Bischof Dr. Gebhard Fürst bei der Pressekonferenz auf der Hochzeitsmesse 2003

Stuttgart

Die überwiegende Mehrzahl der Messebesucher ist positiv überrascht, in der Fülle der kommerziellen Angebote auf der Hochzeitsmesse auch einen Stand der katholischen Kirche zu finden.

Nur wenige wenden sich ab und meinen: „kein Interesse“. Ob junge Paare, ob die Clique von Freundinnen, die mal eben sich über die neuesten Trends auf dem Hochzeitsmarkt informiert, oder die Großfamilie, die mit zahlreichen Kindern, Opas und Omas beim Kauf der Hochzeitsutensilien behilflich sein möchte - sie alle kommen auch an den Stand der Kirche (im letzten Jahr waren es ca. 3000 Besucher). Den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern am Stand der Kirche ist es ein wichtiges Anliegen, den Besuchern zu vermitteln: „Es gibt hier etwas für Euch und Eure Ehe“ und nicht: „die wollen etwas von uns“.

 

Junge Menschen haben heute viel mehr Möglichkeiten, aus verschiedenen Lebens-formen auszuwählen. Dennoch liegen Ehe und Familie immer noch hoch im Trend. Laut der Shell-Jugendstudie 2002 ist für 85 Prozent das Familienleben wichtig (und für weitere zehn Prozent teils wichtig), wobei die strukturell beste Grundlage der Familie immer noch die Ehe ist.

Eine Liebesbeziehung einzugehen, die auf Dauer angelegt und durch den Trauschein bekräftigt ist und diese Beziehung bewusst zu gestalten, ist nach wie vor der Wunsch vieler Paare. Davor, diesen tiefen Wunsch zu verwirklichen, schrecken allerdings viele auch zurück. Die Aufforderung „Trau Dich“ will dem bewusst entgegen wirken, und auch ich möchte dazu ermutigen, das Wagnis und Abenteuer einer kirchlichen Ehe einzugehen. Institutionen, das haben wir vielfach vergessen, wirken auch entlastend.

Der kulturgeschichtliche Beitrag des Christentums

Die personale Liebe als die letztlich entscheidende Grundlage einer Ehe ist in gewisser Weise eine biblisch-christliche „Erfindung“. Nach biblischem Verständnis ist der Mensch auf Liebe hin geschaffen und zur Liebe bestimmt, weil auch der dreifaltige Gott in sich selbst Liebe ist (vgl. 1.Johannesbrief 4,8). Im Neuen Testament wird die Liebeshingabe Christi an seine Kirche als Urbild der ehelichen Liebe zwischen Mann und Frau herausgestellt (vgl. Epheserbrief 5,21 - 33). Zu dieser Liebe, wo sie wirkliche Liebe ist, gehört das Verlangen nach Dauer, nach vorhaltloser und endgültiger Annahme, die Sehnsucht nach ganzheitlicher, leib-seelischer Zuwendung und Geborgen-heit.

„Erst wenn sich Mann und Frau unbedingt geborgen und angenommen wissen, kann sich ihre Liebe voll entfalten. Der Anspruch unauflöslicher ehelicher Treue, dem das Christentum von Anfang an als wechselseitige Forderung an Mann und Frau verstand, stellt deshalb eine wichtige Einsicht dar, hinter die ein wahrhaft menschlicher Umgang der Geschlechter nicht mehr zurückfallen darf“ (Wort der Deutschen Bischöfe zur Bedeutung von Ehe und Familie, 1999, S. 10 f).

Historisch gesehen gab es sehr unterschiedliche Auffassungen von der Beziehung der Geschlechter. Ehen wurden vorwiegend aus wirtschaft-lichen oder auch auf politischer Ebene aus dynastischen Gründen ge-schlossen. Vielfach hatte die Frau den Status des Eigentums und nicht den einer eigenständig freien, rechtsfähigen Person. Die Befreiung von Mann und Frau aus der Bevormundung durch die Eltern oder andere gesellschaftliche Kräfte und die Übertragung der Verantwortung für die Eheschließung auf die Brautleute selbst, auf ihr freies Ja-Wort für einander, „stellt eine der wichtigsten kulturgeschichtlichen Errungenschaften dar, die das Christentum in die moderne Gesellschaft eingebracht hat“ (ebd. S. 11).

Aber: sind die Brautleute durch diese Verantwortung nicht oft auch über-fordert? Können sie denn ihre Zuneigung und Liebe als tragendes Fundament der Ehe auf Dauer garantieren? Wir alle wissen, dass es Konflikte und Krisen, dass es Scheitern und Versagen in der Ehe gibt. In der Einleitung zum bereits zitierten Wort der Bischöfe heißt es: „Die von außen - und oft auch von innen - unentwirrbare Mischung aus Verhängnis, Versagen und Schuld verbietet eine persönliche Verurteilung. Auch denen, deren Ehe zerbrochen ist, ist Gott nahe, und die Kirche und jeder einzelne Christ sind aufgerufen, dies in ihrem Handeln glaubwürdig zu bezeugen“ (ebd. S. 8).

