„Eine überragende Resonanz“, attestierte Andreas Holzem, Dekan der Katholisch-Theologischen Fakultät an der Eberhard-Karls-Universität Tübingen, der Vortragsveranstaltung mit Michael Blume, dem Antisemitismusbeauftragten des Landes Baden-Württemberg, am Dienstagabend. Im Rahmen einer Studienwoche gegen Antijudaismus und Antisemitismus fanden so viele Besucher:innen ihren Weg in den Hörsaal Theologicum, dass viele zusätzliche Stühle in den Raum getragen werden und auch die Stufen als Sitzplatz genutzt werden mussten.
„Sind wir bereit, uns dem Antisemitismus zu stellen, wenn wir uns dafür selbst verändern müssen?“, stellte Blume eingangs die Frage und gab die Antwort: „Nein.“ Jeder wisse immer genau über den Antisemitismus der anderen Bescheid, selbst ändern möchte sich jedoch niemand, gab er zu bedenken. Es dürfe keine Form von gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit oder einen durch Steuergeld finanzierten Dualismus geben, unterstrich Blume und nannte ein Beispiel: Es gebe keine Diskussion darüber, ob sexistische oder rassistische Kunst mit Steuergeld finanziert werden sollte. Bei Künstlern, die in ihrem Werk antisemitische Botschaften vermittelten, gebe es aber genau diese Diskussion.
Blume betonte mehrfach, dass durch Antisemitismus alle bedroht sind. Für ihn gehe es daher nicht um ein Gegeneinander von Religionen, sondern um die Frage, in welcher Art von Regierungssystem die Menschen leben möchten: „Es geht um Demokratie versus antisemitische, faschistische und terroristische Regime“, sagte der Antisemitismusbeauftragte des Landes und hielt fest: „Erneuerbare Energien sind Friedensenergien.“ Die Unterstützung autoritärer Regime, deren Basis fossile Energien sind, müsse enden.
Mitleid mit verfolgten Gruppen sei fehl am Platz, fuhr Blume fort. Gefragt seien vielmehr klare und nachvollziehbar Haltungen. „Wir sollten denen helfen, die unsere Hilfe brauchen“, sagte Blume und forderte in dem Zusammenhang die Festlegung eines Stichtages für einen Abschiebestopp von Jesid:innen, die bei ihrer Flucht vor dem IS-Terror unter Todesgefahr nach Deutschland kamen.
Im Anschluss an den Vortrag des Antisemitismusbeauftragten moderierte Claudia Guggemos, Leiterin der Katholischen Erwachsenenbildung im Landkreis Reutlingen, ein Podiumsgespräch, an dem neben Blume auch Susanne Jakubowski vom Vorstand der Israelitischen Religionsgemeinschaft Württemberg, Jean Ehret, Gründungsdirektor der Luxembourg School oft Religion & Society, der Rabbiner Asher J. Mattern und Alon Bindes von der Jüdischen Studierendenunion Württemberg teilnahmen. Dabei gab es auch für das Publikum ausreichend Gelegenheit, Fragen zu stellen, so dass die Veranstaltung eine gute halbe Stunde länger als geplant dauerte.