Fast die Hälfte der Stuttgarter Katholiken hat ihre Wurzeln in anderen Ländern. Mitgebracht haben sie immer auch besondere Bräuche rund um den Advent und Weihnachten. Für die indischen Ordensfrauen Schwester Celestina, Schwester Giosina und Schwester Gloria ist der Advent traditionell eine Fastenzeit, in der sie auf Schokolade und indische Filme verzichten.
Die Frauen des St.-Philipp-Neri-Ordens wohnen seit 2014 in Deutschland. Corona verändert in diesem Jahr auch ihr Weihnachten: Anstatt mit den Bonner Mitschwestern feiern sie Heiligabend in Bad Cannstatt mit den Anna-Schwestern. Dann wird auch das Geheimnis gelüftet, wer in diesem Jahr die Weihnachtsfreundin ist, für die sie den ganzen Advent über beten.
Wer ist in diesem Jahr Weihnachtsfreundin oder Weihnachtsfreund?
Jedes Jahr am 1. Dezember schreiben Schwester Celestina, Schwester Giosina und Schwester Gloria die Namen von Menschen, die ihnen besonders am Herzen liegen, auf kleine Zettel. Einen Zettel davon ziehen sie. Der Name, der darauf steht, sagt ihnen, wer in diesem Jahr ihre Weihnachtsfreundin oder ihr Weihnachtsfreund ist. Für diesen Menschen beten sie täglich bis zum 25. Dezember. „Erst an diesem Tag erfährt die- oder derjenige, dass für sie gebetet wurde“, erzählt Schwester Giosina, die Oberin in dem kleinen Konvent, der zum Orden des heiligen Philipp Neri gehört.
Die 38-Jährige lebt mit den beiden 33-jährigen Schwestern Celestina und Gloria in Bad Cannstatt, in unmittelbarer Nähe zur St. Anna Klinik, wo sie als Krankenschwestern arbeiten. Seit 2014 leben die Frauen in Deutschland und pflegen hier ihre heimatlichen Traditionen auch im Advent. „Wir haben eine Liste mit Geschenken für das Kind Jesu und beten dafür“, erklärt Schwester Gloria und zeigt auf ihrem Smartphone eine Übersicht mit indischer Schrift. „Wir beten einen Rosenkranz und schenken dafür dem Kind Jesu ein Kissen. Oder wir beten fünf Vater Unser für einen Schal oder eine Socke. Die Geschenke gibt es natürlich nur in unserer Vorstellung.“
Im Advent fasten die drei indischen Ordensfrauen
Auf dem Wohnzimmertisch der Ordens-WG findet sich ihr gemeinsamer Adventskranz, den sie aus ihrer südindischen Heimat Kerala nicht kennen. An das erste Weihnachten in Deutschland erinnert sich Schwester Gloria noch genau: „Wir waren sehr begeistert von dem Weihnachtsmarkt. Alles ist so schön geschmückt, auch die Häuser und Läden.“ In Indien schmücken die Katholiken am 1. Dezember ihre Haustüren mit beleuchteten Sternen. Vom 1. bis 24. Dezember besuchen sie täglich die Kirche. „Manche Gemeinden schenken den Kindern eine Kleinigkeit, wenn sie jeden Tag in die Kirche gehen“, sagt Schwester Celestina.
Während der Adventszeit fasten die katholischen Inder. Auch die drei Ordensschwestern verzichten auf Schokolade und essen freitags weder Fisch noch Fleisch. Außerdem schauen sie keine indischen Filme an. „Deutsche Filme schauen wir schon, sie dienen zur Verbesserung der Sprache“, sagt Schwester Gloria mit einem Lächeln.
„Wir sind eingetreten, weil es ein fröhlicher Orden ist“
Mit 15 Jahren sind die drei in den Orden eingetreten. „Wir möchten Gott dienen und haben uns für den St.-Philipp-Neri-Orden entschieden, weil es ein fröhlicher Orden ist“, erzählt Schwester Giosina. Sechs Jahre dauert die erste Ausbildung. Mit 21 Jahren haben die Drei die Kleidung der ersten Profession erhalten. Wiederum sechs Jahre später, im Alter von 27 Jahren, entschieden sie sich für die ewige Profession. „Die Ankleidung wird gefeiert wie eine Hochzeit“, schwärmt Schwester Celestina und ergänzt: „Wir möchten der Mission helfen, deshalb sind wir hier.“ Ihre Krankenschwestern-Gehälter kommen dem Orden zugute.
Normalerweise fahren die drei Frauen an Weihnachten zu ihren Ordensschwestern nach Bonn. Aber in diesem Jahr mit Corona ist es anders. Sie werden erstmals mit den Anna-Schwestern feiern – mit einer Mischung aus deutschen und indischen Bräuchen. Zur Weihnachtsmesse gehen sie in die nahegelegene Klinikkapelle.
In Kerala werden in der Kirche Bananenstauden und Mangobäume geschmückt
An Weihnachten in Deutschland vermissen die Ordensfrauen besonders die Familie und das Weihnachtslieder-Singen, Christmas Carol genannt. Dabei gehen sie am Heiligabend von Haus zu Haus und sammeln – gemeinsam mit dem Nikolaus und dem Christkind – die Menschen zur Weihnachtsmesse ein. In jeder Kirche steht ein Weihnachtsbaum. Die Bäume sind allerdings keine Tannen oder Fichten, sondern Bananenstauden, Palmen oder Mangobäume. Daran hängen kleine Geschenke, die die Gottesdienstbesucher für einen guten Zweck erwerben können.