Geschichte

Aufruhr der Bauern und ein resignierter Abt

Wie in einem Wimmelbild  zeichnete der Abt Szenen des Bauernkriegs.

Die Bauern versammeln sich vor den Toren des Klosters Weißenau, während der Abt mit seinen Mönchen nach Ravensburg flieht - Bild: Weißenauer Chronik des Bauernkrieges von 1525

Bauernkrieg vor 500 Jahren in Oberschwaben ums Kloster Weißenau und in der Region um Heilbronn - Landesausstellung in Bad Schussenried.

An der Politik muss sich dringend was ändern. Da sind sich die oberschwäbischen Landwirte einig. Vorschriften und Abgaben gefährden ihre Existenz. Mehrere heftige Unwetterkatastrophen mit massiven Ernteausfällen verschärfen die Situation. Außerdem greifen seit einiger Zeit alternative Theorien um sich, spalten die Gesellschaft und bringen das etablierte System zunehmend ins Wanken. Die Bauern wissen sich nicht anders zu helfen. Sie gehen auf die Barrikaden. Was den einen oder die andere an die Proteste der Landwirte und den politischen Aschermittwoch im vergangenen Jahr in Biberach erinnern könnte, beschreibt die Situation 500 Jahre früher.

Im Jahr 1524 begannen die Bauern und ihre Familien nicht als Bürger eines demokratischen Staates zu protestieren, sondern als Leibeigene ihrer Herrschaften - darunter auch Geistliche wie der Weißenauer Abt Jacob Murer. Dieser empfand in christlicher Nächstenliebe eine Verantwortung gegenüber seinen leidenden Untertanen, konnte letztlich aber auch nicht aus seiner Rolle als Lehnsherr heraus. In dieser Spannung zeichnete er die damaligen Geschehnisse bildlich auf und beschrieb sie in seiner Chronik. Murer gilt heute als einer der wichtigsten Zeitzeugen des Bauernkriegs in der Region Oberschwaben.

Reformatorische Lehren untergraben die hierarchische Autorität

Während Herzog Ulrich im württembergischen Stammland erst nach seiner Rückkehr 1534 die Reformation einführte, kursierte die lutherische Lehre bereits in einigen Freien Reichstädten wie Biberach und in der bäuerlichen Bevölkerung. Das berichtet Professor Peter Rückert, Direktor des Hauptstaatsarchivs Stuttgart, in einem Beitrag über Abt Jacob Murer. Er beruft sich dabei auf verschiedene, unter anderem lokale Quellen. Luthers Rede von der Freiheit der Christenmenschen und der unmittelbaren Gnade Gottes griff auch die Klöster an, die durch Messfeiern, Reliquien und Prozessionen als heilige Orte und Heilsvermittler galten.

1523 im Alter von 55 Jahren Abt geworden, griff Jacob Murer in der Zeit anhaltender Missernten zu einer aktuellen Methode. Er verteilte an seine hungernden Untertanen eine Art "Sondervermögen" zur Essensbeschaffung, mit dem er sich bei Ravensburger Stadtbürgern hoch verschuldete. Als sich die Bauern zu "Haufen" zusammentaten und sich gegen ihre Herren erhoben, suchten anfangs etliche aus den zum Kloster gehörenden Ländereien - meistens nachts - Rat beim Abt, wie sie sich verhalten sollten. Als Gegenleistung für seine Barmherzigkeit erwartete dieser von seinen Untertanen, dass sie ihm die Treue halten.

Treueschwüre sind von kurzer Dauer

Auf dem Weg nach Ulm ließ der Prämonstratenser auch in Ummendorf, wo er zuvor Pfarrer war, darüber abstimmen. "Also hoben sie alle ihre Finger, sie wollten bei mir bleiben, bis auf den Obermüller Klaus", schrieb Murer - in heutige Sprache übertragen - in seine Chronik. Daraufhin spendierte er in den beiden örtlichen Wirtshäusern Brot und Wein. "Kaum, dass der Abt am nächsten Tag weiterritt, liefen die Bauern nach Baltringen zum dortigen Haufen und fielen von ihm ab", erzählt Rückert den Fortgang. Auch an anderen Orten kam der enttäuschte Abt mit seiner Diplomatie nicht weiter. Er musste sich ins Kloster zurückziehen. Der Aufruhr war nicht mehr zu stoppen.

