Bischof Dr. Gebhard Fürst: Impulsreferat beim Tag mit Vertretern der Katholiken anderer Muttersprachen 2007

Rottenburg

Sehr geehrter Herr Nationaldirektor Monsignore Miehle,
sehr geehrte Herren Domkapitulare Glaser und Hagmann,
sehr geehrte Damen und Herren der Sitzung des Bischöflichen Ordinariats,
sehr geehrte, liebe Mitbrüder in den Gemeinden für Katholiken anderer Muttersprache und in den Kirchengemeinden,
sehr geehrte ehrenamtliche und hauptberufliche Verantwortliche in den Gemeinden und in den Dekanaten,
sehr geehrte Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen im Bischöflichen Ordinariat,
meine sehr geehrten Damen und Herren!

Sie wissen es alle: Bereits im November letzten Jahres sollte diese Begegnung zwischen uns stattfinden. Vieles war schon geplant und vorbereitet. Aber damals musste ich den Tag kurzfristig absagen, da der Ad-limina-Besuch in Rom zeitlich etwas anders geplant wurde.

Die damalige Absage hat mir sehr Leid getan, weil ich möglichst zu Beginn unseres Prozesses einer stärkeren Vernetzung von Kirchengemeinden und muttersprachlichen Gemeinden mit Ihnen, den Verantwortlichen vor Ort, ins Gespräch kommen wollte.
Ich freue mich nun um so mehr, dass Sie damals so verständnisvoll reagierten und nun heute meiner Einladung gefolgt sind und wir diesen Tag gemeinsam verbringen und gestalten können.

Und wer weiß: Vielleicht hat sie ja auch etwas Gutes – diese Verschiebung um ein Jahr. Denn in dieser Zeit gab es bei Ihnen an Ihren Lebens- und Wirkorten viele Begegnungen und Gespräche in ganz unterschiedlichen Zusammensetzungen: in den Pastoralteams, den Gemeinsamen Ausschüssen, bei Treffen von Kirchengemeinderäten und Pastoralräten, in Gesprächen mit den Kirchenpflegen und bei anderen Gelegenheiten.

Sie haben erste wichtige Erfahrungen in dieser Zusammenarbeit gemacht.
Auf dem gemeinsamen Pilgerweg heute Vormittag und eben beim Mittagessen bin ich mit einigen von Ihnen darüber ins Gespräch gekommen. So konnten wir –wie die Emmausjünger auf ihrem Weg- unsere Erfahrungen zusammenlegen, voneinander hören und lernen.

Hierbei konnte ich naturgemäß Positives, gut Gelingendes hören, ich habe aber auch von Schwierigkeiten erfahren, ich habe manches an Erfahrungen mitbekommen, wo es nicht reibungslos ‚läuft’, wo es knirscht, wo mancher sich durchaus noch schwer tut mit neuen Entwicklungen und Herausforderungen, die so entstehen. Wie die Emmausjünger damals. Ohne hier alles nennen zu können, möchte ich doch von zwei Eindrücken berichten, die mir besonders hängen geblieben sind.

- eine schwierige Erfahrung
- eine positive Erfahrung

Dass wir auf diese Weise heute unsere Erfahrungen auf dem Weg zusammentragen, unsere Hoffnungen und Bedenken, unsere Visionen und auch unsere Schwierigkeiten zusammenlegen, hat in sich etwas enorm Gutes. Denn solche und andere Erfahrungen können jetzt einfließen in die derzeitige Überarbeitung der Richtlinien für die Pastoral mit Katholiken anderer Muttersprache in unseren Seelsorgeeinheiten. In diesen Richtlinien habe ich aus gutem Grund festgeschrieben, dass sie „spätestens nach drei Jahre aufgrund der bis dahin gemachten Erfahrungen überprüft und gegebenenfalls fortgeschrieben“ werden.

