Bischof Dr. Gebhard Fürst: Begrüßung bei der Ausstellung ‚nA(r)rtürlich’ 2004

Ulm, 95. Katholikentag

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Frau Dr. Czerny, meine sehr verehrten Damen und Herren,

„Jeder Mensch ist ein Künstler“, so stellte Joseph Beuys einmal dogmatisch fest. Dieser Satz wird seit seiner Entstehung oft verwendet und somit stetig verbreitet, jedoch meist in einem irreführenden Zusammenhang. Der Satz meint nämlich nicht, dass wir alle gleichermaßen mit künstlerischen Mitteln wie Leinwand und Pinsel umgehen können, sondern, dass jede Person auf ihrem Gebiet, in ihrem Bereich Fähigkeiten besitzt, die sie wie ein Künstler einsetzen kann: nämlich kreativ, innovativ und bewusstseinserweiternd. Deshalb seien Sie alle hier im Saal des Gemeindehauses der Kirchengemeinde St. Michael zu den Wengen im Zentrum von Ulm willkommen geheißen, weil ja schließlich auch Sie im beuys’schen Sinn Künstlerinnen und Künstler sind.

Nun haben aber die Künstlerinnen und Künstler dieser Ausstellung dies in besonderem Maße eingelöst und verwirklicht. Denn es ist klar, dass eine Ausstellung im öffentlichen Raum nach umfassenderen Voraussetzungen verlangt, als es eine Ausstellung im geschlossenen Kunstraum bedarf. Gestatten Sie mir deshalb bitte, dass ich die bildenden Künstlerinnen und Künstler ganz herzlich begrüße, denn sie tragen vorrangig zum Gelingen dieser Ausstellung bei.

Und sie tun dies in einer engagierter Weise, die ich hier ausdrücklich erwähnen und loben möchte: Nachdem der Ausstellungsparcours von der Kuratorin festgelegt und mit den zuständigen städtischen Ämtern besprochen war, galt es die öffentlichen Plätze sinn- und kunstvoll zu besetzen. Um die Kosten zu minimieren wurden die Künstlerinnen und Künstler nach bereits bestehenden Werken angefragt. Viele Beteiligte ließen es sich jedoch nicht nehmen speziell für den Katholikentag in Ulm neue Werke zu fertigen, einige lieferten sogar zwei Ausstellungsstücke.

Künstlerinnen und Künstler sind in unserer sachlich ökonomisch orientierten Gesellschaft notwendige Korrektive, um die Kreativität und Spontaneität nicht aus dem Blick zu verlieren und um nicht alles nur nach rationalen Gesichtspunkten zu beobachten und zu beurteilen. Die Künstlerinnen und Künstler sind also in besonderer Weise Creatoren, Schöpfer einer neuen Kreativität, – oft visionär – nicht immer an der Realität orientiert, oft kostenintensiv, aber so ist das nun einmal, wenn Prototypen entwickelt werden – ganz wie in Wissenschaft und Forschung.

Speziell den Künstlerinnen und Künstlern dieser Ausstellung, die sich dem Kunst-Natur-Gedanken verpflichtet haben, ist es ein Anliegen, schöpferisch tätig zu sein und in diesem Kontext in das Naturgeschehen einzugreifen – wohl wissend, dass auch ihre Anpflanzungen den Gesetzen der Natur oder dem Wohlwollen der Bevölkerung unterworfen sind.

Zwei der ausstellenden Künstler konnten Sie, meine sehr verehrten Damen und Herren, heute Abend bereits zu Beginn der Vernissage hören. Hendric Buehler und Clemens Schneider aus Stuttgart haben Ihnen eine Klangprobe aus ihrem Natur-Repertoire geliefert, die Sie auf CD konserviert auch in einem eigens gebauten Holzpavillon – platziert auf der Bastion – hören können.

Bevor nun die Kunstreferentin der Akademie der Diözese Rottenburg-Stuttgart Frau Dr. Ilonka Czerny, der ich als der Kuratorin der Ausstellung für Ihre Mühe, Ihre Umsicht und ihr kreatives Engagement besonders danke, auf die einzelnen Künstlerinnen und Künstler und deren künstlerische Positionen der Ausstellung eingeht, hören Sie noch einmal Natur-Musik der beiden Soundkünstler Hendric Buehler und Clemens Schneider aus Stuttgart.

Fühlen Sie sich alle durch das Diktum „Jeder Mensch ist ein Künstler“ angesprochen und herausgefordert, innovativ, und bewusstseinserweiternd zu sein – so wie es insbesondere die Künstlerinnen und Künstler in unserer Gesellschaft sind. Und fühlen Sie sich durch die Ausstellung angeregt, über die Gratwanderung zwischen Kunst und Natur, zwischen dem Leben und seiner künstlerischen Verdichtung kreativ nachzudenken.

Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit!

Weitere Nachrichten

Kirchenentwicklung
Am 19. Oktober treffen sich beim Gründergeist Gipfeltreffen in Hochstetten bei Karlsruhe Christen, die Kirche frisch denken wollen.
Weiterlesen
Bischof
Am 1. Dezember 2024 wird Klaus Krämer zum Bischof der Diözese Rottenburg-Stuttgart geweiht. Feierliches Pontifikalamt im Rottenburger Dom.
Weiterlesen