Murer befürchtete, dass "die Bauern in das Gotteshaus gehen und vor mir stehen und von mir verlangen, ihnen zu schwören, dass ich auch bäuerisch wäre." Deshalb packte er Reliquien, Silberschätze sowie wichtige Urkunden und ließ sie in den Weißenauer Hof der Abtei innerhalb der Ravensburger Stadtmauern bringen. Auch er und fast alle seiner Chorherren zogen sich dorthin zurück. Die Plünderung des Klosters konnte der Abt nicht verhindern, aber von Brand und Zerstörung blieb die Weißenau verschont. Auch Murers ehemaligen Pfarrhof in Ummendorf verwüsteten die Bauern und nahmen das Getreide mit, wie er berichtet.

Barmherzigkeit und Milde zeigen nicht die erhoffte Wirkung

Als der Schwäbische Bund im April 1525 gegen die Bauern loszog, wendete sich das Blatt. Zum einen empfand Abt Murer Genugtuung, als das Bundesheer den Aufständischen in Ummendorf wieder alles abnahm - auch ihre Waffen. Der Heerführer Georg Truchsess von Waldburg, auch als Bauernjörg bekannt, ließ sie dem Weißenauer Abt Gehorsam schwören. Murer setzte sich andererseits aber für ihre baldige Freilassung ein. "Sein Gewissen hatte seinen inneren Konflikt hier zugunsten von Barmherzigkeit und Verzeihen entschieden", resümiert Rückert. Dankbarkeit erhielt er von den Untertanen dafür jedoch nicht.

Nur mithilfe von Ravensburger Landsknechten ließ sich aus Sicht des Abtes die Ordnung wieder einigermaßen herstellen. Vermutlich lag es auch an diesem äußeren Druck, dass die Bauern, wie ihr Lehnsherr, offiziell beim alten Glauben blieben und nicht den reformatorischen Lehren folgten. Ganz beruhigt hat sich das Verhältnis zwischen Abt Jacob Murer und seinen Untertanen auch in der Folgezeit nicht. Rückert verweist auf die große Armut der Bauern, die kaum Abgaben leisten konnten. Und auch der Weingartener Vertrag zwischen dem Bauernjörg und dortigen Bauernführern, der ihnen einige Rechte zusicherte, verschaffte vor allem der Obrigkeit Ruhe.

Die Überlieferung eines Einzelnen und die andere Perspektive

Der Bauernkrieg hinterließ einen resignierten Weißenauer Abt. "Die Bauern waren ihm gegenüber wortbrüchig geworden, sie hatten 'Brief und Siegel' gebrochen, sie konnten ihm keine verlässlichen Vertragspartner mehr sein", schreibt der Landeshistoriker. "Murers Vertrauen in seine Bauern war verloren." Hätte einer der untergebenen, armen und hungernden Bauern über die neuen Glaubenslehren, den Aufbruch, seine Hoffnungen und schließlich über die Niederlage geschrieben, stünde hier eine ganz andere Geschichte. Um sich ein Urteil über die Zeit vor 500 Jahren - und auch über heutige Ereignisse - zu bilden, gilt es daher unterschiedliche Perspektiven zu berücksichtigen.

