Die muttersprachlichen Gemeinden in Stuttgart sind für Menschen mit ausländischen Wurzeln ein wichtige Gemeinschaft, in der sie ihre religiöse Herkunft leben und kulturelle Traditionen pflegen können – zum Beispiel zur Adventszeit. Für Familie Shtufi, deren Wurzeln in den Kosovo reichen, ist die albanische Gemeinde in St. Konrad ein Stück Heimat. In der Adventszeit rückt die Familie Shtufi noch ein wenig enger zusammen. Die Geschwister, Cousins, Tanten und Onkel besuchen sich gegenseitig - so oft es eben geht.
Bei Nikoll und Hana Shtufi im Stuttgarter Westen wird der Weihnachtsbaum schon am ersten Advent aufgestellt und mit bunten Lichterketten geschmückt. Danach leuchtet und blinkt der Baum mindestens bis zum 9. Januar. An diesem Tag hat die älteste Tochter Kristjana Geburtstag. „Ich mag es, wenn der Baum dann noch steht, dann nehme ich ein bisschen von der wunderbaren Weihnachtszeit mit in meinen Geburtstag hinein“, sagt die 21-Jährige. Am ersten Advent wird bei der kosovoalbanischen Familie nicht nur der Christbaum aufgestellt, sondern die gesamte Wohnung festlich dekoriert. Im Flur findet die Krippe mit den bunt bemalten Gipsfiguren ihren Platz, im Wohnzimmer der Adventskranz, in den Zimmern der fünf Kinder werden Lichterketten aufgehängt. „Der Advent ist eine sehr schöne und intensive Zeit, das soll man auch sehen“, sagt Vater Nikoll Shtufi.
Die Wochenenden sind ausgefüllt mit Familie und Gemeinde
Es war Nikoll Shtufis Vater Martin, der in den 1960er Jahren nach Stuttgart gekommen ist, um auf dem Bau zu arbeiten und genug Geld zu verdienen, um eine Familie zu ernähren. Die hat Martin Shtufi denn auch bald gegründet und inzwischen leben 29 Nachfahren und Verwandte in Stuttgart. Für die Shtufis gehören Kirche und Religion ganz selbstverständlich zum Leben dazu. Sonntags geht die Familie gemeinsam in den Gottesdienst in St. Konrad, wo sie seit Jahrzehnten ihren Stammplatz haben, hinten links, nicht weit von der Eingangstür. „Der Platz stammt noch aus der Zeit, als die Kinder klein waren und wir auch mal rausgehen mussten, wenn ein Kind geweint hat“, erzählt Mutter Hana. Inzwischen sind die drei ältesten Mädchen schon im Beruf, im Studium oder in der Ausbildung, nur Vera, die jüngste der Mädchen, und Sohn Martin sind noch in der Schule. Alle Shtufi-Mädchen treffen sich an den Freitagabenden und am Sonntag zur Chorprobe in der Gemeinde, wo gerade die Lieder für den Mitternachtsgottesdienst an Heiligabend geübt werden. Auch in der Tanzgruppe machen sie mit, in der traditionelle kosovoalbanische Tänze gepflegt werden. Sohn Martin, das Nesthäkchen, ist noch bei den Ministranten. „Die Wochenenden sind ausgefüllt mit Familie und Gemeinde“, erzählt der 45-jährige Bäcker Nikoll Shtufi.
In der Wohnung haben viele Heilige ihren Stammplatz
Die Wohnung der Shtufis gefüllt mit guter Laune und vielen Heiligen. Pater Pio schaut von der Wand im Wohnzimmer, eine Marienstatue steht neben dem Fernseher, an der Tür zum Wohnzimmer findet sich Mutter Teresa gleich neben der Heiligen Familie. Über dem Esszimmertisch hängt ein Gemälde der katholischen Kirche in Prizren, dem Heimatort der Shtufis und über dem Sofa ein Schreiben von Papst Franziskus zum 25. Hochzeitsjubiläum von Hana und Nikoll Shtufi. „Ein Geschenk von meinem Bruder“, erzählt Hana Shtufi. Am 6. Januar wird Pfarrer Albert Krista die Familie Shtufi besuchen und wie jedes Jahr am Dreikönigstag neue Heiligenbilder zum Aufkleben vorbeibringen.
Vor der Mitternachtsmette wird kein Fleisch gegessen
Nikoll Shtufi hat sich in diesem Jahr zwischen den Feiertagen frei genommen, er freut sich schon jetzt, Weihnachten mit seinen Verwandten zu verbringen. An Heiligabend feiern die Shtufis zunächst im kleineren Kreis mit den Großeltern, nach der Mitternachtsmesse kommt dann noch der Cousin aus Heidelberg mit seiner Familie dazu. „Der Gottesdienst um Mitternacht ist eine feste Tradition auch im Kosovo“, erzählt Nikoll Shtufi. Vor der Messe mitten in der Nacht wird gemeinsam gegessen, viel geredet und auch die Geschenke werden ausgepackt. Auf den Tisch kommt allerdings kein Fleisch, sondern traditionell Fisch mit Reis und Laknur mit Zucchini und Walnüssen, eine Art Pide auf Albanisch. Erst nach der Mitternachtsmesse, nach der Feier der Geburt Jesu, darf dann auch Fleisch gegessen werden.
An Heiligabend ist Familie Shtufi eine Stunde vor der Messe da
Die Mitternachtsmesse besuchen die sieben Shtufis gemeinsam mit den Großeltern Martin und Vera. Um überhaupt einen Platz zu bekommen, sind sie immer schon eine Stunde vor Beginn des Gottesdienstes vor der Kirche St. Konrad, wo sie noch den Klängen der slowenischen Christmette lauschen können, die an Heiligabend immer vor der albanischen Messe gefeiert wird. „Da ist schon eine Stunde vorher richtig viel los und man trifft viele Freunde und Bekannte“, erzählt Tochter Kristjana. Gut zwei Stunden dauert die Messe am 24. Dezember, der Chor der albanischen Gemeinde singt, auch ein kleines Schauspiel gehört dazu. Nach dem Gottesdienst sitzen die Shtufis in größerer Runde wieder in der Wohnung im Stuttgarter Westen zusammen. „Je später die Stunde umso lustiger wird es“, versichert die Studentin Kristjana Shtufi. Und am ersten und zweiten Weihnachtsfeiertag? „Geht es mit gegenseitigen Besuchen weiter. Manchmal sehen sich die gleichen Menschen an einem Tag an zwei oder drei verschiedenen Orten in Stuttgart“, sagt die 21-Jährige. Und immer ist der Esstisch reich gedeckt, voller Weihnachtsspezialitäten. An den Tagen wird viel gelacht und viel gefeiert. Einen kleinen Wehmutstropfen aber gibt es doch, vor allem für Mutter Hana Shtufi, deren Familie ganz im Kosovo geblieben ist. „Ich denke an den Weihnachtstagen mit viel Sehnsucht an meine Familie.“ Hana Shtufi wischt sich eine Träne aus den Augenwinkeln. Bis zum Wiedersehen muss sie warten bis zum Sommer.