In seinem Brief an die Korinther schreibt der Apostel Paulus: „Verschlungen ist der Tod vom Sieg. Tod, wo ist dein Stachel?“ – „Tod, wo ist dein Stachel?“, heißt es auch unter einem der Bilder des „Bad Mergentheimer Totentanzes“. Wie sich die Erlösungsvorstellung in dem Kunstwerk widerspiegelt, erklärt ein Online-Vortrag der Katholischen Erwachsenenbildung (KEB) im Dekanat Mergentheim. Die Zoom-Veranstaltung ist zugleich eine gute Gelegenheit, den eigentümlichen Bilderzyklus, der normalerweise kaum öffentlich zugänglich ist, einmal kennenzulernen.
Panoptikum der Verfehlungen
„Die künstlerische Umsetzung ist etwas Besonderes“, sagt Lore Groth-Faninger. Die Bad Mergentheimer Stadt- und Kirchenführerin beschäftigt sich schon seit etlichen Jahren mit christlicher Kunst. Die Malerei in der Kapelle St. Michael greift die aufs Mittelalter zurückgehende Tradition des Totentanzes auf, füllt diesen aber mit einem anderen Inhalt. Groth-Faninger erklärt: „Der mittelalterliche Totentanz stellt dar, dass der Tod jeden ohne Unterschied ereilt, ob adelig oder nicht, reich oder arm.“ Auf diesen typischen Darstellungen sind tanzende oder fiedelnde Skelette zu sehen. „Der Bad Mergentheimer Totentanz thematisiert dagegen Tod und Sünde“, sagt Groth-Faninger. Es handele sich um einen biblischen Totentanz.
Der 15 Bilder umfassende Zyklus beginnt mit der Vertreibung aus dem Paradies. In der Darstellung überreicht die Schlange dem Tod ein Zepter als Symbol für dessen Herrschaft. Darauf folgt ein Reigen an Geschichten vor allem aus dem Alten Testament. Darin geht es um Verfehlung, Sünde und Schuld. So sind unter den Erzählungen zum Beispiel Kains Brudermord, die Sintflut und der Untergang von Sodom und Gomorra dabei.
Vergessener Künstler
Es finden sich aber auch weniger bekannte Geschichten darunter, sagt KEB-Leiter Andreas Steffel. Dazu gehöre das grausige Ende von Ahab und Isebel. Bei dem Vortrag wird Steffel das theologische Konzept des Bilderzyklus entschlüsseln – und dabei den Bogen vom Alten zum Neuen Testament und den Worten aus dem Korinther-Brief spannen. „Tod, wo ist dein Stachel?“ Der Tod liegt am Boden und der Auferstandene zertritt das Zepter in dem Bilderwerk von Tobias Weiß.
Im Jahr 1885 schuf dieser den „Bad Mergentheimer Totentanz“. Die Bilderfolge schmückt rundum das Innere der Friedhofskapelle St. Michael. Von Weiß stammt aber auch das Berlichingen-Grabmal in der Marienkirche und einiges mehr, wie Groth-Faninger weiß. Sie wird den Teilnehmerinnen und Teilnehmern der Zoom-Sitzung den Künstler vorstellen. Er ist allgemein wenig bekannt. Ein Aufsatz in den Fürther Geschichtsblättern trug vor einigen Jahren als Würdigung die biografischen Daten zu seinem Leben „zwischen Kunst und Handwerk“ zusammen.
Weiß lebte von 1840 bis 1929. Er wurde in Krottenbach(Nürnberg) geboren. Seine ersten künstlerischen Erfahrungen sammelte er in einer Kunstdrechslerei und Elfenbeinschnitzerei. An der Kunstgewerbeschule in Nürnberg studierte er dann Bildhauerei, Malerei, Architektur und anatomisches Zeichnen. Weiß stattete zahlreiche Kirchen und Kapellen, aber auch profane Gebäude - zum Beispiel die Wartehalle des Hauptbahnhofs in Eisenach - mit seinen Arbeiten aus.