Ghana, Katholische Universität Sunyani
Begrüßung und Einleitung
Sehr geehrte, liebe Mitbrüder im bischöflichen Amt, sehr geehrte Damen und Herren!
Sie haben mich eingeladen zu einem Vortrag über die Verantwortung der Katholischen Kirche für die Bewahrung der Schöpfung und wie diese durch die Diözese Rottenburg-Stuttgart wahrgenommen wird. Es ist mir eine große Freude bei Ihnen zu sein und zu Ihnen sprechen zu dürfen!
In der Tat möchte die Diözese, deren Bischof ich bin, zur Bewahrung der Schöpfung beitragen. Wir tun das ganz in der Spur der entsprechenden Verlautbarungen. Zuletzt hat Papst Franziskus mit der Enzyklika „Laudato Si“ überaus wichtige Impulse gesetzt: Franziskus hat Zusammenhänge zwischen politischen, sozialen, wirtschaftlichen und ökologischen Fragen aufgezeigt. Dass Franziskus der Bewahrung der gesamten Schöpfung eine eigene Enzyklika gewidmet hat, ist ein Weckruf für die Menschheit. Dafür bin ich ihm sehr dankbar!
Zum Schutzes des Klimas haben wir in der Diözese Rottenburg-Stuttgart vor bereits zehn Jahren (2007) eine sogenannte Klima-Initiative gestartet. Es ist ein ganzheitliches pastorales Programm zur Bewahrung der Schöpfung.
Wie wir unseren Beitrag zum Schutz des Klimas lokal und global leisten, davon und vom Zusammenhang, in dem Klimaschutz und christlicher Glauben stehen, möchte ich zu Ihnen sprechen.
Manche fragen, ist es denn die Aufgabe der Katholischen Kirche, Maßnahmen zu ergreifen und entsprechende Programme zu entwickeln, um das Klima schützen? Ist das nicht allein die Aufgabe des Staates, der Politik, der Gesellschaft? – Nein, ich bin der Überzeugung, dass wir auch als Kirche mitwirken müssen. In meinem Vortrag möchte ich begründen, warum wir den Auftrag haben, als Kirche an der Schöpfung mitzuarbeiten.
1. Die Bewahrung der Schöpfung – Auftrag der Kirche
In einem ersten Teil möchte ich deshalb erläutern, warum wir als katholische Kirche von Rottenburg-Stuttgart überzeugt sind, als Kirche, gerade als Christen, den Auftrag zu haben, an der Bewahrung der Schöpfung konkret mitzuarbeiten.
Das christliches Glaubensbekenntnis
Die Bewahrung der Schöpfung als Auftrag der Kirche ergibt sich aus den Grundlagen des christlichen Gottesglaubens. Der Auftrag ist die Folge des Glaubens an Gott den Schöpfer. Das Glaubensbekenntnis der Christen beginnt mit den Worten: „Ich glaube an Gott den Vater, den Allmächtigen, den Schöpfer des Himmels und der Erde.“
Wir können nicht an Gott als Schöpfer der Welt glauben und zugleich unsere Mitwelt, die Natur, die Umwelt, das Klima zugrunde richten. Die Erde, die belebte und nicht belebte Natur, die Klimaverhältnisse, sie sind nicht einfach unser Besitz, mit dem wir nach Gutdünken verfahren könnten. Sie sind uns zu treuen Händen anvertraut, um verantwortungsbewusst damit umzugehen. Unsere vielfache ökologische Gedankenlosigkeit ist auch Ausdruck des Undanks gegenüber Gott, dem Schöpfer der Welt. Die Verantwortung für die Schöpfung und ihre Bewahrung gehören so zum oft vergessenen Kern des christlichen Glaubens.
Die zwei Schöpfungsberichte
Der Auftrag, die Schöpfung zu bewahren, ist auch der Auftrag des biblischen Schöpfungsglaubens, wie er im ersten und zweiten Schöpfungsbericht niedergelegt ist.
