„Auto, Einkaufen, Smartphone“. Mit diesen drei Schlagworten begrüßte Dekanatsreferent Dr. Wolfgang Steffel die Gäste des Bierkonvents: „Das ist gewissermaßen die Dreifaltigkeit des beginnenden 21. Jahrhunderts, die allerdings nicht dem tieferen Wesen des Menschen entspricht.“ Dieser wolle eigentlich nicht ständig herumrasen, sondern sehne sich nach einem Platz zum Verweilen. Es gehe ihm nicht zuerst um das Konsumieren, sondern um das Kommunizieren. Und schließlich sei nicht die dauernde Erreichbarkeit im weltweiten digitalen Netz entscheidend, sondern ein verlässlicher Draht zu Gott. Und genau dies könne heute beim Bierkonvent mit Weggefährten am Tisch und mit einem guten geistlichen Buch erfahrbar werden. Eingeladen hatte das katholische Dekanat Ehingen-Ulm.
Anwälte des Hopfens
Eintauchen in die Geheimnisse des Glaubens
Autor der genannten Lektüre ist der heilige Bernhard, an dessen Gedenktag die Zusammenkunft am Wiblinger Albvereinshäusle nahe Ulm stattfand, genauerhin dessen Traktat „Über die Gottesliebe“. Bernhard ist zwar nicht Gründer des Zisterzienser-Ordens, aber dessen berühmtester Vertreter. Mit 25 trat er ins Kloster von Citeaux ein und brachte gleich 30 Gefährten als künftige Mönche mit. Bald schon wurde er Abt des Klosters in Clairvaux in der Champagne, das er 38 Jahre lang bis zu seinem Tod im Jahre 1153 leitete und dessen Ort dann fest zu seinem Namen gehörte: Bernhard von Clairvaux. So war der Bierkonvent kein bloßer Trinktreff, sondern eine philosophisch-theologische Zusammenkunft, bei der die besondere Atmosphäre des Biergartens am Illerauwald nicht ein tieferes Eintauchen ins Glas, sondern in die Geheimnisse des Glaubens befördern wollte. In den Abend war eine Prozession zur nahegelegenen Binsenweiherkapelle integriert. Die Teilnehmerzahl war aufgrund von Corona auf 60 Personen beschränkt, und die Gäste saßen an fest zugeteilten Garnituren mit sachgemäßem Abstand im Biergarten verteilt.
„Kennt ihr die Telefonnummer Gottes?“, fragte Wolfgang Steffel ins weite Rund. Ein Teilnehmer kannte diesen biblischen Scherz und nannte die Nummer 5015. Diese wird humorvoll auf den Psalm 50, Vers 15 bezogen, wo es heißt: „Rufe mich an am Tag der Not.“ Bernhard zitiert genau diesen Vers in seiner Schrift. Dass Gott immer ansprechbar ist, führe im Menschen zu einem Gefühl des Vertrauens, der Liebe und schließlich zu Dank und Lobpreis Gottes. Denn so weiter im Psalm: „Dann rette ich dich, und du wirst mich ehren.“ Bernhard geht von der Grundthese aus: „Der Grund, Gott zu lieben, ist Gott. Das Maß ist, ohne Maß zu lieben.“ Die Begründung ist äußerst einfach und zugleich einleuchtend: „Da die Liebe, die sich Gott zuwendet, sich dem Unermesslichen, dem Unbegrenzten zuwendet, was könnte die Grenze und das Maß unserer Liebe sein?“ Um die weitere Argumentation abzuschreiten, hatte Wolfgang Steffel die Melodie eines studentischen Trinkliedes mit theologischen Strophen versehen, die er mit Gitarrenbegleitung und Querflötenunterstützung seiner Tochter Katharina nach und nach vortrug.
Bier brauen nach alter Tradition
Das gemütliche Zusammensitzen am Tisch verdichtete Wolfgang Steffel zu einer augenzwinkernden Kennzeichnung des Menschen als „homo rumhocko“. Erst seine Sesshaftwerdung mit geregeltem Getreideanbau vor 12 000 Jahren im Bereich des fruchtbaren Halbmondes vom heutigen Ägypten über Syrien, den Südosten der Türkei und den Irak bis in den südwestlichen Iran habe zur zufälligen Entdeckung des Bieres und später über viele Schritte zum geregelten Brauen geführt. „In einen herumstehenden Getreidebrei gerieten zufällig wilde Hefepilze aus der Luft. Der Zucker verwandelte sich in Alkohol, und plötzlich berauschte dieser Brei angenehm“, so Steffel. Im Norden Europas erfanden die Kelten später das Brauen neu und inspirierten über die iro-schottsiche Mönchsbewegung die Klöster in unseren Breiten.
