Fastenzeit

Tee trinken - aber nicht abwarten

Pflückerinnen auf der Teeplantage Dammaria nahe Passara: Die Frauen arbeiten unter schwierigen Bedingungen an steilen Hängen und werden nur gering entlohnt. Foto: Kathrin Harms | Misereor

Die Misereor-Fastenaktion nimmt dieses Jahr die Würde der Menschen auf Teeplantagen in Sri Lanka in den Blick.

Unter dem Leitwort „Auf die Würde. Fertig. Los!“ rückt die Misereor-Fastenaktion 2025 beispielhaft ein Projekt der Caritas in Sri Lanka in den Mittelpunkt: Es hat zum Ziel, die Würde einer tamilischen Bevölkerungsgruppe in den Teeplantagen der Insel zu schützen und den Menschen die Kraft zu verleihen, sich für ihre eigenen Rechte stark zu machen.

Die Partnerorganisation von Misereor ist die Caritas Sri Lanka-SEDEC, das soziale und wirtschaftliche Entwicklungszentrum der katholischen Kirche Sri Lankas. Programmmanager Morawakage Anton Priyantha Fernando setzt sich für besonders gefährdete, extrem arme und an den Rand gedrängte Menschen ein, zu denen die Menschen auf den Teeplantagen gehören. Im Rahmen der Fastenaktion war er auf Einladung der Hauptabteilung Weltkirche in der Diözese Rottenburg-Stuttgart zu Gast und berichtete in Schulen über seine Arbeit.

 „Die Schulklassen profitieren von diesem Gastbesuch“, berichtet Sarah Behling-Vogelmann. „Denn den Jugendlichen wird hautnah deutlich, was einzelne Menschen bewirken können.“ Laut der Fachreferentin für Globales Lernen fühlten sich Schülerinnen und Schüler angesichts der vielen Krisenherde auf der Welt oft ohnmächtig – der Besuch vermittle Zuversicht und zeige, dass es sich lohnt, sich als Einzelner einzusetzen. Manche Klassen suchten sich Projekte vor Ort oder organisierten Spendenaktionen, so Behling-Vogelmann.

Im Interview gibt Fernando Einblicke in seine Arbeit und die Beweggründe für sein Engagement.

Herr Fernando, sie arbeiten seit 19 Jahren bei der Caritas Sri Lanka-SEDEC. Was ist Ihre Motivation?

Ich möchte mit meiner Arbeit Menschen helfen. Ursprünglich wollte ich Priester werden, habe dann aber angefangen, für die Caritas zu arbeiten. Ich glaube, Gott hat mir diesen Arbeitsplatz ausgesucht – ich kann auf diese Weise in allen zwölf Diözesen Sri Lankas tätig sein..

Warum sind die Menschen auf den Teeplantagen, die Malaiyaha, eine marginalisierte Minderheit?

Sri Lanka war früher von den Briten kolonisiert. Zu Beginn des 19. Jahrhunderts wollten sie Teile des dichten Regenwalds abholzen, um Tee anzubauen. Dafür haben sie Arbeitskräfte gebraucht und Tamilinnen und Tamilen aus Südindien auf die Insel gebracht. 1823 kamen sie an und wurden auf den verschiedenen Plantagen im Hochland von Sri Lanka eingesetzt.

Viele ihrer Nachkommen leben immer noch dort. Sie sind ziemlich isoliert, denn es dauert, um in die nächste Stadt zu fahren und die Einrichtungen dort zu nutzen. Nicht mehr alle arbeiten als Teepflückerinnen und -pflücker, aber viele sehen es als einzige Möglichkeit an.

Malaiyaha ist ein recht neuer Name für diese Bevölkerungsgruppe, der ihnen eine eigene Identität gibt.