Im Ersten Schöpfungsbericht erteilt Gott den Menschen die Weisung über die Erde und alle Geschöpfe zu herrschen und alles, die ganze Schöpfung zu gestalten. Gott sagt zum Menschen: ‚Hiermit übergebe ich euch alles, die ganze Schöpfung zu eurem Leben, zu eurem Nutzen.’ (vgl. Gen 1,28f)
Der Zweite Schöpfungsbericht (Gen 2, 4b – 15) ergänzt, erweitert und präzisiert den Sinn und die Aufgabe des Menschen in der Schöpfung. Dort heißt es: The Lord God formed the man of dust from the ground and breathed into his nostrils the breath of life, and the man became a living creature. And the Lord God planted a garden in Eden, in the east, and there he put the man whom he had formed. (Gen2,8) Gottes Schöpfungshandeln ist das Pflanzen eines Gartens. Und in diesen Garten setzt er den Menschen. Am Ende des zweiten Schöpfungsberichts wird der eine Satz wiederholt und der Sinn des Menschseins so bestimmt: „The Lord God took the man and put him in the garden of Eden to work it and keep it. (Gen, 2,15) „To Work it an keep it“ meint, den Garten zu bebauen, zu hüten, zu bewahren und im Sinne des Gärtners Gott zu gestalten.
Für Christen ist es eine zentrale Frage der Glaubwürdigkeit, wie wir unseren Glauben an den Schöpfergott umsetzen, der uns in diesen wunderbaren, fruchtbaren, uns ernährenden und erfreuenden Garten gesetzt hat. Es ist eine Frage unserer Dankbarkeit für die Schöpfung, dass wir diesen Glauben in konkretes umweltgerechtes Verhalten umsetzten, den Garten nicht ausbeuten und zerstören, sondern pflegen und hüten.
Wir sind keine Zuschauer des Weltverlaufs, sondern aufgerufen, uns engagiert für soziale Rücksicht, für ökonomische Weitsicht, für ökologische Vorsicht und für die Würdigung unseres kulturellen Erbes einzusetzen. Wenn wir schöpfungsfreundlich handeln, leisten wir einen wichtigen Beitrag dazu, dass diese Erde ein bewohnbarer und Geborgenheit schenkender Ort ist und bleibt, in der auch kommende Generationen Heimat finden.
Schöpfungsfreundliches Handeln - ein Gebot der Nächstenliebe
Schöpfungsfreundliches Handeln können wir auch als die konkrete Übertragung des biblischen Gebots der Nächstenliebe auf die Anforderungen des modernen Lebens verstehen: Der Nächste, der auf unsere Hilfe angewiesen ist, ist angesichts der globalen Vernetzungen nicht mehr nur der notleidende Mensch im sozialen Nahbereich, sondern auch in der Ferne am anderen Ende der Welt und in der Zeit nach uns. Denn nichts weniger steht auf dem Spiel als eine Zukunft, in der auch künftig ein Leben in Frieden und in Menschenwürde möglich ist.
Heilendes Handeln an der zerstörten Schöpfung
Aus all dem leite ich die Aufgabe der Kirche ab, sich schöpfungsfreundlich gegenüber der uns von Gott geschenkten und uns anvertrauten Natur zu verhalten und heilend an der gestörten Beziehung zur Schöpfung zu arbeiten und auch heilend an der oft schon zerstörten Umwelt zu handeln.
Mein bischöflicher Wahlspruch ist ein Bekenntnis zum Ziel des Heilshandelns in Jesus Christus. Er lautet: „Propter nostram salutem - um unseres Heiles willen", ist der Gottessohn vom Himmel zu uns gekommen. Dieses Wort aus dem Glaubensbekenntnis wird meist als heilendes Handeln auf Menschen und ihr Zusammenleben und auf die ewige Vollendung hin interpretiert. Das ist sicher zentral. Heute erkennen wir aber immer deutlicher, dass wir das heilende Handeln in der Nachfolge Jesu Christi ausdehnen müssen auf die ganze bedrohte und beschädigte Schöpfung – auf Wasser, Erde und Luft, auf das Klima, auf die Tiere und Pflanzen. Um unser aller Heil willen müssen wir unser gestörtes Verhältnis zur Schöpfung heilen. Wir müssen unsere Beziehung zur Natur, wo sie zerstörerisch ist, in ein heilendes Verhältnis umwandeln.
Der Apostel Paulus schreibt an die Gemeinde in Rom ein in unserem Zusammenhang bedeutsames Wort: ,Auch die Schöpfung soll von der Sklaverei und Verlorenheit befreit werden. Denn wir wissen, dass die gesamte Schöpfung bis zum heutigen Tag seufzt und in Geburtswehen liegt' (vgl. Rom 8, 21f).
