Bischof Dr. Gebhard Fürst: Begrüßung und Statement zum 40-jährigen Jubiläum des Diözesanrates 2010

RAT und VERTRETUNG


Sehr geehrter Herr Präsident Glück,
sehr geehrter Herr Pfarrer Schubert, sehr geehrter Herr Diakon Hirsch,
sehr geehrte Frau Schöttler,
sehr geehrter Herr Stadtdekan Prälat Michael H.F. Brock
sehr geehrter Herr Dr. Warmbrunn,
sehr geehrter Herr Dekan Magino,
sehr geehrte Damen und Herren aus den verschiedenen Diözesanräten der vergangenen 40 Jahre, liebe Schwestern, liebe Brüder!
Verehrte, liebe Gäste!


Heute darf ich Sie alle zum 40-jährigen Jubiläum sehr herzlich hier in Stuttgart begrüßen. Ich freue mich sehr, dass Sie so zahlreich hierher gekommen sind. Die allermeisten von Ihnen vertreten mit ihrem Hiersein die Geschichte der 40 Jahre des Diözesanrates in seiner unverwechselbaren und einmaligen Konstruktion. Der Diözesanrat der DRS vereinigt als gewähltes Gremium unter dem Vorsitz des Bischofs die in unserer Ortskirche nach dem Konzil entstandenen Räte auf diözesaner Ebene den Katholikenrat, die Kirchensteuervertretung, den Pastoralrat und den Priesterrat in einem Gremium. Heute feiern wir also das 40-jährige Jubiläum des Rottenburger Modells, das auf eine große und erfolgreiche Geschichte zurückblicken kann. Wir alle würdigen mit diesem Jubiläumsfest die Frauen und Männer, die in diesen 40 Jahren im Diözesanrat als gewählte Vertreter von Verbänden und den Räten der anderen Ebenen mitgewirkt haben. Sie haben, liebe Schwestern und Brüder, die Geschichte unserer Diözese mitgeschrieben und mitgeprägt. Und wenn wir darauf blicken, dann feiern wir zu Recht und mit Freude und Dankbarkeit! Wir setzen mit der heutigen Feierstunde ein bewusstes Zeichen in der Zeit, wir wollen uns aus dem Anlass besinnen und so in der Feierstunde auch einen kräftigen Impuls für die Zukunft mitnehmen. Unser Diözesanrat wäre nicht denkbar ohne die neue Würdigung und Stellung der Laien, aller getaufter und gefirmter Christen, in der Katholischen Kirche. Darum bin ich sehr froh und dankbar, dass sich der Präsident des ZdK, Herr Landesminister a.D. Alois Glück spontan bereit erklärt hat, zur heutigen Feier die Festrede, sozusagen die Laudatio auf unseren Diözesanrat, zu halten: Ich danke Ihnen, sehr geehrter Herr Glück, hierfür schon jetzt.