Denn uns war von Anfang an bewusst, dass wir mit diesem Konzept im Unterschied zu anderen Bistümern einen neuen Weg der Kooperation eingeschlagen haben. Ich nenne nur einige Stichworte: Wir haben

- die ausländischen Missionen dezentralisiert
- eigene Gemeinden für Katholiken anderer Muttersprache errichtet
- uns um eine transparente und klar geregelte Vernetzung von Kirchengemeinden und

Gemeinden für Katholiken anderer Muttersprache in der Seelsorgeeinheit bemüht

- das Anliegen, Kirchen- und Gemeinderäume gemeinsam zu nutzen
- gleiche Vertretungsrechte in den Gremien der Seelsorgeeinheit und im Dekanat festgelegt
- Als Ziel eine intensivere Zusammenarbeit auch in pastoralen Fragen.

Manches ist in den vergangenen Jahren bereits geschehen. Am Ende des Jahres werden auch die letzten zwei der 98 Gemeinden für Katholiken anderer Muttersprache errichtet sein. In unserer Diözese gibt es dann 87 örtliche muttersprachliche Gemeinden, deren Gebiet in der Regel eine Seelsorgeeinheit umfasst bzw. bei Gesamtkirchengemeinden alle Seelsorgeeinheiten in dieser Gesamtkirchengemeinde. Darunter sind 35 italienische und 44 kroatische Gemeinden. Dazu haben wir 11 überregionale muttersprachliche Gemeinden, deren Gebiete sich über mehrere Dekanate bzw. über die gesamte Diözese erstrecken.

An vielen Orten ist durch Ihre Mithilfe eine gute Lösung für die gemeinsame Nutzung der Kirchen und Gemeinderäume gelungen. Hierfür bin ich Ihnen als Bischof sehr dankbar, denn die großen Programme und Entwürfe müssen sich im Kleinen, im Konkreten bewähren! Da zeigt es sich, ob es geht und was geht. Dazu ist sicher auch immer wieder die Bereitschaft zu Kompromissen von beiden Seiten erforderlich. Die Rückmeldungen beim Workshop Kooperation und bei den Diözesankonferenzen der italienischen und kroatischen Seelsorger zeigen, dass die Zufriedenheit über die bisherigen Schritte und Entwicklungen weitaus höher ist als der Unmut und der Ärger, den es, auch das ist unbestritten, gibt.

Als positiv wird von Ihnen vor allem eingeschätzt, dass die gegenseitige Wahrnehmung deutlich stärker geworden ist. Es gibt mehr zweisprachige Gottesdienste in der Diözese, mehr gemeinsame Feste und die positive Erfahrung, dass aufgrund von Begegnungen und Gesprächen manche Ängste abgebaut werden konnten: Durch solche Schritte zueinander und miteinander aber kann Vertrauen wachsen. Dieses Vertrauen wiederum gibt die Grundlage dafür, erneut Schritte voran zu gehen. Wie die Emmausjünger damals.
Ich möchte Ihnen allen herzlich danken für Ihr Engagement, für Ihre Zeit und Ihre Bereitschaft, sich auf diesen Weg der gegenseitigen Öffnung einzulassen! Diese Offenheit füreinander ist die Grundvoraussetzung dafür, dass der Weg hin zu einer stärker interkulturellen Gemeinschaft in unserer Diözese gelingt.

„Viele Völker – eine Kirche“: diese Worte stehen über dem heutigen Tag. Mit diesen wenigen Worten ist genau das ausgesagt, was wir in unserer Diözese immer deutlicher und sichtbarer verwirklichen wollen. „Viele Völker – eine Kirche“: das ist eine wunderbare Vision. Das soll aber in unserer Diözese immer mehr und immer deutlicher auch erlebbar und erfahrbar werden. Sicher: Es gibt viele Unterschiede in Sprache, Mentalität, Kultur und religiöser Tradition. Diese Merkmale gehören zu uns als individuelle Person und schenken uns Identität, sie geben auch einer Gemeinde Gestalt, Farbe und damit Profil. Diese Unterschiede sollen nicht einfach verwischt und ausgelöscht werden. Sie dürfen gelebt und weitergegeben werden. Nur so wird unsere Ortskirche in der Diözese Rottenburg-Stuttgart nicht uniform, sondern – wie das Bild der bunten Arche. So stelle ich mir unsere Kirche aus vielen Völkern vor: bunt, vielfarbig und reich. Dann wird Vielfarbigkeit nicht zur beängstigenden Bedrohung, sondern zur Chance, zur vielfachen Gelegenheit, die uns alle reicher macht: geeint durch Jesus Christus, Gottes Mensch gewordenen Sohn.