Dieser Schöpfungsglaube und unsere Verantwortung für die Bewahrung der Schöpfung darf sich nicht in theoretischen Programmen und auch nicht in technokratischem Aktionismus erschöpfen. Verantwortliches Handeln gegenüber der Schöpfung, der Umwelt, der Natur muss in den Köpfen und in den Herzen der Menschen – auch spirituell - verankert werden. Das Wissen um die Verantwortung der Kirche für den Schutz der Schöpfung muss Bestandteil einer ganzheitlichen Bildung werden, die mehr ist als die Ansammlung von Faktenwissen.
Die globale ökologische Krise
Mit diesem Auftrag aus der Offenbarung und dem christlichen Glaubens ausgestattet, leben wir gegenwärtig als Christen und als Kirche in einer so noch nie dagewesenen lokalen und globalen Bedrohung des Gartens der Schöpfung. Wir erleben eine globale ökologische Krise nie dagewesenen Ausmaßes. Sie wurde und wird durch den Menschen verursacht. Sie ist neben der Umweltzerstörung besonders gekennzeichnet durch den Klimawandel, die Erderwärmung, die durch die dramatische Zunahme der Emissionen der Treibhausgase, insbesondere des CO2, verursacht wird. Die Folgen sind das Schmelzen des Gletschereises. Die damit verbundene Erhöhung des Meeresspiegels führt an tief liegenden Küstenregionen oder Inseln zur Überflutung und Zerstörung der Lebensgrundlagen der Menschen. Die globale Erwärmung hat hineingeführt in eine globale Klimakrise, die Naturkatastrophen, Stürme, Überschwemmungen, Dürre, Hunger und Flüchtlingsströme hervorbringt. Vor diesem Hintergrund ist der Klimaschutz ein dringendes Gebot der Stunde.
Die Zeichen der Zeit zu erkennen und entsprechend verantwortungsvoll zu handeln, dazu ruft uns das Zweite Vatikanische Konzil in der Pastoralkonstitution Gaudium et Spes auf. Die schwere Klimakrise mit all ihren Folgen ist ein unübersehbares Zeichen der Zeit. Wer dieses Zeichen der Zeit erkennt, kann gar nicht umhin, insbesondere als Christ, in dieser Krise verantwortlich und heilsam zu handeln. Nur so werden auch die kommenden Generationen noch in einer bewohnbaren und liebenswerten, guten Schöpfung Gottes leben können. Die Bewahrung der Schöpfung, der Schutz des Klimas durch christlich-kirchliches Handeln ist die verantwortungsvolle Antwort auf die ökologischen Krise und die damit verbundene Klimakrise.
2. Die Enzyklika „Laudato Si“ von Papst Franziskus
Wir haben also von der biblischen Tradition her und aus dem christlichen Glauben ein klares Mandat zum Schutz der Schöpfung. Daneben fordern aber auch die Verlautbarungen des kirchlichen Lehramtes zum Handeln auf, ein pastorales Programm zu entwickeln und durchzuführen, um das Klima zu schützen.
Herausgreifen möchte ich nun vor allem die Enzyklika „Laudato Si – Über das Zusammenleben im gemeinsamen Haus“ von Papst Franziskus.
Papst Franziskus hat es sich zur Aufgabe gemacht hat, Zeichen zu setzen und die Menschen wachzurütteln, wenn es um weltpolitische Fragen, um Fragen der globalen sozialen Gerechtigkeit sowie um nachhaltiges Handeln in Hinblick auf Gottes Schöpfung geht.
Im Zentrum von Laudato Si steht die Frage: „Welche Art von Welt wollen wie denen überlassen, die nach uns kommen, den Kindern, die gerade aufwachsen?“ (160).
Franziskus erinnert in Laudato Si die internationale und lokale Politik an ihre große Verantwortung. Und gleich zu Beginn nennt er die zentralen Themen, die die gesamte Enzyklika durchziehen:
- Umweltverschmutzung, Klimawandel und ihre Folgen (z.B. Wasserknappheit, Rückgang der Artenvielfalt)
- Die enge Beziehung zwischen den Armen und der Anfälligkeit des Planeten.
- Die Überzeugung, dass in der Welt alles miteinander verbunden ist. (Die nächste große Flüchtlingswelle ist voraussichtlich dem Klimawandel geschuldet…)
- Er übt Kritik den Formen der Macht, die sich allein aus der Technik ableiten. („technokratisches Paradigma“)
- Er betont den Eigenwert eines jeden Geschöpfes – nicht nur der Tiere und der Menschen – sondern eben allen Lebens, den es zu achten und zu respektieren gilt.