„Weinsberger Blutostern“

Ein dramatisches und folgenreiches Ereignis steht im Heilbronner Raum beim Gedenken an den Bauernkrieg vor 500 Jahren im Mittelpunkt. Es sorgte einst landesweit für Aufsehen: Am 16. April 1525, einem Ostersonntag, nahm ein kämpferischer Bauernhaufen auf seinem Marsch die Burg und die Stadt Weinsberg ein. Die Bauern jagten den Grafen Ludwig von Helfenstein, der die Stadt verteidigen sollte, mit seinen Rittern durch die Spieße. Das war eine unehrenhafte Todesstrafe. Dieses Kapitel in der Geschichte des Bauernkriegs ist seitdem als „Weinsberger Blutostern“ bekannt. Das Ereignis hinterließ Eindruck. So öffnete die Reichsstadt Heilbronn den aufständischen Bauern die Tore. Diese plünderten daraufhin die Kommende des Deutschen Ordens.

Mit dem Spektakel „Blutostern 1525 – Aufstand zwischen Sulm und Weibertreu“ erinnert die Stadt Weinsberg zusammen mit der Stadt Neckarsulm und der Gemeinde Erlenbach an das historische Geschehen. Vom 2. bis 4. Mai werden zentrale Begebenheiten nachgespielt. So können Besucherinnen und Besucher sich einem Bauernhaufen auf seinem Marsch von Neckarsulm über Erlenbach nach Weinsberg anschließen und das Leben auf der Burg Weibertreu bei einem historischen Lager nacherleben. Außerdem gibt es anlässlich des Bauernkriegsjubiläums ein Jahresprogramm mit weiteren Veranstaltungen.

UFFRUR! Utopie und Widerstand im Bauernkrieg 1524/25

Ausstellung im Kloster Schussenried

500 Jahre Bauernkrieg – im ganzen Südwesten kämpften die Bauern damals um Freiheit, Menschenrechte und Partizipation. Vom Schwarzwald bis in den Odenwald, vom Allgäu bis in den Kraichgau setzten sich die Bauern gegen die Ausbeutung und Unterdrückung durch Adel und Klerus zur Wehr. Sie griffen schließlich auch zu gewaltsamen Mitteln. Zahlreiche Burgen und Klöster wurden geplündert und niedergebrannt. Doch die Gegenseite behielt am Ende die Überhand: mehrere Zehntausend Bauern fanden in den Kämpfen den Tod.
 
Von diesen Geschehnissen der Jahre 1524/25 erzählt bis 5. Oktober 2025 die Große Landesausstellung „UFFRUR! Utopie und Widerstand im Bauernkrieg 1524/25“ im Kloster Schussenried. Auch das Kloster selbst war von den Unruhen betroffen. Die Ausstellung verbindet zahlreiche Originalexponate wie die berühmte Weißenauer Chronik mit ihren detaillierten Zeichnungen mit einem elaborierten Storytelling. Acht Persönlichkeiten des Bauernkriegs werden, auch mit Hilfe Künstlicher Intelligenz, zum Leben erweckt.

Diese Figuren sind keine „historisch getreuen“ Rekonstruktionen, sondern verbinden die Ästhetik von Kleidung und Habitus des 16. Jahrhunderts mit einer zeitgemäßen Bildsprache. Thematisiert werden die damalige Krisensituation, die strenge Gesellschaftsgliederung dieser Zeit und vieles mehr. Auch die Frage, was die aufständischen Bauern für die gesellschaftlichen Herausforderungen unserer Zeit bedeuten können, wird in der Ausstellung immer wieder angesprochen. Erstmals werden zudem neue und höchst spannende Erkenntnisse der sogenannten Schlachtfeld-Archäologie präsentiert.

"UFFRUR! ... on the road"

Neben der Landesausstellung gibt es auch ein mobiles Geschichtsprojekt anlässlich des Bauernkriegsjubiläums. Mit einer Roadshow bringt das Landesmuseum Württemberg die historischen Ereignisse als buntes Theater- und Musikspektakel an mehrere Schauplätze des Bauernkriegs, wie es in einer Ankündigung heißt. Die Stationen und Termine finden sich im Internet.

Darüber hinaus erinnern unzählige lokale Veranstaltungen im ganzen Land an den Bauernkrieg vor 500 Jahren.

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