Hier ist nicht der Ort, darüber zu befinden, ob bzw. in welchem Ausmaß die Kirche im Umgang mit gescheiterten Ehen hinter ihrem eigenen Anspruch zurückbleibt. Damit es erst gar nicht zu einem Scheitern der Ehe kommt, unternimmt die Kirche viele Anstrengungen, um Brautpaare so vorzubereiten, dass sie ein realistisches Bild von Ehe und Familie entwickeln und eine gemeinsame tragfähige Grundlage finden. Aber auch dann gilt: die Voraus-setzungen für eine Ehe mögen noch so günstig sein, das Entscheidende dieser Bindung bleibt der menschlichen Berechnung entzogen. Weil dem so ist – die erschreckende Höhe der Scheidungsziffern bestätigt es –, ist es gut, sagen zu können: „Unsere Ehe soll gesegnet sein“.

Die Ehe ist ein Sakrament

Segnen bedeutet wörtlich: gut heißen (bene-dicere). Wenn die Kirche segnet, bringt sie den Ursegen des Schöpfers zum Ausdruck, mit dem alles, was ist, bereits gut geheißen wurde (vgl. Weisheit 11,24). Dieser Ursegen Gottes gilt insbesondere der ehelichen Verbindung von Mann und Frau (vgl. Genesis 1,28). In der kirchlichen Trauung wird dieser Segen, dieses Ja Gottes zum Brautpaar und ihrer Ehe, ausdrücklich erfahrbar. Darin findet die Hoffnung auf Verlässlichkeit, Endgültigkeit und Treue ihren tiefsten Grund.

Auch nach einer kirchlichen Trauung werden Gefühle der Zuversicht auf ein lebenslanges Gelingen der Ehe abwechseln mit Gefühlen der Unsicherheit und des Zweifelns. Unser Glaube nimmt diese Gefühle ernst und sagt: Ihr braucht und könnt nicht alles selbst leisten und tun. Ihr könnt euch aber immer auf jemanden verlassen, der Ja zu euch sagt und euch beisteht. Nach christlichem Glauben hat sich dieses „Ja“ Gottes verleiblicht und sichtbare Gestalt angenommen in Jesus Christus (vgl. 2. Korintherbrief 1,19f). Von daher bezieht die katholische Kirche die Legitimation, das eheliche Ja-Wort zweier getaufter Christen zur Würde des Sakramentes zu erheben, das heißt zum sichtbaren Zeichen der Nähe und Liebe Gottes.

Wenn wir bei der Ehe von einem Sakrament sprechen, so zeigt das die Über-zeugung, dass eine lebendige Ehe die Liebe Gottes zu den Menschen erfahrbar macht. Genauso, wie es Gottes Wille ist, dass wir Menschen glücklich und zufrieden sind, so möchte auch jeder Ehepartner dem anderen helfen, glücklich und zufrieden zu werden. Die Liebe der beiden Partner zueinander ist ein Abbild der Liebe Gottes zu den Menschen.

Zwar schreibt die katholische Kirche vor, dass ein Priester oder Diakon bei der Trauung dabei ist, doch nach theologisch begründeter Auffassung spenden sich die Partner das Sakrament der Ehe selbst. Dies ist ein schöner Gedanke, der mit der Konsequenz verbunden ist: Das Sakrament lebt fort mitten im Alltag jeden Tag. Dort, wo das Ehepaar Leben gemeinsam gestaltet, wo es sich bemüht, einander ernst zu nehmen, wo es versucht, einander das Leben zur Freude zu machen, überall dort verwirklicht sich der sakramentale Charakter der Ehe.

Ganzheitliche Ehepastoral als Anliegen der Kirche

Alle Stellungnahmen der Kirche lassen keinen Zweifel daran, dass ihr die Institution Ehe als lebenslange auf Liebe gegründete Gemeinschaft, in der auch Kindern das Leben geschenkt wird, ein grundsätzliches Anliegen ist. Unterstützung darf sich aber nicht nur auf Worte beschränken. So hat die Kirche im Sinne einer ganzheitlichen Ehepastoral ein vielfältiges Angebot von Unterstützungsmaßnahmen entwickelt und eingeführt, um Ehepaaren darin zu helfen, eine dauerhafte, lebendige Ehe zu gestalten. Summarisch genannt seien:

 Bildungsveranstaltungen, Kurse und Referate zu psychologischen und theologischen Aspekten der Themen Ehe, Partnerschaft, Vorbereitung auf das Elternsein;

 Begegnungs- und Gesprächsveranstaltungen unter Paaren, bis hin zur Gründung von Frauen- und Männergruppen für geschiedene oder verwitwete Partner;

 Persönliche Betreuung von Paaren in ihren ganz persönlichen Fragen und Schwierigkeiten durch qualifizierte Seelsorgerinnen und Seelsorger;

 Professionelle psychologische Beratung und Hilfsangebote in kirchlichen Beratungsstellen für Ehe, Familien und Erziehungsfragen;

 Begleitung für Paare, die sich zu einer Scheidung entschlossen haben, sowie Angebote und Begleitung von Alleinerziehenden.

Für die praktische Umsetzung dieser Arbeit der Kirche auch auf regionaler oder überregionaler Ebene ist die Zusammenarbeit mit der evangelischen Kirche wie auch mit nicht-konfessionellen Organisationen notwendig. Hinweisen möchte ich an dieser Stelle auf einen besonderen Gottesdienst, den ich am 11. Oktober in der Stuttgarter Domkirche St. Eberhard halte. Anlässlich des 175-Jahr-Jubiläums unserer Diözese möchte ich Ehepaare einladen, die seit vierzig Jahren miteinander verheiratet sind.

Die konkrete praktische Umsetzung einer engagierten Ehepastoral in unserer Diözese erleben Sie hier auf der Hochzeitsmesse durch die kirchlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter am Stand der katholischen Kirche, wozu Sie gleich noch weitere Informationen erhalten.

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