Besonders ausführlich geht ein Abschnitt auf die soziale Teilhabe ein. Der Papst unterstreicht: Wir kommen jedoch heute nicht umhin zu erkennen, dass ein wirklich ökologischer Ansatz sich immer in einem sozialen Ansatz wiederfindet. Oder sich in einen sozialen Ansatz verwandeln muss. Der soziale Ansatz muss die Gerechtigkeit in der Umweltdiskussion aufnehmen, um die Klage der Armen ebenso zu hören wie die Klage der Erde.
Papst Franziskus sieht sämtliche Krisen, als Auswirkungen des modernen Anthropozentrismus. Auch hier fordert der Papst ein Umdenken, eine „ökologische Umkehr“: Es gibt keine Ökologie ohne eine angemessene Anthropologie. Der Mensch steht sowohl in Beziehung zu seiner Umwelt, als auch zu seiner Mitwelt und ist darüber hinaus offen für Gott, den Schöpfer, der uns die Erde geschenkt hat.
Schöpfung ist nicht einfach identisch mit der natürlichen Umwelt. Denn Schöpfung bedeutet, dass Natur nicht einfach für uns verfügbar ist, sondern dass sie einen göttlichen Ursprung hat und ein Geschenk aus Gottes Fülle und Liebe ist. Die biblischen Schöpfungserzählungen sind nichts weniger, als ein Plädoyer für die Freiheit des Menschen.
3. Die Wahrnehmung der Verantwortung für die Schöpfung insbesondere durch die interdisziplinäre Klima-Initiative der Diözese Rottenburg-Stuttgart
Im dritten Teil werde ich nun die Wahrnehmung der Verantwortung für die Schöpfung insbesondere durch die interdisziplinäre Klima-Initiative der Diözese Rottenburg-Stuttgart vorstellen.
Liebe Mitbrüder, sehr geehrte Damen und Herren,
in meinem Bericht an Sie steht heute die „Klima-Initiative" das konkrete pastorale Klimaschutzprogramm der Diözese Rottenburg-Stuttgart im Mittelpunkt. Die Aktualität und Notwendigkeit eines Klima-Schutzprogramms bedarf heute keiner Begründung mehr. Die Klimaberichte der Vereinten Nationen weisen erschreckende Perspektiven für die künftige Entwicklung der Erderwärmung mit ihren ökologischen, wirtschaftlichen, (geo-)politischen und sozialen Folgen auf.
Die Analysen und Prognosen der Fachleute sind alarmierend: Die Folgekosten des Klimawandels in der Bundesrepublik Deutschland werden sich nach jüngsten Schätzungen des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung bis zum Jahr 2050 auf rund 800 Milliarden Euro aufsummieren. Allein im Bundesland Baden-Württemberg, in dem die Diözese Rottenburg-Stuttgart liegt, bedeutet das 129 Milliarden bis 2050. Diese Un-Summen werden entstehen, wenn wir nach dem Prinzip „weiter so" verfahren und nichts Entscheidendes beim Klimaschutz geschieht. Auch wenn auf dem Weltklimagipfel in Paris im Jahr 2015 ein neues Abkommen gegen die globale Erderwärmung beschlossen wurde, sind die Folgen des Klimawandels überall sichtbar und spürbar. Jetzt schon sind die Menschen überall von Naturkatastrophen und Ernteausfällen betroffen. Vor allem aber die Menschen in den Elendsregionen dieser Welt.
Die Diözese Rottenburg-Stuttgart mit ihren Investitionen und Bemühungen zum Klimaschutz nimmt kein Modethema auf und liefert sich nicht dem Zeitgeist aus. Unsere Ortskirche möchte in verantwortlicher Weise ihren Beitrag zum wirtschaftlichen, sozialen, gesundheitlichen und kulturellen Wohl auf nationaler und internationaler Ebene erbringen. Das Klimaproblem ist eine Herausforderung an die ethische Verantwortung aller: der politischen Akteure, der Wirtschaft, der öffentlichen Institutionen und der privaten Haushalte. Nicht zuletzt hat die Kirche hier aufgrund ihrer Botschaft eine entscheidende Aufgabe.
