Bischof Dr. Gebhard Fürst bei der Sitzung des Diözesanrats 2009

In seiner Rede fordert der Bischof die Piusbrüder auf, "die Versöhnungsgeste des Papstes positiv zu reagieren und Provokationen zu unterlassen, die der Aufnahme der Lehrgespräche entgegen stehen."

Es folgt das Statement von Bischof Dr. Gebhard Fürst im Wortlaut:

Meine sehr geehrten Damen und Herren,

in meinem Bericht beim letzten Diözesanrat über die schwierige Situation, die im Zusammenhang mit der Rücknahme der Exkommunikation der Bischöfe der Piusbruderschaft entstanden ist, habe ich Ihnen ankündigt, eine Auswertung der zahlreichen Briefe, die ich in dieser Sache erhalten habe, vorzunehmen. Aufgrund meiner Presseerklärung vom 1. Februar 2009 habe ich eine große Zahl von zustimmenden Schreiben bekommen, allerdings auch kritische Rückmeldungen.

In konkreten Zahlen gesprochen:

Insgesamt ist mit Stand vom 20. Juni ein Posteingang von 325 Zuschriften zu verzeichnen.

Darunter sind 185 zustimmende Reaktionen zu meiner Position zu nennen sowie 42 allgemein kritische Äußerungen zur den vatikanischen Entscheidungen. Zu diesen Äußerungen, die meine öffentliche Stellungnahme würdigen, gehören 15 Unterschriftslisten von Kirchengemeinden und kirchlichen Institutionen sowie von Privatpersonen innerhalb und außerhalb der Diözese mit insgesamt 469 Einzelunterschriften. Zu den Absendern von Einzelzuschriften gehören über 140 Priester (darunter viele ältere Priester), Pastorale Mitarbeiter, Ordensfrauen und Angehörige kirchlicher Gremien innerhalb und teilweise auch außerhalb unserer Diözese.

Eingegangen sind auch 96 meine Erklärung vom 1. Februar 2009 ablehnende Äußerungen. Davon beziehen sich 77 Zuschriften kritisch auf meine Position (bzw. gleichzeitig auch auf Äußerungen anderer Bischöfe), in allgemeiner Weise stimmen 19 Zusendungen den vatikanischen Entscheidungen zu.

In 144 Zuschriften danken mir bekannte und unbekannte Menschen explizit für die Offenheit und Eindeutigkeit meiner Stellungnahme. Viele haben meine Erklärung als Ausdruck pastoraler Verantwortung gewürdigt und damit auch mein tiefstes Anliegen verstanden. In vielen Schreiben kommt eine tiefe Sorge zum Ausdruck, die zentralen Intentionen des Vatikanischen Konzils würden indirekt in Frage gestellt und der Weg der Kirche sei wieder eher rückwärts gerichtet. Die unumstößliche Notwendigkeit der Ökumene und des interreligiösen Dialogs, vor allem mit den Juden, wird mit Nachdruck betont. Der Tenor der allermeisten dieser Zuschriften lässt sich insgesamt mit der Formulierung auf den Punkt bringen, sie seien Ausdruck einer Kritik aus Loyalität und Identifikation gegenüber der katholischen Kirche.

Es bedrückt mich, dass 11 Personen in ihren Zuschriften einen Austritt aus der katholischen Kirche in Erwägung ziehen und von den weiteren Entwicklungen abhängig machen; 10 Personen haben mir mitgeteilt, dass sie aufgrund der aktuellen Vorkommnisse aus der katholischen Kirche ausgetreten seien.

Ich will allerdings auch nicht verschweigen, dass meine Erklärung vom 1. Februar zumindest bei einer Person ebenfalls zu einem Austritt aus der katholischen Kirche geführt hat.

Damit bin ich bei der Kritik gegenüber meiner Position, die sich insgesamt in deutlich weniger Äußerung niederschlägt als die Zustimmung.

Das Spektrum der darin vertretenen Meinungen reicht von einer redlichen Besorgnis konservativ eingestellter Katholiken über teilweise heftige Beschimpfungen meiner Person und derjenigen von Mitbischöfen, über offene Sympathien gegenüber den Piusbrüdern und sogar Bischof Williamson (von dem sich allerdings die Mehrzahl distanziert) bis hin zu Beispielen von klarem und inakzeptablem Antisemitismus.

Einen Schwerpunkt nimmt bei diesen Zuschriften der Vorwurf mangelnder Loyalität und Solidarität ein. Ich selbst und andere Bischöfe, so heißt es, hätten sich feige dem Mainstream eines Zeitgeistes angepasst, der durch Kirchenfeindlichkeit, Hass gegen Papst Benedikt XVI. und religiöse Lauheit gekennzeichnet sei. Aufgabe eines Bischofs wäre es dagegen gewesen, sich schützend vor den Papst zu stellen oder zumindest den kircheninternen Konflikt nicht an die Öffentlichkeit zu tragen.

Ich will es bei diesen Hinweisen bewenden lassen, weil sie die hauptsächlichen Punkte von Zustimmung und Kritik enthalten. Ich kann nicht auf alle kritischen Anmerkungen antworten. Und auf Einzelheiten der teilweise heftigen Polemik einzugehen, würde dem Anliegen einer differenzierten Argumentation sicher nicht dienen.

