Dass die Chemie zwischen Bischof und Ministerpräsident stimmt, fiel dem Publikum auf dem Stuttgarter Schillerplatz spätestens dann auf, als Kretschmann auf die Frage von Moderator Matthias Ball, ob der Bischof seinen Job übernehmen könnte, unumwunden sagte: „Ich bin sicher, das könnte er aus dem Stand.“ Immerhin sei er selbst nur ein „Provinzhäuptling“, während der Bischof Teil der Weltkirche mit über einer Milliarde Gläubigen sei. „Mit dieser Bescheidenheit habe ich nicht gerechnet“, entgegnete Moderator Ball und fragte den Bischof nach dem Seitenwechsel.
Der erläuterte, dass der Ministerpräsident Mehrheiten organisieren müsse, um sinnvoll gestalten zu können. „Bei uns Bischöfen ist das etwas anders, bei uns geht es nicht darum im politischen Sinn Mehrheiten zu organisieren. Vielmehr hat der Bischof das Amt der Einheit. Er muss die unterschiedlichsten Leute zusammenhalten, ohne sie alle gleich zu machen“, so Bischof Fürst weiter. „Ich muss versuchen, dass die verschiedenen Überzeugungen, Dienste, Charismen, Aufgaben und Talente so zusammengeführt werden, dass wir eine Kirche im Geist Jesu Christ zum Wohl und Heil der Menschen bleiben können.“
Martinsmantel ist „grandioses Zeichen“ für den Katholikentag
Ministerpräsident Kretschmann war mit Beginn des Katholikentags auf dem Laientreffen unterwegs und selbst auf der Bühne verschiedener Veranstaltungen. Er freute sich über den riesigen Martinsmantel, der beim Eröffnungsgottesdienst entfaltet und beim Abschlussgottesdienst wieder geteilt wird. Dieser sein ein grandioses Zeichen für das Leitwort „leben teilen“ des Katholikentags. Dass dieses auch auf säkulare Einrichtungen übertragen werden könne, bewertete Bischof Fürst sehr positiv. „Es zeigt: Die Christen sind mit ihrer Botschaft mitten in der Welt.“
Das Christentum präge denn auch das gesamte Verfassungsorgan und mit dem Sozialstaat sei die christliche Nächstenliebe institutionell abgesichert, so Ministerpräsident Kretschmann. Natürlich sei die Gesellschaft säkular, aber er sei als Politiker und Christ für dieselben Menschen verantwortlich.
Erfolg ist kein Maßstab für Gott
Unterschiede gäbe es, wenn es um die Bewertung der Aufgaben gehe. „Als Politiker werde ich am Erfolg gemessen, nicht an einer guten Gesinnung“, sagte Kretschmann. „Für Gott wiederum bin ich ein guter Mensch, wenn ich im Herzen das richtige möchte.“ Erfolg sei kein Maßstab für Gott. Ein tröstlicher Gedanke, denn wenn er als Politiker scheitere, hieße das noch lange nicht, dass er vor Gott gescheitert sei.
Das Gespräch zwischen Bischof und Ministerpräsident hatte zahlreiche Besucherinnen und Besucher auf den Schillerplatz gelockt. Die beiden sprachen über die Beteiligung von Laien in der Diözese Rottenburg-Stuttgart, über die Anschlussfähigkeit der Kirche an die Gesellschaft und wünschten sich zum Abschluss gegenseitig u.a. gute Nerven für ihre jeweiligen Aufgaben.