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, liebe Schwestern und Brüder, gestatten Sie mir zuvor, auch selbst einige Worte an Sie zu richten, um so auch als Bischof der Diözese Rottenburg-Stuttgart und zugleich als Vorsitzender des Diözesanrates meine Wertschätzung gegenüber diesem wertvollen und unverzichtbaren Gremium auszudrücken, der sich zum allergrößten Teil aus gewählten ehrenamtlich Engagierten zusammensetzt. Ich habe meine Gedanken mit dem etwas lakonischen Titel ‚RAT und VERTRETUNG’ überschrieben.
Der Diözesanrat ist eine Frucht des Zweiten Vatikanischen Konzils. Der ehemalige Wiener Kardinal Franz König formulierte bereits 1985 anlässlich des 20jährigen Jubiläums (1) der Beendigung des Konzils drei zentrale Aufgaben, die auf dem Weg hin zur weiteren Rezeption des Konzils vorrangig seien: Es müsse ein neuer Ansatz versucht werden, um den Geist des Konzils, die kirchliche Erfahrung im Konzil, auch der jüngeren Generation zugänglich zu machen. Eine weitere Aufgabe sei es, die Stellung und Verantwortung des Laien in der Kirche von neuem zu betonen. Eine dritte Aufgabe bestehe in der Stärkung der missionarischen Kraft der Kirche und ihres ökumenischen Gewichtes. Sie werden mir sicher zustimmen, dass diese Aufgaben bis heute nichts von ihrer Aktualität verloren, im Gegenteil! Das Konzil hat die Kirche damit auf ein Selbstverständnis verpflichtet, das alle Menschen in den Blick nimmt, die Auseinandersetzung mit dem Zeitgenössischen wagt und darin eine Wachheit zeigt, durch die sie sich auch selbst verändern und weiterentwickeln lässt. In Folge dieser Einsicht bewertete das Konzil konsequenterweise die Stellung der Laien in der Kirche neu. Ich bin froh und dankbar dafür, dass wir in unserer Diözese mit der Einrichtung der Räte der Laien wichtige institutionelle, personelle und vor allem inhaltliche Schritte im Geist des Zweiten Vatikanischen Konzils tun konnten. Das Konzil und das Kirchenrecht des Codex Iuris Canonici von 1984 haben aus gutem Grund auch zur Beratung des Bischofs verschiedene Räte eingerichtet, die in der Diözese Rottenburg-Stuttgart in dem 1970, also eben vor 40 Jahren, gegründeten Diözesanrat zusammengefasst sind.
Alle, selbstverständlich auch die kirchlichen Ämter in ihren Leitungsaufgaben haben seither von dieser Art der Beratung und der Mitwirkens der Laien in unserer Diözese in hohem Maße profitiert.
Es lässt sich also mit Fug und Recht sagen: Der Diözesanrat in der Diözese Rottenburg-Stuttgart ist eine und gewiss nicht die geringste Frucht des Konzils und der nachkonziliaren Entwicklung in unserer Kirche.

