Braucht die Demokratie überhaupt die Religion? Diese Frage stellen die katholische und die evangelische Kirchengemeinde in Bad Waldsee sowie ihre Kooperationspartner am 4. Dezember an Thomas Söding. Der Seniorprofessor für Neues Testament an der Ruhr-Universität Bochum und Vizepräsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK) blickt im Vorab-Interview auf die Reformbemühungen innerhalb der katholischen Kirche und skizziert seine Antwort auf die Frage nach der Funktion der Kirchen in einer immer stärker säkularisierten Gesellschaft.
Herr Professor Söding, Sie waren als Theologe sowohl beim Synodalen Weg in Deutschland und bei der Weltsynode in Rom aktiv dabei. Gab es da auch Themen, die für Menschen außerhalb der verfassten Kirche relevant sind?
Die katholische Kirche ist die größte Organisation der Welt. Sie ist trotz zurückgehender Zahlen auch die größte Organisation in Deutschland. Wenn es der Kirche schlecht geht, geht es der Gesellschaft nicht besser. Wenn die katholische Kirche ihre hausgemachten Probleme löst, ist das gut für den Zusammenhalt und für die Solidarität der Menschen im Dorf, in der Stadt, im Land, in Europa, in der Welt. Die katholische Kirche macht sich auf den Weg der Umkehr und Erneuerung. Sie sendet eine wichtige Botschaft aus: Auch ein Riese, der uralt ist, kann sich ändern. Mit Glaube, mit Liebe und mit Hoffnung.
Manche werfen gerade der katholischen Kirche vor, dass sie sich nur mit Strukturfragen beschäftige und die Verkündigung des Evangeliums vernachlässige. Kann man das so gegeneinander ausspielen?
Entscheidend ist die Verkündigung des Evangeliums in Wort und Tat. Entscheidend sind Menschen, die ihr Gesicht für den Glauben, für das Evangelium, für Gott zeigen. In der katholischen Kirche werden das immer der Papst, die Bischöfe, die Priester und Diakone sein. Aber nicht nur. Grundlegend ist das Volk Gottes mit all seinen Mitgliedern. Die Strukturreformen braucht es, damit Menschen, die glaubwürdig sind, auch dort arbeiten und wirken können, wo es zählt.
Sie sind in verschiedenen kirchlichen Funktionen und Ämtern tätig, Sie bilden den theologischen und pastoralen Nachwuchs aus. Was hält Sie persönlich in der katholischen Kirche?
Ich komme aus einer katholischen Familie - in Niedersachsen. Da habe ich nie einen übermächtigen, aber immer wieder einen guten Glauben kennengelernt. Ich schätze es sehr, dass die katholische Kirche eine Weltkirche ist. Ich liebe die Zeichensprache der Liturgie und der Sakramente. Ich finde, dass sie gute Formen hat, das Zeugnis der Bibel und die Lebendigkeit der Tradition mit dem Zeichen der Zeit zu vermitteln, um in aller Freiheit die Wahrheit des Evangeliums zu entdecken. Sie macht nur zu wenig daraus. Sie steht sich selbst im Wege. Deshalb setze ich mich für Reformen ein.