In der Kirche von St. Aurelius im Kloster Hirsau ist es dunkel. Der Raum wird von Kerzen beleuchtet, es gibt kaum künstliches Licht. Mit seinen romanischen Säulen ist es ein besonderer Raum, der Besucherinnen und Besucher in eine spirituelle Atmosphäre eintauchen lässt, wie Peter Schlang vom Verein Freunde Kloster Hirsau erklärt. „Viele Menschen kommen hierher wegen der vielen Konzerte und der Musik und haben dann ein Aha-Erlebnis: Sie sind beeindruckt von diesem Kraftort – da ist etwas zu spüren. Und es kann sein, dass sie dann am Sonntag zum Gottesdienst auftauchen.“ Gleichzeitig erzähle die Kirche von der Geschichte, denn Hirsau war im Mittelalter ein geistiges Zentrum und als Reformkloster bekannt. Und diese Erinnerungen sollen jetzt wieder erlebbar gemacht werden: Mit dem Jubiläumsprogramm anlässlich der Kirchweihe von Sankt Aurelius Hirsau vor 950 Jahren.
Jubiläum mit buntem Programm
„Eigentlich hatten wir ein ganzes Jubiläumsjahr geplant, das von März bis November gehen sollte. Aber Corona hat uns ein Bein gestellt und bis jetzt konnte nichts stattfinden,“ erläutert Bernadette Kaiser, gewählte Vorsitzende des katholischen Kirchengemeinderates der Kirchengemeinde St. Lioba in Bad Liebenzell. Ab Juni sollten die verschiedenen Veranstaltungen dann aber – soweit möglich – richtig losgehen: Klassische Konzerte und Orgelmusik, Ausstellungen, beispielsweise von russischen Ikonen, Vorträge zur Bedeutung des Klosters, Führungen zu Themen wie „Wildkräuter“ oder zur Klosterküche, eine Kinderrallye als Entdeckungsreise zum Leben der Hirsauer Mönche und vieles mehr beleuchte die Geschichte von Sankt Aurelius aus verschiedenen Blickwinkeln.
Hirsau als Reformkloster
Die zentrale Veranstaltung des Programms ist der Festakt mit einem großen Gottesdienst am Sonntag, 26. September. Er erinnert an die Kirchweihe im Jahr 1071, die von großer Bedeutung für das Kloster war, erklärt Schlang, der einer der Hauptorganisatoren der Jubiläumsfeier ist. „Damit wurde das eigentliche Zentrum des Klosters geschaffen – erst dann konnte es in Betrieb gehen“, sagt er. Für den Festakt werde auch der Abt von Kloster Scheyern in Oberbayern nach Hirsau kommen. „Das Kloster Scheyern ist eines der fast zweihundert Klöster, die damals im Sinne von Hirsau reformiert beziehungsweise gegründet worden sind. Mönche aus Hirsau wurden in unterschiedliche Regionen entsandt, um das Gedankengut von Cluny weiterzutragen“, erläutert Schlang. Das habe vor allem auf der Idee beruht, dass die Mönche sich wieder auf das Gebet und ein gottgefälliges Leben konzentrieren sollten, anstatt für weltliche Interessen zu arbeiten. „Diese Reform strahlte von Hirsau nach ganz Europa aus, wodurch ein europäisches Netzwerk entstand – eines der ersten überhaupt“, sagt Schlang. Außerdem seien Klöster früher Träger der Kultur gewesen, setzt er hinzu und stellt fest: „Hirsau lag ja fast im Urwald, im gottverlassenen Schwarzwald – und das Kloster hat die Kultur hier ganz stark gefördert.“
Aus der Geschichte für das Heute lernen
Bertram Bolz, Diakon der Gemeinden St. Josef in Calw und St. Lioba Bad in Liebenzell, sieht mit dem wichtigen historischen Gebäude auch eine Aufgabe verbunden: „Es geht darum, darüber nachzudenken, was wir heute daraus für unseren Alltag lernen können. Denn Jubiläen machen nur einen Sinn, wenn wir nicht in der Vergangenheit verhaftet bleiben, sondern sie fürs Heute erlebbar machen.“ Hirsau sei ein Reformkloster gewesen und auch heute seien Reformen notwendig, fährt Bolz fort. „Als katholische Kirche müssen wir schauen, wie sich die Welt verändert und welche Botschaft die Menschen auch heute noch erreichen kann. Daraus, was die Leute damals umgetrieben hat, kann man Impulse ableiten, die uns heute in unserem Tun als Kirchengemeinde bestärken.“
Jubiläum schafft Miteinander
Die Jubiläumsfeier zur Kirchenweihe vor 950 Jahren bestärke jedoch nicht nur den Glauben der Kirchengemeinde, sondern auch die Gemeinschaft in Calw und Umgebung, denn viele Menschen würden ehrenamtlich bei den Veranstaltungen mithelfen. Das werde – wenn die Pandemie es zulässt – besonders am Festakt deutlich, sagt Bernadette Kaiser. „Da ist auch die evangelische Kirchengemeinde miteingebunden, Sportvereine unterstützen uns bei der Bewirtung, die ortsvorstehenden Bürgermeister und Gemeinderäte sind da – das ist einfach ein schönes Miteinander und zeigt, wie einfach Gemeinschaft gehen kann.“