Bischof Dr. Gebhard Fürst: Hirtenbrief zur österlichen Bußzeit 2015

Der Geist macht lebendig

Kirche an vielen Orten gestalten

Gott hat die Kirchen wie Häfen im Meer angelegt,
damit ihr euch aus dem Wirbel irdischer Sorgen dahin retten und Ruhe finden könnt.
Johannes Chrysostomus

Liebe Schwestern und Brüder!

In weniger als 40 Tagen werden wir gemeinsam in unseren Kirchengemeinden das Osterfest feiern, das Fest der Auferstehung Jesu Christi! Die kommenden Wochen führen uns also hin zum Grund unserer Hoffnung. So ist die österliche Bußzeit gut geeignet als Zeit der Besinnung auf die Erneuerung unserer Kirche, die als gemeinsame Aufgabe vor uns liegt! Mitten in der österlichen Bußzeit, am vierten Fastensonntag, finden in unserer Diözese die Wahlen der Kirchengemeinderäte und Pastoralräte statt. Schon jetzt bitte ich Sie herzlich, von Ihrem Wahlrecht Gebrauch zu machen. Denjenigen, die sich als Kandidatinnen und Kandidaten zur Wahl bereiterklärt haben, danke ich von Herzen. Wir brauchen engagierte Frauen und Männer, die mitwirken an einer guten Zukunft unserer Kirche!

Seit 2011 führen wir miteinander intensive Gespräche in den Gemeinden. Es hat sich gezeigt, dass die Veränderungen in Gesellschaft und Kultur auch unsere Kirche verändern. Wir Christen, wir alle, brauchen einen wachen Geist und in der pastoralen Praxis eine lebendige Glaubensverkündigung. Um dies zu erreichen, wollen wir auch weiterhin im Gespräch bleiben.

Zu dem gesellschaftlichen Wandel kommt hinzu, dass innerkirchliche Probleme der letzten Jahre mit dazu beigetragen haben, dass viele Gläubige sich in ihrer Kirche nicht mehr zu Hause fühlen. Viele erwarten deshalb eine Kirche, in der der Geist der Erneuerung weht. Das meint auch der Evangelist Johannes, wenn er seinen Hörern zuruft: „Gottes Geist ist es, der uns lebendig macht!“ (Joh 6,63). Der Heilige Geist ist es, liebe Schwestern und Brüder, der uns Kraft gibt, uns Neues denken lässt und uns geistreich werden lässt in der Erneuerung der Kirche.

In seinem apostolischen Schreiben „Evangelii Gaudium“ – „die Freude des Evangeliums“ – fordert Papst Franziskus uns dazu auf, die Strukturen der Seelsorge stets neu auf die Treue zum Evangelium zu überprüfen: „Es gibt kirchliche Strukturen,“– schreibt Franziskus – „die eine Dynamik der Evangelisierung beeinträchtigen können; gleicherweise können gute Strukturen nützlich sein, wenn ein Leben da ist, das sie beseelt, sie unterstützt und sie beurteilt. Ohne neues Leben und echten, vom Evangelium inspirierten Geist, ohne ‚Treue der Kirche gegenüber ihrer eigenen Berufung‘ wird jegliche neue Struktur in kurzer Zeit verderben.“ (EG 26)

Liebe Schwestern und Brüder! Alle getauften und gefirmten Christen, unsere Priester und Diakone, die Ordensleute, alle Hauptamtlichen und Ehrenamtlichen in unserer Kirche sind mit Begabungen reich ausgestattet. Unsere Geistesgaben, die wir im Sakrament der Taufe und der Firmung von Gott erhalten haben, helfen jedem von uns, den Wandel mitzugestalten und an der Erneuerung der Kirche mitzuwirken, jede und jeder von uns auf seine Weise. Paulus findet dafür in seinem Brief an die Gemeinde in Rom wunderbare Worte: Wir alle haben an dem einen Leib viele Glieder, die nicht alle denselben Dienst leisten, „so sind wir – die vielen – ein Leib in Christus, als einzelne aber sind wir Glieder, die zueinander gehören.“ (Röm 12,4-5)

Unter dem Titel „Kirche am Ort – Kirche an vielen Orten gestalten“ beginnen wir in diesem Jahr einen längeren pastoralen Entwicklungsprozess, der alle Kirchengemeinden, alle pastoralen Orte, die Dekanate und auch das Bischöfliche Ordinariat in Rottenburg und Stuttgart erfassen wird. Wir können diesen „Entwicklungsprozess“ nicht meistern ohne Wertschätzung der Menschen und auch nicht ohne Vertrauen in Gott. Gott trägt die Welt; Gott trägt auch die Kirche. Er ist mit uns unterwegs. Auf diesem Weg in die Zukunft brauchen wir als Volk Gottes viele Mitwirkende, die sich von unten – oder besser gesagt – aus der Mitte der Kirche heraus engagieren. Wir brauchen Kirchengemeinderäte am Ort – vor Ort! Deshalb ist die Kirchengemeinderatswahl so wichtig.