Im vierten Kapitel der Kirchenkonstitution Lumen Gentium heißt es, dass die Laien gemeinsam mit den Priestern und Ordensleuten das "Volk Gottes" bilden und sie "des priesterlichen, prophetischen und königlichen Amtes auf ihre Weise teilhaftig" (LG 31) sind. Den Laien wird also ein spezifischer Anteil an der "Trias des Heiligens, des Lehrens und Leitens" (2) zugesprochen. Vor dem hierarchischen Unterschied wird mit dem allgemeinen Priestertum die Gleichheit aller Glaubenden betont: „Wenn in der Kirche nicht alle denselben Weg gehen, so sind doch alle zur Heiligkeit berufen und haben den gleichen Glauben erlangt in Gottes Gerechtigkeit (vgl. 2 Petr 1,1). Wenn auch einige nach Gottes Willen als Lehrer, Ausspender der Geheimnisse und Hirten für die anderen bestellt sind, so waltet doch unter allen eine wahre Gleichheit, in der allen Gläubigen gemeinsamen Würde und Tätigkeit zum Aufbau des Leibes Christi.“ (LG 32).
Meine sehr geehrten Damen und Herren, liebe Schwestern und Brüder, um in der unübersichtlichen, facettenreichen Welt von heute unsere Aufgaben im Dienst am Evangelium gut zu erfüllen, braucht es die Mitwirkung vieler!
Die Gemeinsame Synode der Deutschen Bistümer versuchte zehn Jahre nach dem Konzil dessen wesentliche Impulse aufzunehmen und auf die gesellschaftliche wie kirchliche Wirklichkeit in Deutschland hin zu konkretisieren. Die ersten Sätze aus dem ersten Beschluss der Würzburger Synode unter dem fulminanten Titel ‚Unsere Hoffnung. Ein Bekenntnis zum Glauben in dieser Zeit’ möchte ich in Erinnerung rufen, weil sie heute ebenso aktuell sind wie vor drei Jahrzehnten.
Sie lauten: „Eine Kirche, die sich erneuern will, muss wissen, wer sie ist und wohin sie zielt. Nichts fordert so viel Treue wie lebendiger Wandel. (...) Wir müssen zusehen, dass über den vielen Einzelfragen und Einzelinitiativen nicht jene Fragen unterschlagen werden, die unter uns selbst und in der Gesellschaft, in der wir leben, aufgebrochen sind und nicht mehr verstummen: die Fragen nach dem Sinn des Christseins in dieser Zeit überhaupt.“ Wenig später heißt es dann: „Alle sind auf dieses Zeugnis lebendiger Hoffnung in der Nachfolge Jesu verpflichtet, weil alle auf diesen Weg der Hoffnung geschickt, weil alle in diese Nachfolge gerufen sind (...). Deshalb müssen eigentlich auch alle beteiligt sein und beteiligt werden an der lebendigen Erneuerung unserer Kirche.“
Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir spüren es alle: Mit diesen eindrucksvollen Sätzen konkretisiert die Würzburger Synode Geist und Erbe des Konzils. Sie zeigt darüber hinaus konkrete Wege auf, durch die eine angemessene Mitwirkung der Laien in der Kirche oder besser gesagt insgesamt eine konstruktive Zusammenarbeit in der einen Kirche ermöglicht werden soll. Die Gemeinsame Synode schreibt über die Mitverantwortung aller Gläubigen für die Kirche und vor allem über die Qualität nötiger Beratungsgremien: ‚Mitverantwortung’ und ‚Kommunikation’ verwirklichen sich - so die Synode - im „tätig werdenden Offensein der Christen, im Aufeinanderhören, im Miteinandersprechen, im Voneinanderlernen. Zur Kommunikation gehört der Austausch von Erfahrungen und Gedanken, besonders in persönlichen Begegnungen. Kommunikatives Verhalten macht den einzelnen Christen und die Kirche als Ganzes in der heutigen Gesellschaft glaubwürdig und damit für den Weltdienst fähiger.“ (3) All dies liest sich wie eine programmatische Beschreibung und Würdigung der Zusammenarbeit im Diözesanrat!
Kommunikatives Verhalten und gemeinsames Handeln machen den einzelnen Christen und die Kirche als Ganzes in der heutigen Gesellschaft glaubwürdiger und damit für den Weltdienst fähiger.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, das Konzil hat eben darum mit gutem Grund zur Beratung des Bischofs verschiedene Räte eingerichtet. Bischöfe brauchen diese Räte mit ihrem Rat, ihrer Beratung und der Bereitschaft, Mitverantwortung zu übernehmen. Sie schränken die Rechte des Bischofs nicht wirklich ein, sie erhöhen aber die Qualität und verbreitern die Basis seiner Entscheidungen. Denn die zahlreichen haupt- und ehrenamtlichen ‚Laien’ steuern in den Beratungen ihr Wissen bei. Denn die zahlreichen haupt- und ehrenamtlichen Laien tragen ihre Erfahrungskompetenz, ihre Lebens- und Glaubenserfahrungen, sowie die ihnen zugewachsene Urteilsfähigkeit in Fragen und Problemen unserer Zeit in die Beratungsprozesse ein.
All das minimiert die bischöfliche Entscheidungsverantwortung und Gestaltungskraft nicht, erhöht aber insgesamt die Qualität und die Akzeptanz dessen, was beraten, geplant, vom Bischof dann entschieden wird und ja schließlich auch durchgeführt werden will. ‚Die Notwendigkeit zur Entscheidung reicht weiter als die Fähigkeit der Erkenntnis.’

