Mit einer zutiefst beeindruckenden Gedenkstunde hat die Stiftung Liebenau an die grausame Ermordung von Menschen mit Behinderungen und psychischen Erkrankungen durch die Nationalsozialisten erinnert. Die einzelnen Elemente waren in einer inklusiven Workshopreihe erarbeitet worden. Außergewöhnlich war nicht nur das neue Format, sondern auch der Teilhabegedanke: Menschen, die in Einrichtungen der Stiftung Liebenau leben oder betreut werden, waren aktiv in die Gedenkkultur einbezogen.
501 Menschen aus Liebenau und Rosenharz wurden in den Jahren 1940/41 von den Nazis in den Gasmordanstalten Grafeneck und Hadamar umgebracht. Jedes Jahr um den 27. Januar, dem nationalen Gedenktag für die Opfer des Nationalsozialismus, erinnert die Stiftung Liebenau an die sogenannte "Euthanasie". "Jeder und jede Ermordete soll gewürdigt und in Erinnerung gehalten werden. Denn diese schrecklichen Dinge dürfen nie wieder geschehen", betonte Dr. Berthold Broll, Vorstand der Stiftung Liebenau, vor etwa 80 Gästen im Kulturschuppen Gleis 1 in Meckenbeuren.
Bewegende Gedenkstunde nach inklusiven Workshops
Workshopreihe als neues Format der Gedenkarbeit
Die Workshopreihe hatte sich über das gesamte Jahr 2023 erstreckt und wurde von der Aktion Mensch gefördert. Die Idee beschrieb die Projektverantwortliche Susanne Droste-Gräff so: "Wir wollten die Ereignisse, die in den Jahren 1940 und 41 stattgefunden haben, in ihrer Bedeutung für die Menschen, die von uns heute betreut und begleitet werden, erfahrbar machen." Ziel sei auch gewesen, "Anzeichen von Ausgrenzung in der Gegenwart wahrzunehmen und handlungsfähig zu sein".
Angeboten waren eine Schreibwerkstatt, ein Foto-Workshop und ein Podcast-Workshop - jeweils unter professioneller Anleitung - sowie Exkursionen nach Grafeneck auf der Schwäbischen Alb und zum Goldbacher Stollen bei Überlingen, in dem KZ-Häftlinge unter erbärmlichen Bedingungen arbeiten mussten. Die Workshops dienten nicht nur der Beschäftigung mit dem Thema, sondern sollten im Sinne der Teilhabe auch weitere Kompetenzen fördern und stärken.
Ausgrenzung geht alle an
Die Gedenkfeier war nun eine lebendige Mischung aus sachlichen Informationen, persönlichen Erfahrungen und emotionalen Statements. Kurze Filmsequenzen auf einer Großleinwand wechselten sich mit Einblendungen von Teilnehmerzitaten, Hörbeispielen aus den Podcasts und live gesprochenen Kurztexten ab. Dazwischen gab es ein Interview mit Kathrin Bauer von der Gedenkstätte Grafeneck. All diese vielschichtigen Gedanken konnten in mehreren Musikbeiträgen des Gitarristen Gregor Panasiuk nachklingen.
"Was geht mich das an?" Die Antwort lieferte in der Gedenkstunde der Blick in die Gegenwart. "Wenn Menschen diskriminiert und ausgegrenzt werden, geht das uns alle etwas an", sagte Susanne Droste-Gräff. Sie verwies darauf, dass Menschen mit Behinderungen wesentlich häufiger Ausgrenzung erleben als Menschen ohne Behinderungen. Umso wichtiger sei es, sich auf die eigenen Stärken zu konzentrieren. Ein Teilnehmer wünschte sich an diesem Nachmittag einfach nur: "Ich will so akzeptiert werden, wie ich bin."