Es ist ein konsequenter Ausdruck meiner Verantwortung als Bischof dass die Diözese Rottenburg-Stuttgart im Jahr 2003 in ihren pastoralen Prioritäten neben anderen ein besonders aktuelles Handlungsziel formuliert. Es trägt die Überschrift: „Zum Wohl der Schöpfung handeln. Nachhaltiges Handeln im persönlichen Lebensbereich, sowie in Kirche und Gesellschaft stärken“. An Konkretisierungen dieser Selbstverpflichtung auf das Prinzip Nachhaltigkeit wird genannt: „Verbrauch von Energien und natürlichen Ressourcen reduzieren". „Die Erzeugung und Nutzung regenerativer Energien fördern." „Nachhaltige Landwirtschaft und Erzeugung gesunder Lebensmittel einfordern" sowie: „Teilnahme von Gemeinden und kirchlichen Vereinigungen am Programm ,Kirchliches Umwelt- und Nachhaltigkeitsmanagement'." Dies wurde durch Beschlüsse bestätigt, die der Pastorale Laienrat der Diözese (Diözesanrat) zu strategischen Zielen und pastoralen Schwerpunkten im November 2007 unter ausdrücklicher Bezugnahme auf die Klima-Initiative für die kommenden Jahre gefasst hat.
Die Klima-Initiative der Diözese Rottenburg-Stuttgart, die ich im Juli 2007 der Öffentlichkeit vorgestellt habe, war auf zehn Jahre angelegt. Jetzt – nach 10 Jahren – kann sie eine Reihe erfolgreicher Ergebnisse vorweisen. Diese ermutigen uns, auch in den kommenden Jahren den erfolgreich beschrittenen Weg der Klima-Initiative fortzusetzen und zum umfassend nachhaltigen Handeln in der Diözese weiterzuentwickeln.
Neben Klima- und Umweltschutz geht es beim nachhaltigen Handeln immer auch um sozial verantwortliches und ökonomisch sinnvolles Handeln. Im Sinne dieses Dreiklangs wollen wir die Zukunftsfähigkeit der Diözese sichern und die Klima-Initiative zu einer die unterschiedlichsten Prozesse, Bereiche und Einrichtungen in der Diözese integrierenden Gesamtstrategie vertiefen. Wir sehen Nachhaltigkeit als eine die institutionellen Grenzen übergreifende Querschnittsaufgabe für alle Führungskräfte, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aller Ressorts und Einrichtungen. Auch die Sache Nachhaltigkeit braucht Begeisterte, braucht Vernetzung, Kooperation, Zielorientierung, Verbindlichkeit und Akzeptanz. Sie braucht auch Geduld und langen Atem, sowie die Bereitschaft, sich durch mühselige Prozesse und Widerstände nicht entmutigen zu lassen. Der Wandel ist im Gang, aber dieser Wandel ist kein Selbstläufer. Die Präsentation unserer Projekte und Ergebnisse ist zugleich auch eine öffentliche Selbstverpflichtung auf die weitere Zukunft hin.
Vorstellung der Klimainitiative zum Schutz des Klimas
Im Zweiten Abschnitt des dritten Teils werde ich nun wie in einem Werkstattbericht das Pastorale Klima-Schutz-Programm vorstellen.
Allgemeine Vorbemerkung
Mit der Klima-Initiative hat sich die Diözese auf den ‚Weg zum nachhaltigen Handeln’ gemacht. Diese bündelt verschiedene Projekte und Aktivitäten mit dem Ziel, den Ursachen des Klimawandels zu begegnen. Der Klimaschutz erfordert ein interdisziplinäres und integriertes Vorgehen. Dieses Vorgehen umfasst die Nutzung aller möglichen Einsparpotentiale. Dazu gehören innovative und intelligente Konzepte der Energienutzung und der Energieerzeugung. Dazu gehört auch die Motivierung und Schulung zu energiebewusstem Verhalten der Menschen. Dazu gehört ebenso die intensiv geförderte Nutzung regenerativer Energien.
Im Folgenden stelle ich aus dem Maßnahmenbündel der Klimainitiative einige ausgewählte Projekte als Beispiele aus den verschiedenen Bereichen vor.