Manche haben mir geschrieben oder gesagt, ich würde in einigen Formulierungen insinuieren, dass Papst Benedikt XVI. mit der Rücknahme der Exkommunikation hinter das Konzil zurück wolle und dass ich ihm damit Unrecht getan hätte. Wer meine Presseerklärung vom 1. Februar 2009 genau liest, der kann diesen Vorwurf nicht aufrecht erhalten. Ich kenne zahlreiche eindeutige Äußerungen von Papst Benedikt, die das Konzil als die Basis des Weges der Kirche ins 21. Jahrhundert bezeichnen. Bereits in seiner allerersten Rede als Papst vor der römischen Kurie am 20. April 2005 sagte er: „Zu Recht hat Papst Johannes Paul II. das Konzil als Kompass bezeichnet, mit dem man sich im weiten Meer des dritten Jahrtausends orientieren kann. (…) Deshalb will auch ich, wenn ich den Dienst übernehme, der dem Nachfolger Petri eigen ist, mit Nachdruck den festen Willen bekräftigen, dass ich mich weiter um die Verwirklichung des Zweiten Vatikanischen Konzils bemühen werde, auf den Spuren meiner Vorgänger in treuer Kontinuität mit der zweitausendjährigen Tradition der Kirche.“ Bei meinem Festvortrag zum 40. Jubiläum der Feierlichen Schlusssitzung des Zweiten Vatikanischen Konzils vor der Hauptversammlung des Zentralkomitees der Deutschen Katholiken am 18./19. November 2005 in Bad Godesberg habe ich genau diese Passage zitiert, um die eigene Positionierung des Papstes zum Konzil herauszustellen. Ganz auf dieser Basis habe ich in meiner Presseerklärung vom 6. Februar 2009 Papst Benedikt gedankt, dass er bereits am 28. Januar 2009 (!) „die uneingeschränkte Anerkennung des Zweiten Vatikanischen Konzils sowie der Autorität aller Päpste während des Konzils und danach als Grundvoraussetzung für die Einheit mit der katholischen Kirche benannt hat“.[1] Hätte ich das oben beschriebene Missverständnis vorausgesehen, wäre es sicher sinnvoll gewesen, die Selbstpositionierung des Papstes bezüglich des II. Vatikanischen Konzils, auf die ich anderweitig hingewiesen habe, eigens aufzuführen.

Ein zweites Missverständnis besteht darin, ich hätte den Akt der Rücknahme der Exkommunikation selbst missbilligt. Ich bin überzeugt, dass Papst Benedikt diese Rücknahme mit den besten Absichten und nach bestem Wissen und Gewissen getätigt hat. Und ich bin auch überzeugt, dass er als Papst in einer ganz außerordentlichen Situation z. B. im Interesse der Einheit der Kirche, die anderweitig nicht hergestellt werden kann, dazu berechtigt ist, einen ganz außerordentlichen Schritt zu tun. Ich habe die „Vorgänge um die Rücknahme der Exkommunikation“ (so meine Presseerklärung vom 1. Februar 2009) kritisiert. Papst Benedikt hat genau diese Vorgänge um die Rücknahme in seinem Brief an die Bischöfe vom 10. März 2009[2] als „Panne“ bezeichnet. Er schreibt uns Bischöfen: „Eine weitere Panne, die ich ehrlich bedauere, besteht darin, dass Grenze und Reichweite der Maßnahme vom 21. Januar 2009 bei der Veröffentlichung des Vorgangs nicht klar genug dargestellt worden sind.“

Meine Erklärung vom 1. Februar 2009 ist auf der Homepage der Diözese Rottenburg-Stuttgart überschrieben: „Die Einheit der Kirche ist ein hohes Gut“. Dieselbe Erklärung als Pressemitteilung ist von mir überschrieben: „Die Anerkennung des Konzils ist die Grundvoraussetzung für die Einheit“. Eine namhafte Presseagentur hat diese meine Erklärung übernommen und mit der Überschrift versehen: „Erster deutscher Bischof distanziert sich vom Papstbeschluss“. Diese Überschrift ist so irreführend, weil ich den Akt der Rücknahme selbst nicht kritisiere, sondern die Vorgänge um diesen Rücknahmeakt. Diese Überschrift setzt dem Leser eine Brille auf, die die Intention des Textes in seinem Interesse an der Einheit der Kirche und in seiner Forderung, die Piusbrüder müssten dem Konzil zustimmen, zu einer Distanzierung von der Versöhnungsgeste des Papstes hin verschiebt. Der Autor einer Stellungnahme hat leider auf die Überschrift, mit der sie in den Medien von Dritten versehen wird, keinen Einfluss. Das ist ein grundsätzliches Problem, weil Überschriften oft nicht den Inhalt in nuce wiedergeben wollen, sondern unter der Perspektive verfasst werden, eine möglichst hohe Aufmerksamkeit zu erreichen.

Der erklärte Wille des Papstes, mit seiner Geste einen Beitrag zu „kleineren und mittleren Versöhnungen“ leisten zu wollen – so in seinem Brief an die Bischöfe vom 10. März 2009 – hat bei der Piusbruderschaft bisher das verdiente Echo leider nicht gefunden. Ich habe vielmehr den Eindruck, dass sich der Starrsinn der Piusbrüder bzw. ihrer Amtsträger noch verfestigt hat. Ich fordere deshalb die Piusbruderschaft nachdrücklich auf, endlich auf die Versöhnungsgeste des Papstes positiv zu reagieren und Provokationen zu unterlassen, die der Aufnahme der Lehrgespräche entgegen stehen. Andernfalls muss ich der Piusbruderschaft alle Absichten lauterer Art absprechen.

Rottenburg/Untermarchtal, 26. Juni 2009

Bischof Dr. Gebhard Fürst

 

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