In Mayschoss werden zurzeit viele Häuser von Schlamm und Dreck befreit und einige Häuser werden auch abgebrochen, da sie akut einsturzgefährdet sind. Viele der Bewohner sagten uns, dass Sie den Ort verlassen wollen, nachdem die Häuser abgerissen sind.Darüber hinaus hätten nur 40 Prozent der Hauseigentümer eine Gebäudeschutzversicherung, die Hochwasser abdeckt, wie uns der Bürgermeister sagte. Für viele ist es nicht finanzierbar, das Haus zu sanieren oder gar ein neues Haus zu bauen“, berichtet Rademacher.
Und der Rottenburger fährt fort: „Der Schlamm birgt allerdings auch noch Opfer, wie ein Baggerfahrer in der Nähe des Hotels Löchmühle bitter erfahren musste. Er wollte das Haus nur von Schlamm befreien, als er plötzlich eine Leiche in seiner Baggerschaufel hatte. Wir wurden sofort zu dem Einsatzort gerufen, um den Baggerfahrer, den Laster-Fahrer und eine Gruppe jugendlicher Helfer zu betreuen.
Ich wusste ja, dass ich jederzeit eine Leiche finden kann,
aber ich hatte gehofft, dass ich davon verschont bleibe.
Der Baggerfahrer meinte zu mir: ‚Ich wusste ja, dass ich jederzeit eine Leiche finden kann, aber ich hatte gehofft, dass ich davon verschont bleibe.‘ Es ist schwer, mit dem Anblick und dem Geruch einer gut zehn Tagen alten, in Schlamm begrabenen Leiche umzugehen. Und so betreuten wir drei Notfallseelsorger in den zurückliegenden drei Tagen insgesamt zwölf Personen, die damit konfrontiert wurden. Und noch jetzt sucht die Polizei mit Spürhunden nach weiteren Opfern, denn in jedem noch nicht erkundeten Haus, in jedem Fahrzeugwrack kann noch ein Opfer liegen.“
Viele Fragen müssen aufgearbeitet werden, damit die Menschen irgendwann Frieden finden
Olaf Digel, Notfallseelsorger und evangelischer Pfarrer aus Neckarweihingen sowie Leiter des Einsatzkräfte Nachsorge-Teams und Bezirkskoordinator für den Bereich Ludwigsburg, stellt fest: „Ich arbeite seit 20 Jahren als Notfallseelsorger, aber dort gibt es Situationen jenseits alles dessen, was ich schon erlebt habe. Und die schiere Größe des betroffenen Gebiets gibt dieser Katastrophe eine ganz andere Dimension.“
Und er fährt fort: „Ich habe die psychische Verfassung der Menschen als sehr verschieden erlebt. In einer Situation habe ich zum Beispiel ein junges Paar gesehen, das mitten im Schlamm, mitten in der Überflutungszone ein Bäumchen gepflanzt! Andere arbeiten mit dem Mut der Verzweiflung immer weiter. Manche finden wirklich unglaubliche Kraft. Aber vielen geht es auch sehr schlecht, sie erleben tiefe Angst und Ohnmacht – und auch Wut: Mussten meine Angehörigen wirklich sterben? Hätten man nicht früher evakuieren können? Diese Fragen müssen aufgearbeitet werden, damit die Menschen irgendwann Frieden finden.“
Die Fernsehbilder können die Wucht der Zerstörung nicht abbilden
Auch Regina Wacker, Referentin für Notfallseelsorge der Diözese Rottenburg-Stuttgart und der Erzdiözese Freiburg, war mit vor Ort und wurde mit dem Thema „Tod“ konfrontiert und auch sie stellt fest: „Hier sind die immer noch die unglaublichen Auswirkungen des Hochwassers zu sehen und zu spüren: Kein Strom im Haus der Betroffenen bis auf ein Notstromaggregat, das Strom für eine Tischlampe liefert. Weiteres Licht bietet eine Taschenlampe, mehr nicht. Und uns wird klar, dass die Bilder, die wir aus dem Fernsehen kennen, nicht wirklich die Wucht der Zerstörung wiedergeben. Nachdem das verheerende Hochwasser nun drei Wochen zurückliegt, realisieren die Betroffenen so langsam, was ihnen widerfahren ist. Von einem Moment auf den anderen haben viele Menschen einen Angehörigen und ihre Lebensgrundlage verloren. Das gilt es zu verarbeiten. Das braucht Zeit.“