Gedenken

Ergreifendes Erinnern

Ein Gedenkgottesdienst in der Wengenkirche erinnerte an die Ulmer Bombennacht vor 80 Jahren und beschwor den aktiven Einsatz eines jeden für einen gerechten Frieden „in unseren Häusern, unserer Stadt und überall auf der Welt". Foto: drs/Jerabek

Mit berührender Musik und Zeitzeugenberichten, in Gebet und Stille gedachten Ulmerinnen und Ulmer der Opfer der Bombennacht vor 80 Jahren.

„Diese Bilder... - diese Bilder... - ... werde ich in meinem Leben... - ... meinem Leben... - ... nicht mehr vergessen - ... nicht mehr vergessen.“ Stimmen überlagern sich, hallen nach, Erinnerungen brechen sich Bahn: Zwei Sprecherinnen tragen vor, was Menschen, die die Nacht des 17. Dezember 1944 in Ulm erlebten, aufgeschrieben haben: Entsetzen angesichts der Toten - „Gesichter waren aufgedunsen und rot“ oder bis zur Unkenntlichkeit verbrannt -, Unverständnis und Wut ob der Zerstörung - ganze Straßenzeilen verschwunden, tiefe Trichter im Münsterplatz, der Hauptbahnhof eine Trümmerlandschaft...

In seinem „Ulmer Requiem“ hat Dr. Andreas Weil Zeitzeugenberichte und biblische Klagelieder verarbeitet und musikalisch auch für Nachgeborene erschlossen. Das dreisätzige Werk, aufgeführt vom Wengenchor, zwei Schlagwerkern des Theaters Ulms und Gregor Simon an der Orgel entstand vor fünf Jahren, um der Opfer der Bombardierung Ulms zu gedenken. 707 Menschen starben, 613 wurden verletzt, als am nebelnassen dritten Advent 1944 eine Flotte englischer Bomber etwa 600 Tonnen Spreng- und 700 Tonnen Brandbomben abwarf und in 27 Minuten die Altstadt von Ulm in Schutt und Asche legte.

Sich mit Gedanken des Friedens erfüllen lassen

„Die Erinnerung an all die Zerstörung in dieser Nacht soll uns helfen, dass wir heute für den Frieden eintreten und so kurz vor Weihnachten uns von dem kleinen Kind in der Krippe mit Gedanken des Friedens erfüllen lassen, die zu Schritten des Friedens führen", sagte der katholische Ulmer Dekan Ulrich Kloos in der vollbesetzten Wengenkirche. Angesichts der Kriege in diesen Tagen in dieser Welt sei es umso wichtiger, des Leids, das Kriege anrichten, und der Opfer zu gedenken „und im letzten auch der Flüchtlingsbewegungen, die zerstörte Städte und Orte auslösen".

Eindrücklich trug Wengenpfarrer Dr. Michael Estler den Zeitzeugenbericht von Nancy Ruth Loser vor, der langjährigen Wirtin des traditionsreichen „Roten Löwen", die im Frühjahr 2024 im Alter von 94 Jahren starb. Das damals 15-jährige Mädchen hielt sich mit seinen Freundinnen am Abend des 17. Dezember 1944 in der alten Festung oben am Kuhberg auf, als die Sirenen aufheulten. Ihr Überleben der Bombennacht verdankt sie dem Umstand, dass sie nicht sofort nach Hause in die Innenstadt eilte - anders als die Freundinnen, die auf dem Nachhauseweg von Bomben zerfetzt wurden. „Ulm brannte lichterloh, das Feuer konnte bis weit auf die Schwäbische Alb gesehen werden", heißt es in ihren Erinnerungen. Die Gaststätte in der unmittelbaren Nachbarschaft der Wengenkirche „war total zerstört und abgebrannt, als ich dort ankam. Auf den Straßen lagen verkohlte Leichen. Die Innenstadt war verschwunden und nur noch das Münster ragte als Mahnmal aus einer vergangenen Zeit aus dem Feuer."

Frieden fordert aktives Tun

Dass die Ereginisse von damals die Menschen heute mahnen, Frieden nicht als „Naturzustand" zu sehen, „der über uns kommt", sondern dass Frieden „unser aktives Tun" fordert, unterstrich der evangelische Dekan Dr. Torsten Krannich in seiner Predigt. „Unrecht, Übel oder Gewalt geschieht uns nicht nur, sondern wir können immer wieder auch darauf Einfluss nehmen, was wir zulassen, wo wir hin- oder wegsehen, wo wir lieber schweigen oder wo wir die Stimme erheben", sagte Krannich. Den 17. November 1944 ernst zu nehmen, bedeute, „aktiv zu werden in unserem Handeln, damit es Friede wird in unseren Häusern, unserer Stadt und überall auf der Welt".

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