Ich selbst bin oft genug beeindruckt von der Kompetenz und Vielseitigkeit, mit der die ‚christifideles laici’ ihre Verantwortung für Kirche an ihrem jeweiligen Platz wahrnehmen. Hier gilt der Satz des Konzils, dass es ‚Stellen und Verhältnisse’ gibt, ‚wo die Kirche nur durch die Laien zum Salz der Erde werden kann’ (LG 33). Als Bischof kann ich doch für solches nachhaltiges Engagement und so vielfältige wie hochkompetente Beratung nur dankbar sein. Ich sehe mich in dieser Dankbarkeit und vor allem auch in meinem Stil bestärkt durch das Nachsynodale Apostolische Schreiben von Papst Johannes Paul II. ‚Pastores Gregis’ von 2003.

Dort heißt es: „Die gelebte kirchliche Gemeinschaft soll den Bischof zu einem pastoralen Stil führen, der der Mitarbeit aller immer offener gegenübersteht. Es besteht eine Art Kreislauf zwischen dem, was der Bischof mit persönlicher Verantwortung zum Wohl der seiner Sorge anvertrauten Kirche zu entscheiden hat, und dem Beitrag, den die Gläubigen ihm mittels der beratenden Organe wie Diözesansynode, Priesterrat, Bischofsrat und Pastoralrat leisten können. (...) Jede Art von Differenzierung zwischen den Gläubigen aufgrund der verschiedenen Charismen, Aufgaben und Ämter ist auf den Dienst an den anderen Gliedern des Gottesvolkes hingeordnet. Die Differenzierung, die den Bischof aufgrund der Fülle des empfangenen Weihesakraments den anderen Gläubigen ‚gegenüber’ stellt, ist ein Sein für die anderen Gläubigen, das ihn nicht aus seinem Sein mit ihnen entwurzelt.“(4)

Und damit komme ich zum Schluss meiner Gedanken und stelle mit einem letzten Zitat aus dem Beschluss der Würzburger Synode zugleich einen gedanklichen Bogen her zum paulinischen Schrifttext über den einen Leib, an dem wir alle miteinander teilhaben. Denn in der Synode heißt es: „Mitverantwortung setzt das Bereitsein für den Anruf Christi und das Leben mit der Kirche voraus. (...) Mitverantwortung wird ermöglicht und verwirklicht durch Kommunikation. Diese Kommunikation hat ihr Fundament im Verständnis der Kirche als eines Leibes mit vielen Gliedern, die durch Christus miteinander verbunden sind und um ihre Abhängigkeit voneinander wissen.“(5)
Meine Damen und Herren, auch aus der Sicht der betroffenen (Christen-)Menschen sind Rat, Beratung und Mitverantwortung heute notwendig. Christen leben mitten in dieser Zeit, mitten in unserer vielschichtigen Gesellschaft. Beratungs- und Mitwirkungsmöglichkeiten sind in unserer öffentlichen Kultur selbstverständliche Dimensionen bei der Findung von Entscheidungen. Auch deshalb sind Räte in einer zeitgenössischen Kirche, - einer Kirche, die gemäß ihres Selbstverständnisses dieses Zeichen der Zeit ernst nimmt und in der die Wahrnehmung solcher Zeit-Zeichen zu ihrem Wesen gehören-, nicht wegzudenken. Verantwortung mitzutragen und Prozesse, die zu Entscheidungen führen, mitgestalten zu können, stärkt die Identifikation mit der ganzen Kirche. Wir können dankbar dafür sein, dass mit der Einrichtung der verschiedenen Räte der Laien wichtige institutionelle, personelle und vor allem inhaltliche Schritte im Geist des Zweiten Vatikanischen Konzils gegangen werden konnten.

Dank für die Arbeit in all den Jahren! Ich nenne den Prozess der Pastoralen Prioritäten, die uns Orientierung geben. Die Sparprozesse und das Ringen um Posterioritäten: Heute für morgen das Nötige tun. Dank auch für zahlreiche Initiativen aus dem Diözesanrat, aus den Arbeitskreisen und Ausschüssen. Es ist ein Prozess der Erneuerung aus der Kraft des Heiligen Geistes, Gespräche und Beratungen über Themen der Erneuerung, die angesagt sind. Nicht alle Gespräche können dabei ergebnisoffen geführt werden. Aber wir müssen in einem konstruktiven Gesprächsprozess bleiben, auch dort, wo wir nicht einig sind. Unsere Beratungen müssen von der Verantwortung geprägt sein, die immer auch das Ganze unserer Ortskirche und der Katholischen Weltkirche sehen. Uns ist der Geist gegeben, dass er den Anderen nützt. Alles, die verschiedenen Charismen, Talente, etc. muss der Auferbauung der Gemeinden, der Auferbauung der Kirche insgesamt dienen.
Ich danke für die Aufmerksamkeit!

Anmerkungen
1. Vgl. Franz Kardinal König, Die bleibende Bedeutung des Zweiten Vatikanischen Konzils, Düsseldorf 1988, 135-142.
2. Vgl. LG 21.
3. Synodenbeschluss ‚Verantwortung des ganzen Gottesvolkes für die Sendung der Kirche’ 3.2, Offizielle Gesamtausgabe S. 655.
4. Nachsynodales Apostolisches Schreiben von Papst Johannes Paul II. „Pastores Gregis: Der Bischof - Diener des Evangeliums Jesu Christ für die Hoffnung der Welt“, 2003, art. 44.
5. Synodenbeschluss ‚Räte und Verbände. Verantwortung des ganzen Gottesvolkes für die Sendung der Kirche’ ‚ ebd. 655.

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