Bischof Dr. Gebhard Fürst: Adventsimpuls 2011

An den Beginn und an das Ende meiner Betrachtung zum Advent stelle ich ein Wort des Dichters Andreas Gryphius, der im 17. Jahrhundert gelebt hat. Er sagt:

Mein sind die Jahre nicht,
die mir die Zeit genommen.

Mein sind die Jahre nicht,
die etwa möchten kommen.

Der Augenblick ist mein,
und nehm ich den in acht,
ist der mein,
der Jahr und Ewigkeit gemacht.


Advent ist Zeitenwende. Das alte Kirchenjahr ist beendet, ein neues hat begonnen. Die Feste sind vergangen, mit denen wir die Geheimnisse, die tiefen Wahrheiten unseres Glaubens gefeiert haben: Weihnachten, die österliche Bußzeit, die Nacht des Karfreitags und der Jubel des Osterfests. Pfingsten, das Fest des Heiligen Geistes.

Dies alles hat das vergangene Kirchenjahr festlich geprägt. Aber auch die Mühen und Krisen gehörten dazu – die Sorge, wie christliche Existenz, wie Kirchesein heute glaubwürdig gelebt werden kann; das Ringen um neue Aufbrüche, die Spuren der Resignation, die Zeichen der Hoffnung und der Zuversicht. Es war kein leichtes Jahr, und es war dennoch ein erfülltes Jahr.

Advent bedeutet auch den Beginn eines neuen Kirchenjahrs. Wir werden wieder Weihnachten feiern, die österliche Bußzeit und Karfreitag, die Feste der Auferstehung und des pfingstlichen Gottesgeistes und die anderen Zeiten des Gedenkens, die der kirchliche Jahreskreis erschließt. Der sich wiederholende Kreis des Kirchenjahrs gibt Geborgenheit und Verlässlichkeit. Aber es geht dennoch nicht einfach um die unermüdliche Wiederkehr des Gleichen. Die Menschwerdung Gottes in der konkreten Gestalt menschlichen Lebens werden wir Weihnachten 2011 vor anderen Erfahrungen feiern als ein Jahr zuvor. Die vorösterliche Zeit der Besinnung und der Umkehr wird uns im kommenden Jahr mit anderen Fragen konfrontieren als in diesem Jahr. Welche Gestalt Tod und Gottverlassenheit des Karfreitags für Menschen des Jahres 2012 annehmen werden, wissen wir nicht und auch nicht, welche Situation die Osterbotschaft des nächsten Jahres aufhellen will. Und der pfingstliche Geist der Erneuerung und Verständigung wird immer neu seine eigene Sprache finden müssen.

Stets aber stehen wir vor der Herausforderung, jetzt den Ruf zu vernehmen und ernst zu nehmen, dass Neues beginnen soll und dass Neues verheißen ist.

Advent ist Zeitenwende. Der Advent geht dem Wechsel vom säkularen alten Jahr zum neuen Jahr voraus und spiegelt ihn wider. Er widerspiegelt auch das Leben des einzelnen Menschen, das geprägt ist von Höhen und Tiefen, von Durststrecken und Erfülltsein, von Trauer und Fest – und das sich doch immer neu ausstreckt auf Neues hin, auf Hoffnung, auf erfülltes Leben.

Das Kirchenjahr stellt unsere säkulare Zeit aber auch in einen anderen Zusammenhang, in den Zusammenhang der von Gott geschenkten und geprägten Zeit. Wir sind nicht auf uns allein gestellt; menschliche Zeit und menschliches Leben finden in ihrem Auf und Ab, in ihren Höhen und Tiefen Halt und Geborgenheit in Gott. Und Menschen sind nicht zur unendlichen Wiederkehr des Gleichen verurteilt, sondern dürfen auf Neues hoffen. Immer aber ist Zeitenwechsel, Ende des Alten und Beginn von Neuem. Immer ist der Augenblick, die Chance des Neubeginns zu ergreifen, dem Hoffen mehr zuzutrauen als der Resignation. Immer ist Advent. Immer dürfen wir auf den kommenden Gott zugehen und uns für seine Ankunft öffnen. Unsere Zeit ist Gottes Zeit – das Vergangene wie das Zukünftige. Und immer jetzt kann es sein, dass wir seine Ankunft als ein Geschenk erfahren dürfen.

In schönen Worten sagt dies Andreas Gryphius:

Mein sind die Jahre nicht,
die mir die Zeit genommen.

Mein sind die Jahre nicht,
die etwa möchten kommen.

Der Augenblick ist mein,
und nehm ich den in acht,
ist der mein,
der Jahr und Ewigkeit gemacht.

 

+ Bischof Dr. Gebhard Fürst

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