit 2006 in vier Legislaturperioden als gewählter Laienvorsitzender. Offiziell aus dem Stadtdekanatsrat, dem Stuttgarter Kirchenparlament, verabschiedet wird Bernhard Kees am 17. September in der nächsten Sitzung des Stadtdekanatsrats, in der seine Nachfolgerin oder sein Nachfolger gewählt wird und in der sich das neue Gremium konstituiert.

Bernhard Kees war es all die Jahre ein Anliegen, die Geschicke der katholischen Kirche mitzubestimmen, sich zu beteiligen. Mitbestimmung, Bürgerbeteiligung ist für ihn eine Selbstverständlichkeit, schon lange vor Stuttgart 21. „Als Christ sehe ich es als meine Aufgabe an, mich in die Gesellschaft einzubringen“, sagt der 65-Jährige. Das ehrenamtliche Engagement war für ihn jahrzehntelang fast wie ein zweiter Beruf, in den er viel Zeit und viel Energie gegeben hat. Sein Fazit: „Es hat sich gelohnt und ich gehe mit der Gewissheit, all die Jahre verantwortungsvoll Entscheidungen mitgetroffen zu haben, immer auch die Folgen und Folgekosten im Blick.“ Das Rottenburger Modell, das auf eine starke Beteiligung der Laien setzt, hält er für richtig und wichtig. 

Zu gestalten gab es viel in diesen 30 Jahren, allein schon auf der Ebene der Stadtkirche: Er war dabei, als das Haus der Katholischen Kirche geplant und gebaut worden ist, er hat das Hospiz St. Martin in Degerloch mit auf den Weg gebracht, den Prozess Aufbrechen mitgestaltet, in dem es auch darum ging, sich angesichts sinkender Mitgliederzahlen von Gemeindehäusern und von Kirchen zu verabschieden. Darunter auch die Kirche St. Stefan im Stuttgarter Westen, die vor drei Jahren profaniert worden und in die eine Buchhandlung eingezogen ist. „Ich habe in St. Stefan geheiratet und schon deshalb eine enge Bindung zu der Kirche, dennoch habe ich den Beschluss mit Überzeugung mitgetragen. Kirche muss sich an veränderte Rahmenbedingungen anpassen, Kirche muss sich wandeln“, sagt der pensionierte Schulleiter.   

Bernhard Kees hat die Zusammenführung der vier Dekanate mitgetragen, Jahre später dann die Errichtung der zwölf Gesamtkirchengemeinden. „Als ich angefangen habe, gab es diese Stuttgarter Stadtkirche nicht. Jetzt ist sie eine Selbstverständlichkeit, die uns viele Möglichkeiten eröffnet und die uns auch Gehör in der Landeshauptstadt verschafft“, so der 65-Jährige. Zu den Errungenschaften der Stadtkirche zählt Bernhard Kees neben dem Haus der Katholischen Kirche die Errichtung pastoraler Zentren, das Spirituelle Zentrum station s mit seinen Angeboten in der Kirche St. Fidelis, das Jugendpastorale Zentrum YouCh und die Planungen zum Trauerpastoralen Zentrum in Degerloch, sowie z. B. den Neubau der Kirche St. Peter in Bad Cannstatt. Jetzt nimmt der 65-Jährige Abschied, weil er jüngeren Frauen und Männern Platz machen möchte. „Vor 30 Jahren bin ich angetreten, um die Gremien zu verjüngen, dann kann ich mich jetzt nicht an meinem Stuhl festklammern.“

Für die Kirche vor Ort begeistert sich der Pensionär bis heute. Anders sieht es aus, wenn er auf Rom schaut, das zuletzt mit der jüngst veröffentlichten Instruktion der Kleruskongregation für viel Unmut unter Katholikinnen und Katholiken in Deutschland sorgte. Auch bei Bernhard Kees: „Gegen diese Art von Klerikalismus habe ich mich schon immer gewehrt. Ich schätze viele Priester sehr, trotzdem habe ich die Grundannahme noch nie verstanden, dass alle Priesteramtskandidaten mit der Weihe sämtliche Fähigkeiten übertragen bekommen, die von der Seelsorge über Haushaltplanung und Finanzwesen, dem Management bis zur Personalführung reichen.“ Für ihn muss katholische Kirche vor allem eines: den Glauben wirkungsvoll vermitteln, dafür muss sie sich so organisieren, wie es die Zeit erfordert. „Wir brauchen als Kirche Vermittlerinnen und Vermittler, Verkünderinnen und Verkünder, Verwalterinnen und Verwalter und alle sollen das tun, was ihren Fähigkeiten entspricht."

Weitere Nachrichten

Kunst
Am 6. und 7. April startet das Kirchen-Kultur-Projekt "St. Maria als..." in die neue Saison.
Weiterlesen
Ostern
Welche Bedeutung das Rätschen hat und woher die Tradition kommt, erklären uns Dompfarrer Klaus Rennemann und die Oberministranten Johanna und Gregor.
Weiterlesen