Die Laudes am Morgen und die Vesper am Abend betet Monsignore Alfons Waibel jeden Tag gewissenhaft, das politische Geschehen verfolgt er mit Interesse. Und bis vor der Corona-Zeit hat er selbst noch Messen im örtlichen Seniorenzentrum zelebriert. „Ich habe die beste Fürsorgerin, die man haben kann“, sagt der 103-Jährige dankbar mit Blick auf Alexandra Werner, die sich seit 25 Jahren in der Wohnung in Eberhardzell um ihn kümmert. Bei Kaffee und Linzer Schnitten freut er sich über den hohen Besuch anlässlich des seltenen Wiegenfestes, das er am 23. April begehen durfte, und erzählt aus seinem langen Leben.
Erinnert sich Alfons Waibel an die Professoren, die ihn als Student und auch später als Pfarrer geprägt haben, etwa Josef Rupert Geiselmann und Alfons Auer, klingt es nach einem Who's who der katholischen Theologie in Tübingen. Wenn er alte Fotos zeigt, die bis in Kriegs- und Nachkriegszeiten zurückreichen, erwähnt er seine Fremdsprachenkenntnisse aus der Schule, die sich als hilfreich erwiesen. Doch am liebsten erzählt er kleine humorige Anekdoten aus seinem Leben und berichtet von schönen Begegnungen mit Menschen, denen er immer ein zugewandter und pragmatischer Seelsorger sein wollte.
Am 29. Juli 1951 in Ulm-Wiblingen zum Priester geweiht, absolvierte Alfons Waibel seine Vikarsjahre in Spaichingen, Oberndorf und Wachendorf, bevor er 1960 in Allmendingen seine erste Pfarrerstelle antrat. Von 1968 bis 1982 war er Pfarrer in Isny und wirkte dann bis zu seiner Pensionierung als Seelsorger in den Heggbacher Behinderteneinrichtungen der St.-Elisabeth-Stiftung.
Eine große Kerze mit dem goldenen Christus-Monogramm, das in eine rötlich-golden strahlende Sonne eingebettet ist, hat Bischof Krämer dem Jubilar mitgebracht, eine Arbeit der Benediktinerinnen der Abtei St. Erentraud in Kellenried. Kaum ein Symbol könnte besser passen zu diesem Sonntag der Osteroktav, der auch Barmherzigkeitssonntag ist. Alfons Waibel genießt die Wertschätzung, die er erfährt, und gibt sie zurück: „Dass ich noch da bin“, verdanke er neben seiner treuen Hausfrau auch seiner „Leibärztin“ Dr. Heide Freifrau von Lüttwitz, sagt er und lächelt verschmitzt. „Solang ihr auf mich aufpasset, goht’s no weiter.“ Und für seinen Bischof hat er diesen Rat: „Lassen Sie sich durch koi G‘schrei und Gschwätz aus dem Konzept bringen, gehen Sie Ihren Weg.“