Trotz all ihrer Schattenseiten: Die Corona-Pandemie hat einigen den Wert der Entschleunigung vor Augen geführt. Diese Erfahrung ist für Pfarrer Klaus Kempter ein Beleg dafür, dass das Auszeithaus Hohenlohe gebraucht wird. Nach Jahren der Überlegungen und Planungen geht das Vorhaben jetzt in die Umsetzung: Der Umbau des ehemaligen Dorfgasthauses „Rose“ in Wohlmuthausen, einem Dorf im Hohenlohekreis, hat begonnen.
Das Gebäude wird kernsaniert, wie Andreas Grathwohl erklärt. Wände, Decken, Bodenbeläge – alles, was nicht mehr verwendet werden kann, wird derzeit zurückgebaut. Nach den Abbrucharbeiten sollen in dem Gebäude Zimmer unterschiedlicher Kategorie, ein Speise- und Begegnungssaal sowie eine Gemeinschaftsküche entstehen, erläutert Andreas Grathwohl die Pläne.
Ihm und seiner Frau Tanja gehört die ehemalige Gaststätte. Das Paar hatte auch die Idee für das Auszeithaus. Als Inspiration diente das Auszeithaus beim Kloster Reute in Oberschwaben. „Ich fand den Gedanken faszinierend, ein niederschwelliges Angebot anzubieten für Menschen, die sich neu auszurichten versuchen“, sagt Andreas Grathwohl. Der Lehrer für Religion und Deutsch entwickelte seine Idee mit Pfarrer Klaus Kempter, Leiter der Seelsorgeeinheit Öhringen-Neuenstein, weiter.
Wie beide berichten, ermutigten die Erfahrungen auf der Landesgartenschau in Öhringen im Jahr 2016, die Andreas Grathwohl mit den Imkern, Pfarrer Klaus Kempter mit der Kirchengemeinde gesammelt hatten, dazu, das Projekt anzugehen. Denn das Engagement zeigte, dass man auch ein größeres Vorhaben erfolgreich umsetzen könne, sagt Klaus Kempter. So wurde im Jahr 2018 der Verein „Auszeithaus Hohenlohe“ gegründet.
„Wir vom Verein Auszeithaus Hohenlohe e.V. sind Frauen und Männer, die sich aus dem christlichen Menschenbild heraus für den Einzelnen engagieren. Unabhängig von Religion, Herkunft und sozialem Status“, heißt es auf der Internetseite des Vereins. Vorsitzender ist Klaus Kempter. Laut dem Pfarrer zählt der Verein aktuell zwischen 90 und 100 Mitglieder.
Der Verein soll den Betrieb des Auszeithauses durch Mitgliedsbeiträge, Spenden und die Unterstützung von Sponsoren tragen. Den Umbau übernimmt das Paar.
Die Menschen kommen nicht, um Urlaub zu machen, wie Klaus Kempter erklärt: „Das Auszeithaus wird kein Hotel.“ Das Auszeithaus richtet sich vielmehr an Menschen, die Abstand von den Alltagsbezügen brauchen, um in ihrem Leben etwas zu verändern oder einen wichtigen Schritt zu gehen. Die Zielgruppe sei breit gefächert, erklärt Klaus Kempter. „Das Auszeithaus ist keine Therapieeinrichtung, aber trotzdem ein Ort, wo die Menschen Heilsames erleben. Es ist keine Wellness-Einrichtung, aber ein Ort, wo es ihnen gut geht. Es ist kein Exerzitienhaus, aber eine spirituelle Quelle“, beschreibt er.
So gehört eine professionelle Gesprächsbegleitung zum Beispiel durch Seelsorger oder Coaches zum Konzept. „Wichtig ist auch das Aufnahmegespräch“, sagt Roman Ecker, Leiter der Katholischen Erwachsenenbildung Hohenlohekreis und Mitglied im Vereinsvorstand. Dabei soll ausgelotet werden, ob das Auszeithaus überhaupt das geeignete Angebot für den Betreffenden ist und was dieser braucht. Ehrenamtliche sollen mitarbeiten. Sie können zum Beispiel einmal eine Wanderung anbieten.
Das Auszeithaus wird für insgesamt neun Personen Platz bieten. Wenn alles klappt, können ab Herbst 2021 die ersten Gäste das Angebot nutzen. Bis dahin müssen nicht nur die Honorarkräfte gefunden werden, die die Gesprächsbegleitung übernehmen. Der Verein will auch mögliche Förderer ansprechen.
Auf Interesse ist das Auszeit-Angebot zumindest schon einmal gestoßen. Andreas Grathwohl und Klaus Kempter berichten von ersten Anfragen, obwohl das Haus noch gar nicht fertig ist.