Arm zu sein heißt nicht nur, kein Geld zur Verfügung zu haben. Wer von Armut betroffen ist, hat auch deutlich weniger Perspektiven. So schaffen Schülerinnen und Schüler aus ärmeren Familien häufig keinen höheren Schulabschluss. Gerade im reichen Baden-Württemberg bestimmt der soziale Status des Elternhauses nach wie vor über den Erfolg beim Schulabschluss der Kinder. Fast jedes 5. Kind lebt mit diesen gravierenden Nachteilen, denn fast jedes 5. Kind im Südwesten ist von Armut betroffen oder bedroht.
Armut darf sich nicht im Lebensverlauf der Schülerinnen und Schüler verfestigen
Die Corona-Pandemie verschärft die Kinder- und Familienarmut zudem. Wie kann diesem strukturellen Problem begegnet werden? Wie kommen wir zu einem gerechten Bildungssystem, in dem alle Kinder und Jugendliche Chancen auf ein gelingendes Leben haben? Das stellte das Bündnis zur Bekämpfung von Kinderarmut in Baden-Württemberg "Mach dich stark" mit zahlreichen Veranstaltungspartnern bei einer digitalen Veranstaltung mit Vertretern der Politik, Wissenschaft und Betroffenen zur Diskussion. Ein Fazit: Es ist enorm wichtig, dass sich Armut nicht im Lebensverlauf der Schülerinnen und Schüler verfestigt.
Es braucht eine Grundsatzentscheidung, Prävention systematisch betreiben zu wollen
„Wir müssen Mütter und Väter in ihrer elterlichen Verantwortung stärken“, erklärte Elisabeth Stauber, Leiterin des Fachbereich Soziales in Tübingen, die in der Universitätsstadt ein Präventionskonzept gegen Kinderarmut entwickelt und umgesetzt hat. „Am Beginn muss die Grundsatzentscheidung der Räte und Verwaltungen stehen, eine Prävention gegen Kinderarmut systematisch betreiben zu wollen.“ In einem zweiten Schritt empfehle es sich sehr, die Familien als Experten in eigener Sache zu hören und zu beteiligen, so die Expertin vor den über 300 Teilnehmenden der digitalen Veranstaltung.
Die Autorin Undine Zimmer verdeutlichte anhand ihrer eigenen Biografie, was es bedeutet, als Kind von langzeitarbeitslosen Eltern mit Erfahrungen von Mangel in einer reichen Gesellschaft aufzuwachsen. „Herkunft prägt uns bis in Ausbildung, Studium oder Beruf. Viel zu oft wird die Schuld für Abbrüche und scheiternde berufliche Biografien ausschließlich auf die Betroffenen verlagert. Die Strukturen, die dahinter wirken, haben viele nicht im Blick“, so Zimmer.
Thema muss politisch ressortübergreifend behandelt werden
Ein Bildungssystem zu schaffen, das unabhängig vom Einkommen der Eltern für gelingende Bildungsverläufe sorgt – das formulierten die geladenen Kandidaten zur Landtagswahl von Bündnis 90/DieGrünen, CDU, SPD, FDP und Die Linke einstimmig als ein wünschenswertes Zukunftsbild. Eine Vision, die mit der frühen Stärkung der Familien beginnt, die Qualität in der frühkindlichen Bildung fördert, armutssensible Bildungsorte schafft und langes gemeinsames Lernen genauso wie bedarfsgerechte Beratung sicherstellt – so diskutierten die Kandidaten.
Ein Baden-Württemberg ohne Kinderarmut zu denken, dafür sei das Thema politisch ressortübergreifend zu behandeln. Und auch die Kommunen seien mit Wissen und finanziellen Mitteln auszustatten, dass sie der Aufgabe der Förderung gerecht werden können und nicht der Wohnort über förderliche Angebote für von Armut betroffene Kinder bestimmt.