Ökologische Bestandsentwicklung
Ein erstes Projekt der Klima-Initiative: Die Diözese Rottenburg-Stuttgart fördert mit Nachdruck, die ökologische Qualität des Bestands der kirchlichen Gebäude weiterzuentwickeln. Dafür wird im Haushalt ein jährliches Investitionsvolumen ausgewiesen. Durch die Förderung von energieeffizienten Konzepten und anderen entsprechenden Maßnahmen werden bestehende Gebäude unter ökologischen Gesichtspunkten verbessert. Durch die durchgeführten Maßnahmen kann und soll der Energieverbrauch halbiert werden und kann der CO2-Ausstoß beinahe ganz vermieden werden. Im gesamten Bestand einer Kirchengemeinde, zu dem zunächst noch nicht sanierte Einheiten gehören, soll und kann der CO2-Ausstoß um 50 Prozent gesenkt werden.
Nachhaltiger Umgang mit Energie
Ein zweites Projekt dient dem nachhaltigen Umgang mit Energie. Dieses Projekt ist eine Säule der gesamten Klimainitiative der Diözese. Darunter fallen die Nutzung und Erzeugung regenerativer sowie CO2-freier-Energien. Dazu kommt die gezielte Einsparung von Energien und damit die Senkung des CO2-Ausstoßes.
Solartechnik
Ein drittes Projekt: Neben anderen Technologien zur Nutzung bzw. Erneuerung regenerativer Energien bildet die Solartechnik einen besonderen Schwerpunkt. Dabei kommt der Investition in Photovoltaikanlagen eine besondere Bedeutung zu. Ich selbst habe hier deutliche Signale gesetzt. Im Jahr 2000 habe ich als Direktor der Akademie auf dem Dach des Gebäudes eine Photovoltaikanlage installiert. Als Bischof habe ich dann 2002 auf das Dach des Bischofshauses in Rottenburg ebenfalls eine Photovoltaikanlage gesetzt. Am Tag erzeugt sie die gesamte elektrische Energie, die im Bischofshaus verbraucht wird und kann gewinnbringend noch Photovoltaikstrom in das öffentliche Stromnetz einspeisen. Von diesem Gewinn beziehe ich dann in der Nacht „grünen Strom“ von entsprechenden Anbietern. Ziel dieser Projekte war und ist, vorbildhaft zu handeln und andere zur Nachahmung einzuladen. Inzwischen gibt es in der Diözese Rottenburg-Stuttgart 188 Standorte mit Photovoltaikanlagen, darunter 58 Kirchen.
Anwendernetzwerk
Ein weiteres Projekt: Voraussetzung für den verstärkten Einsatz von Solartechnik und Photovoltaik ist ein Beratungsangebot, das interessierten Kirchengemeinden für die ersten Schritte in technischen, rechtlichen und finanziellen Fragen zur Seite steht. Ein Netzwerk von Anwendern, die selbst bereits umfangreiche Erfahrungen auf dem Gebiet der Solarstromanlagen besitzen und sich als Experten ausgewiesen haben, sind zur Unterstützung von Kirchengemeinden sehr hilfreich, die neue Anlagen aufbauen möchten.
Verhaltensmotivation, Bewusstseinsbildung, Nachhaltigkeitserziehung und Multiplikatorenschulung
Zum Gelingen des Klima-Schutz-Programms sind die Motivation für das Verhalten, die Bildung eines entsprechenden Bewusstseins, die Erziehung zu nachhaltigem Verhalten und die Schulung von Multiplikatoren, von großer Bedeutung. Dies geschieht in unserer Diözese besonders durch folgende Maßnahmen.
Franziskuspreis
Da ist erstens der Franziskuspreis. Der große Heilige der abendländischen Christenheit, Franziskus, hat eine besondere Beziehung zu Gottes guter und schöner Schöpfung. Wir haben ihn deshalb als Namensgeber für einen von der Diözese gestifteten Preis für nachhaltiges Handeln im Sinne der Klima-Initiative ausgewählt.
Der Franziskuspreis, dotiert mit einigen Tausend Euro, soll motivierend wirken. Die Kirchengemeinden, kirchliche Einrichtungen und Privatpersonen der Diözese sollen zu nachhaltigem, klimabewusstem Handeln ermuntert werden. Er wird in diesem Jahr zum fünften Mal verliehen.
Kirchliches Umwelt- und Nachhaltigkeitsmanagement
Als zweites ist zu nennen das Kirchliches Umwelt- und Nachhaltigkeitsmanagement. Das Management in Sachen Energie, Umwelt und Nachhaltigkeit in den kirchlichen Einrichtungen umfasst aufeinander aufbauende Schritte, die kontinuierlich das ökologische Bewusstsein und das ökologisch verantwortliche Handeln verbessern sollen. Dieses Gesamtmanagement stößt in der Diözese einen Prozess an für eine dauerhafte Verbesserung der eigenen Umweltleistungen.
