1983 als eingetragener Verein „Gefährdeten- und Nichtsesshaftenhilfe“ mit zwei Mitarbeitern gegründet, ist die gemeinnützige GmbH heute mit siebzehn Vollzeitkräften, 200 Klienten und zusätzlich 300 Haushalten in der Fachstelle Wohnungssicherung aktiv. Von Anfang an war Heinrich Knodel das Gesicht der Hilfe für Wohnungslose in Ludwigsburg. Am 21. November wird Knodel offiziell in den Ruhestand verabschiedet. Sein Nachfolger wird Reiner Knödler. In den nächsten Tagen wird der neue Name der Institution „Ökumenische Wohnungsnotfallhilfe im Landkreis Ludwigsburg gGmbH“ notariell eingetragen.
„Wir werden zu keiner Gesellschaft ja sagen dürfen, die nicht versteht, was ihr selbst die Schwachen in der Gesellschaft bedeuten.“ Das Zitat von Carl Friedrich von Weizäcker war auch Heinrich Knodels Leitlinie in den 40 Jahren seiner Tätigkeit als Geschäftsführer der Wohnungslosenhilfe im Landkreis Ludwigsburg. „Ich wollte diese Menschen von Anfang an in den Fokus stellen und sie in der Gesellschaft sichtbar machen“, sagt Knodel. Heute sind Gesellschafter und damit Träger der ökumenischen Wohnungsnotfallhilfe vier kirchliche Organisationen im Landkreis: der Evangelische Kirchenbezirk und das Katholische Dekanat Ludwigsburg, die Caritas und die Stiftung Karlshöhe Ludwigsburg. Ein Förderkreis mit über 100 Kirchengemeinden, Privatpersonen und Organisationen unterstützt ihre Arbeit.
Zur Wohnungslosenhilfe kam Heinrich Knodel über seinen Zivildienst in einer Einrichtung für wohnungslose Menschen. Nach seinem Studium startete der Diplom Sozialpädagoge als erster Hauptamtlicher in Ludwigsburg: „Die Welt nicht im Großen zu retten, sondern im Kleinen anzufangen, und da etwas zu bewegen, kleine Schritte in der Praxis umzusetzen – das fand ich spannend!“ Für seine Fachberatungsstelle mietete Knodel Räume in der Ludwigsburger Friedrichsstraße. Schwierigkeiten bereitete die Suche nach einem Aufnahmehaus, das der Landkreis in einem seiner Objekte unterbringen wollte. Die Anwohner äußerten bei einer Bürgerversammlung ihre Ängste vor Kriminalität und Belästigung, das Vorhaben musste zurückgezogen werden. Die Interimslösung in den Räumen eines ehemaligen Kasernengebäudes blieb für zehn Jahre.
Neue Standorte zu finden, ist bis zuletzt eine der großen Herausforderungen von Heinrich Knodel geblieben. Eine weitere Herausforderung stellen die Klienten selbst dar. „Denn was wir denken, was für die Menschen gut ist, ist manchmal nicht das, was die Menschen selbst wollen“, sagt Knodel. Dass der Umzug in eine neue Wohnung eine Krise auslösen kann, war für Knodel, jedenfalls am Anfang seiner beruflichen Laufbahn, überraschend. Er empfindet die kleinste Verbesserung der Lebenslage seiner Klienten bereits als Erfolg. Das kann eine neue Brille, der Führerschein als Starthilfe für einen Job, eine neue Wohnung oder auch die Beerdigung für Menschen ohne Angehörige sein. Die Wohnungslosenhilfe hat ein eigenes Grab für 88 Urnen, um ihren Klienten einen würdevollen letzten Gang zu ermöglichen.
Machte der „typische ältere, männliche Tippelbruder“ in den Anfangsjahren von Heinrich Knodel den größten Teil der Klientel aus, ist diese Menschengruppe, Dank des ambulanten Hilfesystems in den Landkreisen, heute die Ausnahme. Der Großteil der Klienten ist heute zwischen 30 und 60 Jahre alt, der Anteil der Frauen in der längerfristigen Beratung beträgt etwa 18 Prozent. Allerdings verzeichnet die Wohnungslosenhilfe seit etwa 20 Jahren einen deutlichen Anstieg der unter 25-Jährigen. In allen Fällen startet die erfolgreiche Zusammenarbeit mit Hilfen bei der Existenzsicherung – der Hilfe beim Antrag von Bürgergeld, in Einzelfällen auch einfach einer Duschmöglichkeit oder der Versorgung mit Essen. Erst dann geht es um die Erarbeitung einer weiterführenden Perspektive. „Das kann beispielsweise die Vermittlung in eine Therapie, eine Wohnung oder eine Arbeitsstelle sein. Von insgesamt 103 längerfristig betreuten Hilfesuchenden in der Fachberatungsstelle werden etwa zwölf neu in Wohnraum vermittelt, 42 Hilfesuchende übers Jahr in Wohnraum nachbetreut und sechs Klienten erhalten weiterführende Hilfeangebote wie medizinische Rehabilitation oder Suchttherapie. Jeder fünfte Klient kann auch in Arbeit vermittelt werden. Seit 2016 hilft die „Fachstelle Wohnungssicherung“ bereits, bevor die Klienten wohnungslos werden – zunächst mit EU-Förderung, inzwischen ganz ohne EU-Finanzierung, in 32 von 39 Kommunen im Landkreis. Die Tendenz geht immer mehr in Richtung Prävention.
Heinrich Knodels Nachfolger Reiner Knödler möchte das Lebenswerk seines Vorgängers in seinem Sinne fortsetzen. „Die aufsuchende Hilfe und die präventive Arbeit durch Wohnungssicherung sind dabei ebenso wichtig, wie die Gewinnung von weiterem bezahlbaren Wohnraum und auch die Versorgung von kranken und alten Menschen in Wohnungsnot“, sagt Knödler. Die Voraussetzungen dafür sind gut. Knödler arbeitete über 25 Jahre in der Geschäftsführung einer Einrichtung der Wohnungslosenhilfe und seit über 20 Jahren mit Heinrich Knodel im Fachverband Wohnungslosenhilfe im Diakonischen Werk Württemberg. „Eine besondere Herausforderung ist es, die professionelle Hilfe, die wir leisten, auch angemessen zu finanzieren. Die steigenden Kosten sind für uns ein echtes Problem“, sagt er.