Seelsorge

Begegnung auf Augenhöhe

Drei Schülerinnen im adventlich gestalteten Meditationsraum.

Der Meditationsraum ist von den Schülerinnen Fabienne, Regina und Magdalena weihnachtlich gestaltet worden. Foto: DRS /Angelika Witczak

In der Berufsschule in Wangen arbeiten Schüler:innen und Lehrkräfte mit Elan und Begeisterung an Projekten der Schulseelsorge (nicht nur) im Advent.

Im Schulflur sind die Türen verschlossen - bis auf eine. Eine Tür ist weit geöffnet und führt in einen gemütlich eingerichtet Raum. Zentral in der Mitte steht ein geschmückter Weihnachtsbaum, quer durch den Raum schlängelt sich eine Lichterkette mit Fotos. Sie endet an einem Kreuz. Zum Sitzen dienen Sessel und Holzstämme, die Fensterbank und andere Flächen sind weihnachtlich geschmückt. Selbst die Wand ist etwas Besonderes: Holzbalken scheinen regelrecht aus ihr herauszuwachsen.

Der Meditationsraum ist von den Schülerinnen Fabienne (17),  Regina (16) und Magdalena (17) weihnachtlich gestaltet worden. Sie gehören zu der 11. Klasse von Schulseelsorger Rolf Maier. Das ganze Jahr über ist er für die Schüler:innen und Lehrkräfte der Berufsschule in Wangen da und veranstaltet Projekte wie Prüfungsworkshops, die Aktion Goldhandy, Projekte zur Fairtrade-Schule, Seminare zum Gender-Pay-Gap oder verbindet die Gemeinde und die Abiturienten mit der Gebet-Aktion „Abikerze“. Die meisten Projekte sind von den Schüler;innen eingebracht und gestaltet. So auch die Adventsaktionen des gestalteten Meditationsraums und des digitalen Adventskalenders. Beide Aktionen sind von der 11. Klasse kreativ und mit einigen Hintergrundüberlegungen umgesetzt worden. „Wir machen das freiwillig und deshalb mit besonders viel Liebe und Elan“, kommentiert Fabienne ihre Arbeit mit funkelnden Augen.

Die Gestaltung des Raums

„Die Lichterkette endet nicht ohne Grund am Kreuz“, erklärt Regina. „Jesus ist das Licht der Welt. Daran soll sie erinnern.“ An ihr hängen Bilder von Situationen, die verbinden. Denn das Thema des adventlichen Meditationsraums ist „was uns Menschen verbindet“. Dieser Wunsch sei explizit von der Klasse gekommen, obwohl der Schulseelsorger schon etwas anderes im Hinterkopf hatte.

Der Tannenbaum in der Mitte ist der ganze Stolz der Schülerinnen. „Der gehört einfach dazu und soll schon von draußen einladen“, erzählt Magdalena.

Regina findet es schön, dass es so einen adventlichen Rückzugsraum für die Schüler:innen gibt: „Hier kann man zur Ruhe kommen, sich auf Weihnachten, die Geburt von Jesus, vorbereiten und in adventliche Stimmung kommen.“

Besonders wichtig sei den Schüler:innen der 11. Klasse, dass sowohl der Raum als auch der Adventskalender für jeden offen steht. Das adventliche Angebot solle auch Mitschüler:innen anderer Religionen und Überzeugungen ansprechen, sagt Fabienne, und vor allem die, die zu Hause Weihnachten und die Adventszeit nicht genießen können.

Der Raum werde gut angenommen, berichtet Schulseelsorger Rolf Maier. In fast jeder Pause seien ein paar Schüler:innen um den Tannenbaum versammelt und entspannen in den bequemen Sitzgelegenheiten.

Gerne kommen die Schüler:innen auch zum offenen Austausch mit Maier, der zu bestimmten Zeiten im Raum sitzt, weihnachtliches Gebäck verteilt und sich zum Plaudern bereit hält. „Wir waren vor ein paar Tagen erst da. Unsere Klassenarbeit lief nicht so gut und dann waren wir froh, jemanden zum Reden zu haben. Das hat die Spannung raus genommen“, erzählt Magdalena.