Träger des Prozesses „Kirche am Ort. Kirche an vielen Orten gestalten“ werden die Kirchengemeinden selbst sein. Sie werden mit einer Vorgabe an diözesanen Orientierungen und mit Unterstützung der Dekanate ihren eigenen Prozess der Entwicklung verwirklichen. Der Weg der Erneuerung betrifft aber nicht allein die Kirchengemeinden. Künftig wird es auch um ein vernetztes Arbeiten gehen, das die unterschiedlichen Orte der Pastoral insgesamt stärken soll. Diese Orte zu vernetzen, sie zu profilieren, sie zu animieren voneinander zu lernen und sich besser aufeinander abzustimmen, das sind die Ziele, die wir in diesem Jahr zusammen angehen werden.

In einer sich verändernden Zeit, die voll Unruhe ist, wo Menschen suchen und fragen, sich sorgen und ängstigen, bekommt das Wort eines großen Theologen der noch frischen, frühen Kirche eine aktuelle Bedeutung: „Gott hat die Kirchen wie Häfen im Meer angelegt, damit ihr euch aus dem Wirbel irdischer Sorgen dahin retten und Ruhe finden könnt.“ Das ruft Johannes Chrysostomus auch uns heute zu! Liebe Schwestern und Brüder! „Kirchen wie Häfen am Meer“, das sind lebendige, einladende, attraktive und hilfreiche Kirchengemeinden in stürmischer Zeit.

Deshalb verspreche ich mir von einer geistlichen und realen Erneuerung unserer Diözese, dass unsere Kirche an vielen Orten für viele unterschiedliche Menschen bewohnbar bleibt und wird. Alle Erneuerungsprozesse haben im Letzten das Ziel, Kirche so lebendig zu gestalten, dass sie für heimatlos gewordene, suchende Menschen ein Zuhause bietet.

Meine Vision ist eine Kirche, in deren Gemeinschaft die Sinnsuchenden Sinn finden, die Verängstigten und Verunsicherten wieder Mut und Hoffnung schöpfen. Ziel unserer Initiativen und Veränderungen ist es, Kirchengemeinden als geistlich lebendige Räume zu stärken, in denen und an denen das heilsame Evangelium Jesu Christi wirklich erlebbar wird: dass Menschen aus dem „Wirbel irdischer Sorgen“ entkommen, sich in der Gemeinschaft der Mitglaubenden angenommen wissen, dass sie zur Ruhe kommen und Ruhe finden können.

Meine Vision ist eine Kirche, die sich „insbesondere der Armen und Bedrängten aller Art“ (GS 1,1) annimmt, eine diakonisch-karitative Kirche, die zu den Menschen geht und ihnen beisteht, wo sie des Beistands bedürfen, eine Kirche, die heilend wirkt, wo Menschen verletzt und gedemütigt wurden.

Wo Kirche Heimat ist und schenkt und den Bedrängten aller Art hilfreich nahe ist, da wirkt Kirche missionarisch.

Meine Vision ist eine zukünftige Kirche, die geistlich erneuert wirkt in unseren Kirchengemeinden, in den Seelsorgeeinheiten und christlichen Einrichtungen und all den Aktivitäten, die es bei uns gibt. Alle, die getauft sind auf den Geist Jesu Christi, werden hierzu gebraucht. Wir alle in den unterschiedlichen Verantwortlichkeiten, in den Diensten und Ämtern ebenso wie in den Ehrenämtern sind Werkzeuge des Gottes-Geistes in dieser Zeit – zum Heil der Menschen.

In wenigen Wochen, am 15. März, werden Sie, die Katholiken in unserer Diözese, die neuen Gemeinde- und Pastoralräte wählen. „Kirche verändert sich“, so lautet das Motto der Wahlen. „Kirche verändert sich – Ich bin dabei!“ Dieser Satz ist eine Einladung an alle getauften und gefirmten Christen, mitzuwirken an der Zukunft der Kirche, die in der Zeit lebt und gleichzeitig ihre Kernbotschaft erfrischend neu zur Sprache bringen kann: die heilbringende Botschaft vom Reich Gottes, das mit Jesus Christus angebrochen ist. Dann lebt der „Geist und Sinn Jesu Christi“ (Eph 4,23) in unserer Kirche.

Liebe Schwestern und Brüder! Freude am Glauben und am Tun wünsche ich Ihnen genauso wie den Mut, sich im Namen Jesu Christi, des heilbringenden Gottes, der Bedrängten und Hilfsbedürftigen anzunehmen.

Dafür erbitte ich für Sie und uns alle den Segen des lebendigen Gottes!

Rottenburg, am Fest der Darstellung des Herrn, 2. Februar 2015
Ihr Bischof

Dr. Gebhard Fürst

 

Fastenhirtenbrief als Download und Übersetzungen des Fastenhirtenbriefes für Katholiken anderer Muttersprache

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