Heilige? Klar, die gibt es in jeder katholischen Kirche. Sogar in eher schlichten, modernen Gotteshäusern steht eine Statue der Gottesmutter Maria, manchmal auch eine von ihrem Bräutigam Josef. In Kirchengebäuden aus der Zeit der Gotik, des Barock oder des Historismus thronen Heilige scharenweise oben auf ihren Podesten. An dem, was sie in der Hand halten oder bei sich tragen, sind sie zu erkennen: Petrus an den Schlüsseln, Katharina am Wagenrad oder Sebastian an den Pfeilen in seinem Körper. Meist etwas näher bei den Leuten und nahe am Opferstock wartet der Heilige Antonius von Padua, auch Schlamperdone genannt, auf eine Gabe. Die Spendenden hoffen, dadurch Verlorenes wiederzufinden. Auch andere Heilige haben „Zuständigkeiten“ und Verehrer:innen, die bei Ihnen diesbezüglich Hilfe suchen.
Doch Heilige sind alle tot - die meisten schon seit vielen Jahrhunderten. Oder gläubig formuliert: Sie leben seither im Himmel droben, in Gottes Herrlichkeit. Sie hatten vorbildlich als Christ:innen auf Erden gewirkt, was die Kirche mit der Heiligsprechung bestätigt. Ihr Lebensstil scheint dennoch für Normalsterbliche eher unerreichbar. Selbst der jüngste und für das Internet „zuständige“ Heilige, Carlo Acutis, wirkt irgendwie entrückt. Daniel Lienhard, Illustrator und Visueller Gestalter aus Bregenz im österreichischen Vorarlberg, arbeitet mit historischen Heiligenfiguren. Er zeigt sie aber nicht auf Podesten in Kirchen, sondern montiert sie in prekäre und doch „systemrelevante“ Arbeitsumgebungen. Und er verpasst ihnen einen Namen und eine ganz konkrete Identität.
Die Heilige Katharina arbeitet als Pflegekraft
Da ist zum Beispiel Meryem, Verpackerin bei einem Elektronik-Discounter. Die junge Frau aus Syrien ist eigentlich Anästhesie-Ärztin und hat unter widrigsten Umständen ihre Patient:innen versorgt. Hier darf sie ihren Beruf nicht ausüben und fühlt sich leer. Der Künstler hat zur Illustration eine Marienstatue aus dem 14. Jahrhundert zwischen geöffnete Kartons gestellt. Oder der promovierte Historiker Tony, der sich zwischen Gitterbett und Windelschrank um den kleinen Emil kümmert. Er und seine Freundin finden nur Gelegenheitsjobs - alle unterbezahlt. Ihn symbolisiert eine Figur des Heiligen Antonius mit Jesuskind aus dem 17. Jahrhundert.