Heute hört man in Verbindung mit der Braukunst eher von den Augustinern, Benediktinern oder Franziskanern. Indes gehören auch die Zisterzienser zu den etablierten klösterlichen Biervertretern. Nicht nur dass bis heute nach ihrer Art Bier kommerziell von weltlichen Brauereien hergestellt wird, in etlichen Klöstern brauen die Mönche immer noch selbst oder wieder neu in Belebung alter Traditionen. Außerdem gelten sie als die eifrigsten Anwälte des Hopfens, dessen Verwendung erst ab 822 zu belegen ist und der sich erst mit den Zisterziensern voll als herbe, konservierende und Schaum festigende Zutat etablierte. In Ägypten fanden sich ehemals ganz andere Beigaben: Koriander, Kümmel, Kieferzapfen, Aloe, Myrrhe oder Weihrauch. Die Mönche Bernhards richteten als wohl erste Trinkstuben zum Verkauf ihrer Biere ein und haben später im neuen Ordenszweig der Trappisten die legendären Biere hervorgebracht, die vor allem von Belgien her weltweit bekannt wurden. Die meisten Sorten sind höherprozentig, manchen wird Eukalyptus oder Honig beigegeben.
Die verzerrte „Dreifaltigkeit des Zeitgeistes“
Ausgehend vom idealtypischen St. Gallener Klosterplan, in dem gleich drei Brauereien eingetragen sind, erläuterte Dr. Wolfgang Steffel diese Zusammenhänge, um der Eingangs vorgestellten verzerrten „Dreifaltigkeit des Zeitgeistes“ aus Auto, Einkaufen und Smartphone eine geistliche trinitarische Analogie entgegenzusetzten: Die Gottvaterbrauerei braute das Bier für die Mönche, darunter das Starkbier für die Fastenzeit. In der zweiten Gottsohnbrauerei wurde ebenfalls gutes Bier für Gäste, durchreisende Mönche und für den Verkauf hergestellt. Die Gottgeistbrauerei schließlich kümmerte sich um leichteres Dünnbier für die Armenspeisung und das Gesinde – der Geist ist schließlich der „Vater der Armen“.
Dreifaltig ist auch die Herzkammer der Schrift „Über die Gottesliebe“. Die Liebe zu Gott mündet darin, sich vom Dreifaltigen mehr und mehr erfassen und in die Lebensgemeinschaft von Vater, Sohn und Geist aufnehmen zu lassen. Bernhard wurde noch einmal zitiert: „Gott also liebt, und er liebt aus seinem ganzen Sein, da die ganze Dreifaltigkeit liebt.“ Alles mündet in eine Trinkgemeinschaft bei Gott. Bernhard weiter: „Dies, so glaube ich, wird nichts anderes sein als der Sohn Gottes, der umhergeht und bedient.“ Natürlich sei im Neuen Testament (anders als im Alten, wo Bier häufiger erwähnt wird) Jesus nur mit der Symbolwelt des Weines verknüpft, räumte Steffel ein, um prompt ein Wort von Heinrich Böll nachzuschieben: „Wo wie in Irland kein Wein wächst, da dürfen die Heiligen sich Christus als Biertrinker vorstellen.“
Das Team um Albvereinswirtin Petra Stahl servierte leckere Speisen und herzhafte Vesper und reichte Augustiner-Bier. Die beiden anwesenden Bernharde bekamen zu ihrem Namenstag ein Freibier und den Bibelzollstock „Maßstab Mensch“ geschenkt. Auf diesem im Dekanat Ehingen-Ulm 2003 entwickelten speziellen Meterstab ist der heilige Bernhard auf der historischen Seite im Hochmittelalter mit seinem lateinischen Ehrentitel in deutscher Übersetzung zu finden: „Bernhard von Clairvaux, doctor mellifluus, der honigfließende Lehrer“.