Das Land Sri Lanka

Sri Lanka ist eine Inselnation im Indischen Ozean mit etwa 22 Millionen Einwohnerinnen und Einwohnern, einer reichen und vielfältigen Geschichte und großer kultureller Vielfalt.
Hauptstadt und Währung
Der Regierungssitz des Landes ist de jure Sri Jayewardenepura Kotte, ein Vorort der de facto Hauptstadt Colombo, einer pulsierenden Metropole, die sowohl als wirtschaftliches Zentrum des Landes als auch als kultureller Knotenpunkt gilt. Die Währung Sri Lankas ist die Sri-Lanka-Rupie (LKR).
Sprachen
Sri Lanka ist ein mehrsprachiges Land mit zwei Amtssprachen: Singhalesisch und Tamilisch. Singhalesisch wird von etwa 75 % der singhalesischen Mehrheitsbevölkerung gesprochen, während Tamilisch insbesondere von der tamilischen Bevölkerung und den muslimischen Menschen im Norden und Osten des Landes gesprochen wird einschließlich der Malaiyaha, die wir ins Zentrum der Fastenaktion stellen. Englisch gilt als verbindende Sprache, die in der Schule gelehrt und insbesondere in Verwaltung und Geschäftswesen gesprochen wird.
Kolonialgeschichte und ihre Folgen
Vom 16. bis zum 20. Jahrhundert erlebte Sri Lanka mehrere Phasen der Kolonialisierung. Zuerst wurden die Küstenregionen durch Portugiesen, später durch die Niederlande besetzt, ab 1796 folgte die Kolonialisierung des ganzen Landes durch Großbritannien, das Sri Lanka bis zur Unabhängigkeit 1948 beherrschte. Die Kolonialzeit hinterließ nicht nur architektonische und kulturelle Spuren, sondern prägte auch die ethnische und soziale Struktur des Landes nachhaltig. So wurden während dieser Zeit unter anderem Tamilinnen und Tamilen aus dem südlichen Indien ins Land gebracht und als Teepflücker*innen auf den Plantagen der Hochlandregionen eingesetzt.
Mit den Menschen, die heute noch auf den Teeplantagen leben, arbeitet Caritas Sri Lanka-SEDEC als Partner von Misereor.
 

Wie sieht die Lebenswirklichkeit auf den Plantagen aus?

Die Plantagen liegen in bergigen Gegenden, in denen es viel regnet. Dementsprechend sind die Straßen oft kaputt, da viele nicht asphaltiert sind. Die Malaiyaha leben innerhalb der Plantagen, in Häuserzeilen mit zehn Baracken in einer Reihe. Jede Baracke hat eine Küche und ein Wohnzimmer, in dem bis zu acht Menschen wohnen – Vater, Mutter, Kinder, Großeltern… Die Badezimmer und Toiletten sind nicht an diese Räumen angeschlossen, sondern befinden sich weiter weg.

Im Allgemeinen arbeiten sie täglich von halb neun Uhr morgens bis vier Uhr nachmittags, ohne wöchentlichen Ruhetag. Sie pflücken Teeblätter, die sie in Körbe legen, die an ihrem Kopf und Rücken befestigt sind. Wenn sie es schaffen, an einem Tag 20 Kilo zu pflücken, erhalten sie etwa drei bis vier Euro dafür. Wenn nicht, bekommen sie weniger und der Lohn wird anders berechnet. Es ist sehr harte Arbeit.

Dank ihrer Leistung können die Plantagenbesitzenden Tee von höchster Qualität herstellen. Die Malaiyaha selbst haben allerdings nicht das Geld, um diesen Tee zu genießen. Sie trinken billigen, minderwertigeren Tee. Ihre gesamte Ernährung ist mangelhaft. Auch die medizinische Versorgung ist nicht so gut – und die Malaiyaha sprechen oft eine andere Sprache als das Krankenhauspersonal, das macht die Sache noch schwieriger.

Wie setzt sich Caritas Sri Lanka-SEDEC für die Menschen auf den Plantagen ein?

Wir möchten den Lebensstandard der Menschen verbessern, sie stärken und ihnen helfen, sich aus Isolation und Abhängigkeit zu befreien

Daher gibt es das Selbsthilfekonzept: Wir zeigen den Menschen, wie man zusätzlich zum täglichen Lohn weiteres Einkommen generieren kann. Außerdem tun sich fünf bis zehn Menschen in den Dörfern zu kleinen Spargruppen zusammen: Die Mitglieder sparen gemeinsam Geld und verwalten es. Wenn jemand aus der Gruppe Geld benötigt, um eine Hochzeit zu finanzieren, eine kleine Boutique zu eröffnen oder eine Maschine zu kaufen, dann kann er oder sie einen Kredit ohne Zinsen aufnehmen.

Außerdem erklären wir ihnen ihre Rechte und wie man beispielsweise eine Beschwerde bei der Polizei einreicht. Wir zeigen ihnen, wie man Formulare ausfüllt, Geburts- oder Heiratsurkunden oder einen Personalausweis beantragt. Die brauchen sie für öffentliche Einrichtungen, Vorstellungsgespräche oder wenn sie ihr Kind bei bestimmten Schulen anmelden möchten.

Wir sorgen auch dafür, dass sich pro Gemeinschaft drei Freiwillige finden, die Führungspositionen übernehmen, was die Gruppe stärkt. Und wir helfen dabei, die Siedlungen als Körperschaft registrieren zu lassen. Mit einem eigenen Briefkopf und Siegel haben sie eine gemeinsame Stimme und können leichter mit der lokalen Regierungsbehörde und mit dem Plantagen-Management kommunizieren.