Projekt „Offenes Ohr“

Der Raum wird aber auch für andere Aktionen genutzt. Beim Projekt „Offenes Ohr“ bieten speziell geschulte Schuler:innen Gespräche an. „Die Schüler:innen haben einen großen Redebedarf und das spürt man auch“, erklärt der Schulseelsorger. Besonders nach Corona seien die Schüler:innen besonders belastet, stünden unter mehr Leistungsdruck, seien weniger motiviert und hätten das Gefühl, die Welt breche unter den Krisen zusammen und die Erwachsenen hätten das nicht im Griff, so Maier. „Hier können wir unkompliziert und ohne Termin mit Gleichaltrigen sprechen“, berichtet Fabienne von dem Projekt „Offenes Ohr“.

Auch für die Schüler:innen, die die Gespräche anbieten sei es eine Bereicherung und sie könnten über sich herauswachsen. Denn in ihrer Ausbildung lernen sie, wie sie zuhören ohne direkt mit Ratschlägen zu kommen, erklärt Maier. Ein Schüler habe sogar voller Begeisterung gesagt: „Das kann ich ja auch daheim nutzen!“

Die Hemmschwelle soll möglichst gering gehalten werden. Hier müsse man keine großen Probleme wälzen. In vertraulicher und entspannter Atmosphäre soll einfach die Möglichkeit zum Austausch auf Augenhöhe gegeben sein, erklärt der Schulseelsorger.

Schulseelsorge auf Augenhöhe

Auch für ihn ist die Begegnung auf gleicher Augenhöhe wichtig. Doch das widerspreche eigentlich dem Lehrerberuf, so Maier. Daher falle es ihm auch schwer, Noten zu geben und sowohl den Schüler:innen als auch der Schule gerecht zu werden. „Denn alle sind wertvoll, es geht nicht nur um Noten und Nützlichkeit“, beschreibt es Maier.

Fabienne gefällt diese Begegnung auf Augenhöhe, so komme Rolf Maier sympathisch rüber und auch der Religionsunterricht sei dadurch wesentlich entspannter. Sie freue sich sogar auf den Unterricht und nutze ihn, um im stressigen Schulalltag runter zu kommen. Magdalena ist auch ganz begeistert von ihrem Religionslehrer und Schulseelsorger: „Der Religionsuntericht ist gechillt und ansprechend. Er geht auf uns und unsere Welt ein und wir beschäftigen uns mit Themen, die uns interessieren.“

So versucht Schulseelsorger Rolf Maier, das Interesse an der Religion zu wecken. Denn das laufe nur über Menschen und beispielhaftes Vorleben, erklärt er. Gerade in der heutigen Zeit, wo die Offenheit für Religionen immer mehr schwinde. „Ich konnte meinen Traum, Seelsorger zu sein, an einer Stelle finden, wo ich es nicht erwartet hatte: in der Schule“, sagt Maier mit einem strahlenden Gesicht.

Podcast über die Kategorial Seelsorge

Die Schulseelsorge ist ein Gebiet der Kategorial Seelsorge bzw. der „Seelsorge an vielen Orten“ wie es in der Diözese Rottenburg-Stuttgart heißt.

In der zweiten Staffel des Podcasts Kapellengespräche „mit dir, für dich, bei dir“ geht es um die verschiedene Bereiche der Kategorial Seelsorge. In den Episoden berichten Militär-, Wallfahrts-, Gefängnis-, Notfall-, Fernfahrer-, Polizei-, Camping-, Festival-, und Betriebsseelsorgende sowie Seelsorgende bei Menschen mit Behinderung und bei Verbänden wie den Pfadfindern der DPSG von ihrer Arbeit.

Als Audio und Video sind diese Kapellengespräche verfügbar auf Sondcloud, Spotify und Youtube, sowie in der Audiothek von drs.de.

Von der Kirchensteuer finanziert

Die über 400 Seelsorgenden der Kategorial Seelsorge werden mit Kirchenseteuergeldern finanziert. Als zusätzliches Budget stehen etwa 300.000 Euro pro Jahr zur Verfügung. Bei 100 Euro Kirchensteuer wird etwa ein Euro für die Lebensbegleitung für besondere Saturationen und Berufe eingesetzt.

Mehr zur Verteilung der Kirchensteuer im Dossier.

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