Bischof Dr. Gebhard Fürst: Ansprache bei der Gedenkfeier für Bischof Sproll 2008

Rottenburg

"Man muss Gott mehr gehorchen als den Menschen.“ Dieses Wort steht in der Apostelgeschichte (Apg 5,29) – der Apostel Petrus hatte es dem Hohen Rat in Jerusalem vorgehalten, der ihm verbieten wollte, das Evangelium Jesu Christi zu verkünden.

Es zieht sich – 1900 Jahre später – wie ein Cantus firmus auch durch das Wirken von Bischof Joannes Baptista Sproll, der im Kriegsjahr 1870 im oberschwäbischen Schweinhausen geboren und im Jahr 1927 zum 7. Bischof der Diözese Rottenburg erwählt wurde. Die freie Ausübung von kirchlichem Glauben und Leben war für ihn eine Quaestio stantis et cadentis in seiner Loyalität gegenüber dem Staat; für ihn gab es hierin bald nach der nationalsozialistischen Machtübernahme im Jahr 1933 nur ein kompromissloses Entweder-Oder.

Hatte Bischof Sproll noch im März 1933 der neuen Regierung seine Unterstützung zugesagt – im Vertrauen auf deren Bekräftigung eines „christlichen Staates“ -, so erkannte er bald den unversöhnlichen Konflikt. „An der Person Jesu Christi stoßen die Wogen des Glaubens und Unglaubens zusammen“, predigt er im Juli 1935 in Neresheim. Und weiter: „Man erschaudert in der Seele, wenn man immer wieder von diesem Gotteshass und Christushass lesen muss.“

Der im Parteiprogramm der Nationalsozialisten enthaltene Passus vom „Positiven Christentum“ ist für ihn „nur ein aus Werbungszwecken eingefügter Köder für die Schwarzen aller Schattierungen“. Im Mai 1935 sagte Bischof Sproll vor Tausenden von Menschen im Fuldaer Dom: „„Eine neue Religion werden sie nicht schaffen, aber sie werden viel wahre, alte Religion zertreten. Diese neue Religion wird die Religion des Unglaubens sein.“

Bereits 1934 hatte er die in Stuttgart wirkenden Jesuitenpatres Mario von Galli und Eduard Haups beauftragt, gegen den zum „Dogma“ der Nationalsozialisten erhobenen „Mythus des 20. Jahrhunderts“ anzukämpfen und diesen öffentlich zu widerlegen. So dürfte er schon bald zu den Vertretern des „deutschen Gesamtkatholizismus“ gehört haben, den man nach den Worten Alfred Rosenbergs „aufreiben“ und dem man „als dem ärgsten Feind des Nationalsozialismus den Todesstoß geben“ müsse (1938). Und Alfred Haaga, Schriftleiter der Zeitschrift „Flammenzeichen“, schreibt, „dass hinter der Maske eines deutschen Bischofs nicht Religiosität, sondern der Vernichtungswille gegen deutsches Wesen und deutsche Art“ hervorsteche. Wegen seiner unerschrockenen und unmissverständlichen Predigten wurden nach kurzer Zeit strafrechtliche Ermittlungen gegen ihn aufgenommen.

Dem Apostel Petrus wird im Neuen Testament auch das Wort „Fortiter in fide – Tapfer im Glauben“ zugeschrieben (1 Petr 5,9), das Bischof Joannes Baptista Sproll zu seinem Wahlspruch bestimmt hatte. Wahrscheinlich hat er bei seiner Bischofsweihe noch nicht die ganze Tragweite vorausgesehen, die das Wort „Tapfer im Glauben“ für sein späteres Leben bekommen sollte. Im 1. Brief des Apostels Petrus ist vom „Widersacher, dem Teufel“, die Rede, dem es tapfer im Glauben zu widerstehen gelte. Dieser Widersacher wurde für Bischof Sproll mehr als nur ein Symbol des Bösen.

Er wurde in der Diktatur der Nationalsozialisten konkrete Realität. 70 Jahre ist es in diesen Tagen her, dass der Konflikt zwischen den Nationalsozialisten und Bischof Sproll eskalierte. Sie haben in dem einführenden Bericht gehört, wie die Auseinandersetzungen nach dem Wahlboykott Sprolls am 10. April 1938 über die Demonstrationen vor dem Rottenburger Bischofspalais – am 23. Juli fanden an dieser Stelle die gewalttätigsten Ausschreitungen statt – bis hin zu seiner Verschleppung und späteren Ausweisung im August desselben Jahres an Schärfe zunahmen.

Es ist erschütternd, zu lesen, wie Joannes Baptista Sproll, vor und nach den Ausschreitungen im Sommer 1938, wie ein Ausgestoßener, ein Vogelfreier, umherirrte und um Leib und Leben fürchten musste. Sieben Jahre musste er im Exil verbringen. Erst am 12. Juni 1945 konnte er seine Diözese wiedersehen – gelähmt und vom Leiden gezeichnet, aber ungebrochen an Geist und Wille. Am 4. März 1949 ist er gestorben.

„Tapfer im Glauben“ – für mich hat dieser Wahlspruch des Bekennerbischofs Joannes Baptista Sproll mehrere Seiten. Er bedeutet, dass hier ein Mensch, ein Glaubender, ein Bischof in Verantwortung gegenüber Gott mutig aufgestanden ist, um sich gegen die Götzen des Verderbens zum Gott des Lebens zu bekennen. Ein Aufstand für das Leben im Namen Gottes und im Namen von Menschenwürde und Menschenrechten – wie aktuell ist das doch bis zum heutigen Tag, wenn auch unter anderen Bedingungen und Vorzeichen.

„Tapfer im Glauben“: Ich sehe darin auch die Kraft, die Einsamkeit auszuhalten – im Vertrauen auf Gott. Gewissensentscheidungen sind oft sehr einsame Entscheidungen. Bischof Sproll musste sich in schwierigsten Zeiten manchmal auch von seiner eigenen Umgebung im Stich gelassen fühlen. Gott mehr zu gehorchen als den Menschen kann zu einem bitteren Lebensprogramm werden, voll von Enttäuschungen. Bekennergeist schafft nur selten Freunde, ja oft macht er einsam. „Tapfer im Glauben“ – das bedeutet aber auch: Ich kann mich anvertrauen, selbst wenn alles gegen mich steht.

Auch wenn politische Macht, öffentliche Meinung, Misstrauen von außen und von innen gegen mich stehen. Wenn Gott für uns ist, wer sollte dann gegen uns sein?, sagt der Apostel Paulus. Wir alle wissen nicht, ob wir in der Härte des Ernstfalls die Kraft aufbringen, aus Treue zu Gott den Machthabern auf Erden zu widerstehen. Wir erfahren allzu oft, wie schwer es schon in einem Rechtsstaat und unter dem Schutz der Religions-, der Meinungs- und Gewissensfreiheit ist, dem Evangelium und dem darin begründeten Ethos öffentlich Gehör zu verschaffen.

Wir können um diese Kraft nur beten – und darauf vertrauen, dass Gott unserer Schwachheit mit seiner Kraft zu Hilfe kommt. Joannes Baptista Sproll ist für uns ein großes Vorbild eines mutigen Glaubens. Damals wie heute. Wir verneigen uns in Ehrfurcht vor diesem großen Hirten unserer Diözese und danken Gott für sein Leben und Wirken.


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