Das Umweltaudit
Viele unserer kirchlichen Einrichtungen beteiligen sich an einem sogenannten Umweltaudit: Seit zwei Jahren sind alle unsere Jugend- und Tagungshäuser nach der europäischen EMAS-Norm (Eco-Management and Audit Scheme) zertifiziert. Alle diese Einrichtungen halten sich an ein Umweltmanagement-System mit hohen Standards. Erste Erfolge sind jetzt schon zu verzeichnen: Beispielsweise sind die CO-2-Emissionswerte nach dem Einbau von Pellet-Heizungen auf ein Zehntel (!) des vormaligen Emissionswertes gesunken.
Kirchliche Erwachsenenbildung
Zu den Zielen der Klima-Initiative gehört auch drittens der Bereich der Bildung. Die Bewusstseinsbildung für Nachhaltigkeit möchten wir neben den bereits bestehenden Angeboten verstärkt in den Bildungsprogrammen der Katholischen Erwachsenenbildung verankern.
Weltweite Solidarität in der Klimainitiative
Zur Klima-Initiative der Diözese gehört auch die Dimension der weltweiten Solidarität beim Klimaschutz. Wie Papst Franziskus in seiner Enzyklika „Laudato Si“ betont hat, ist der Klimaschutz zu einer Schicksalsfrage der Bevölkerung weltweit geworden. Im Rahmen ihrer weltkirchlichen Arbeit sieht die Diözese Rottenburg-Stuttgart auch eine besondere Verantwortung darin, dieser Entwicklung durch intensivere Klimaschutzmaßnahmen im eigenen Zuständigkeitsbereich entgegenzuwirken.
Wir möchten deshalb gerne die Erfahrungen, die wir mit Maßnahmen zum Schutz des Klimas gemacht haben und machen mit anderen Teilen der Weltkirche teilen!
Das Projekt „Mithradam“
Dass unser Engagement für die Schöpfung nicht an den Grenzen unserer Diözese Halt macht, zeigt unser Engagement im Rahmen unserer weltkirchlichen Arbeit. So ist – um ein Beispiel zu nennen – die Hauptabteilung Weltkirche des Bischöflichen Ordinariats am Auf- und Ausbau des Erneuerbare-Energien-Zentrums „Mithradam“ im südindischen Bundesstaat Kerala beteiligt – einer der ersten Institutionen dieser Art in Indien, die ausschließlich mit erneuerbaren Energien betrieben wird. Nach wie vor besitzt Mithradam eine weitreichende Vorbildfunktion für die gesamte Region. Ich selbst hatte im Rahmen meiner Pastoralreise nach Südindien im Jahr 2010 Gelegenheit, das Projekt persönlich zu besuchen und dort vor den Bischöfen zum Thema „Klimaschutz“ sprechen.
Katholische Kirche als ökologischer global player
Liebe Mitbrüder!
Die Katholische Kirche kann als ökologischer global player auftreten und sie ist mit dem schöpfpungsfreundlichen Geist (spirit) ausgestattet, der dringend gebraucht wird. Die Katholische Kirche bietet mit ihrer weltweiten Vernetzung auch die nötige institutionelle Infrastruktur, um notwendige Synergieeffekte möglich zu machen. Gerade in einer Zeit internationaler Zusammenarbeit kann die Katholische Kirche für die Zukunft der Welt einen entscheidenden Beitrag leisten: inhaltlich, von der Motivation und Sinnstiftung her, die im Schöpfungsglauben liegt, aber eben auch durch praktisches Mitwirken und exemplarisches, schöpfungsfreundliches Handeln. Wir alle sollten dieses Potential nutzen!
Dank für das Interesse
Liebe Mitbrüder im bischöflichen Amt, sehr geehrte Damen und Herren!
Ich danke sehr für Ihre Aufmerksamkeit. Ich danke für Ihr Interesse an dieser großen Herausforderung, eine schöpfungsfreundliche Kirche zu bauen. Wir werden mithelfen, die Schöpfung zu bewahren und weiter im Sinne des Schöpfers zu gestalten. So werden wir unserer Schöpfungsverantwortung gerecht. SO arbeiten wir mit an einer guten Zukunft des uns anvertrauten wunderbaren blauen Planeten. Wir arbeiten mit an einer guten Zukunft der Bewohner der Erde.