Bei dem Projekt ist Nachhaltigkeit sehr wichtig, da SEDEC nur für drei Jahre in den Siedlungen arbeitet. Die Malaiyaha sollten danach in der Lage sein, die Aktivitäten eigenständig fortzuführen.

Das alles gibt ihnen Würde, es motiviert sie und zeigt ihnen, dass sie die gleichen Rechte wie andere Menschen haben.

Wie ist denn die Situation der jungen Menschen auf den Plantagen?

Es gibt Schulen in den Bergen, allerdings mit rudimentären Einrichtungen. Es ist schwierig, Personal zu finden: Die Lehrenden kommen und gehen, sie wollen an bessere Orte wechseln.

Viele sind aber selbst aus den Plantagen und bringen eine große Leidenschaft für die Kinder mit. Mit Unterstützung der Caritas hat eine Schule eine Ausstellung mit Bildern der Kinder organisiert – es gibt viele talentierte junge Menschen unter den Malaiyaha. Es ist wichtig, dass man Plattformen schafft, wo diese Talente präsentiert werden. 

Die jungen Leute haben dank ihrer Handys auch mehr Wissen als ihre älteren Verwandten. Wenn man sie fragt, ob sie auf den Plantagen bleiben wollen, verneinen sie.

Damit sie bleiben, bräuchte man höhere Löhne. Außerdem ist die Gegend, in der die Teeplantagen liegen, sehr touristisch. Wenn die Regierung dafür sorgen würde, dass dort zum Beispiel Hotels gebaut würden, dann könnten die jungen Menschen dort arbeiten und würden die Teeplantagen nicht verlassen. Auch kulturelle Institutionen wären eine Möglichkeit, denn die Malaiyaha haben ein sehr reiches kulturelles Erbe.

In den letzten Wochen haben Sie Schulen in der Diözese Rottenburg-Stuttgart besucht und dort mit jungen Menschen gesprochen. Welche Eindrücke nehmen Sie mit?

Es gab sehr viele Schülerinnen und Schüler, die sehr interessiert an Sri Lanka waren. Einige waren schon dort, andere wollten mehr darüber erfahren. Ich hatte das Gefühl, dass sie sehr viel Respekt für andere Kulturen haben. Ich sage ihnen am Ende meiner Präsentationen, dass sie sehr wohl eine Rolle in der internationalen Zusammenarbeit spielen – sie tragen dazu bei, dass es einen Dialog über diese Themen gibt.

Was bedeutet Tee für Sie?

Für mich ist Tee ein soziales Getränk: Man nimmt einen Schluck und unterhält sich. Ich denke aber auch an die Menschen, die den Tee produzieren und dass ich ihnen zu einem besseren Leben und mehr Selbstvertrauen verhelfen möchte. Ich würde mir wünschen, dass möglichst viele Menschen in Deutschland dieses Anliegen teilen.

Mehr über Morawakage Anton Priyantha Fernando

Als Programmverantwortlicher bei Caritas Sri Lanka-SEDEC ist Herr Fernando für die Gesamtkoordination und das Management aller Programme verantwortlich, die unter das Organisationsziel “Integrale menschliche Entwicklung für besonders gefährdete, marginalisierte und extrem arme Menschen” fallen. Misereor unterstützt den Projektpartner in diesem Bereich mit drei Projekten, insbesondere dem Green Gold Harvesters Projekt (GGH), das sich für die Achtung und die Stärkung der Würde von Teeplantagenbewohnerinnen und -bewohnern einsetzt.
Werdegang und akademische Qualifikationen
Der 47-Jährige verfügt über einen Bachelor in Philosophie und einen Master in sozialer Arbeit. Er absolvierte ein Trainingsprogramm zu Menschenrechten und Diplomatie in Australien sowie ein Training zu Konflikttransformation in Deutschland.
Bei Caritas Sri Lanka-SEDEC arbeitete er als Nationalkoordinator des Tsunami-Nothilfeprogramms sowie als Programmbeauftragter der Abteilung für soziale Gerechtigkeit und nachhaltigen Frieden, bevor er die Aufgabe des Programmmanagers für das Gesamtprogramm übernahm.

Weitere Nachrichten

Umwelt
Große christliche Kirchen starten die gemeinsame ökumenische Aktion "Handys als Kollekte" und regen Gemeinden und Einrichtungen zum Mitmachen an.
Weiterlesen
Familie
Kerzen sind ein wichtiges Symbol für die Erestkommunion und begleiten die Kinder ihr lebenlang.
Ein Tag voller Licht und Hoffnung für Kinder, Angehörige, Freund:innen und die gesamte Gemeinde.
Weiterlesen