Es ist aber nicht damit getan, bei den Unterschieden zu bleiben und alles unvermittelt nebeneinander stehen zu lassen. Dann entsteht unvermittelte Starre, es kommt statt zur Verständigung zu laufenden Missverständnissen, statt fruchtbarer Prozesse, die uns auf dem Weg voran führen, stockt es, verstocken wir und geraten in Sackgassen.

Darum dürfen wir nicht stehen bleiben bei den Unterschieden. Es ist wichtig und richtig, dass wir einander in unserem Anderssein zunächst wahrnehmen, einander ernst nehmen. Dass wir sehen, was wir aneinander und miteinander haben, welche Schätze die verschiedenen Gruppen einbringen in das Ganze. Dass wir das Wert schätzen, was die unterschiedlichen muttersprachlichen Gemeinden wie auch die deutschsprachigen Kirchengemeinden sich an Tradition und pastoraler Erfahrung erworben und angeeignet haben. Über diesen Reichtum in unserer Diözese bin ich dankbar und dafür möchte ich Ihnen, die Sie heute hier sind, ausdrücklich danken.

Das alles sind Schätze, die wir aber nicht für uns festhalten müssen, sondern die wir miteinander teilen dürfen und teilen sollen. Und solche Schätze teilen, das können wir, indem wir uns an den verschiedenen Orten unserer Diözese begegnen und austauschen, indem wir voneinander lernen und miteinander pastorale Konzepte entwickeln für die Menschen, die uns anvertraut sind. Das wünsche ich mir!

Denn letztendlich sind wir alle, ist die Kirche nicht für sich selbst da. Sie ist Sakrament des Heils für die Welt, sie soll in der Welt und für die Menschen heilsam und glaubwürdig Zeugnis ablegen von der Hoffnung, die uns gemeinsam trägt. Im Dienst, den unsere Kirche in der Welt tut, geht es immer um die vielen Menschen in den Gemeinden und Städten. Menschen, von denen wir manchmal wissen, welche religiöse Sehnsucht in ihnen lebt - manchmal kennen wir ihre Sehnsüchte nicht. Und doch bleibt es immer unsere Aufgabe, diesen Sehnsüchten auf die Spur zu kommen. Wir haben eine Antwort auf die Sehnsüchte der Menschen in unserem gemeinsamen Glauben an den einen und einenden Herrn Jesus Christus. Von diesem Glauben können wir uns gegenseitig erzählen, von diesem Glauben müssen wir uns alle aber auch immer wieder neu betreffen und leiten lassen. Wie die Emmausjünger auf ihrem Weg.

Diesen Glauben als Christen unterschiedlicher Muttersprachen miteinander zu teilen und zu feiern und darin unsere je eigene Art, unsere Formen des Festes und unseren Ausdruck mit hinein zu nehmen – das ist der Reichtum, aus dem wir gemeinsam schöpfen können. Ich bin mir sicher: Dann wird dieser Glaube auch selbstverständlich in ein gemeinsam verantwortetes pastorales Handeln einfließen. Mir ist klar, dass das nicht einfach ist, aber es ist möglich und wünschenswert.

Bleiben wir aber nochmals einen Moment bei den zwischenzeitlich gemachten Erfahrungen stehen und nehmen sie miteinander ernst. Denn ein solch neues Konzept kann nicht von Anfang an alles in rechter Weise und ausgewogen berücksichtigen; es muss erprobt, geprüft, verändert, weiterentwickelt werden. Da sind vielleicht Fehler und Missverständnisse enthalten, die oft erst im konkreten Tun, im täglichen Miteinander entdeckt werden. Deshalb ist es notwendig, dass wir zum jetzigen Zeitpunkt die verabschiedeten Richtlinien aufgrund der bisherigen Erfahrungen überprüfen. Und bei den verschiedenen Diözesankonferenzen und Workshops – noch haben ja nicht alle stattgefunden – sind schon manche Schwierigkeiten und Hindernisse benannt worden:

1. Den muttersprachlichen Gemeinden wurde mit der Dezentralisierung der Ausländischen Missionen und der Errichtung als eigenständige Gemeinden mit dem Auftrag der Zusammenarbeit in der Seelsorgeeinheit in kurzer Zeit sehr viel zugemutet. Hier brauchen die Verantwortlichen vor Ort – Pfarrer und hauptberufliche pastorale Dienste wie auch Pastoralräte –, mehr Zeit, um sich in die neuen Aufgabenbereiche einarbeiten zu können und ihre Rolle auch im Zusammenspiel mit den Kirchengemeinden in der Seelsorgeeinheit zu finden. Ein gemeinsamer Weg braucht Zeit, um entstehen zu können.

2. Damit hängt zusammen, dass es in pastoraler Hinsicht ganz unterschiedliche Traditionen bei den Kirchengemeinden und den muttersprachlichen Gemeinden gibt, aber auch zwischen den verschiedenen Sprachgruppen selber. Unsere Zielvorstellung, gleich zu Beginn der Kooperation in der Sakramentenpastoral und Sakramentenkatechese zusammen zu arbeiten, war etwas zu mutig. Hier sind sicherlich zunächst noch vorbereitende Schritte der Begegnung und des Kennenlernens nötig. Gemeinsamer Weg braucht Vertrauen und Kenntnisse darüber, wer mit mir auf dem Weg ist und wie das Miteinandergehen dann gestaltet werden kann.

3. Die Unterscheidung von Gemeindegebiet und Einzugsgebiet hat bei den muttersprachlichen Katholiken im sogenannten Einzugsgebiet ein Gefühl der Nachrangigkeit erzeugt. Dafür müssen wir noch eine gute Lösung innerhalb unserer Kirchengemeindeordnung finden. Gemeinsamer Weg braucht Respekt der Weggefährten voreinander.

4. Von manchen Seelsorgeeinheiten wird gesagt, dass die sprachliche Verständigung nicht immer einfach ist und die Zusammenarbeit hemmt. Der Informationsfluss zwischen den Verantwortlichen ist erschwert und manchmal liegen hier auch die Ursachen für Missverständnisse. Gemeinsamer Weg braucht gute und verlässliche Absprachen.

5. Schließlich sind auch noch nicht überall Lösungen für die Büros und die Nutzung von Gemeinderäume durch die muttersprachlichen Gemeinden gefunden worden. Dies betrifft auch die Zusammenarbeit innerhalb und mit dem Bischöflichen Ordinariat; Gemeindezentren werden zurückgebaut und gleichzeitig Heimstatt für unsere muttersprachlichen Gemeinden; und auch die bisherige finanzielle Ausstattung ist in manchen, vor allem kleineren muttersprachlichen Gemeinden und Belegenheitsgemeinden eher schwierig. Gemeinsamer Weg braucht gutes Schuhwerk und manch andere Ausrüstung.

Liebe Damen und Herren, in Ihren konkreten Leben- und Arbeitssituationen wird es sicherlich noch manch andere Schwierigkeiten geben; ebenso werden Sie von positiven Entwicklungen und Erfahrungen berichten können, die jetzt nicht genannt wurden. Dazu ist dieser heutige Begegnungstag ja auch da: dass Sie sich untereinander austauschen und sich gegenseitig von Ihrer Situation und ihren Lösungen erzählen.

Ich möchte Sie herzlich einladen, miteinander auf diesem Weg zu bleiben, der ein Weg der Gemeinschaft, der communio sein soll. Ich weiß, dass der Begriff der „Integration“ bei Ihnen, den muttersprachlichen Katholiken ein sehr zwiespältiges Gefühl auslöst: Sie hören bei dem Appell zur Integration sehr stark die Aufforderung an sich selbst, „sich anpassen und sich eingliedern zu müssen in die deutschsprachige kirchliche Tradition und Kultur“.
Unser Weg der Vernetzung von Kirchengemeinden und muttersprachlichen Gemeinden ist ein anderer. Sehr bewusst haben wir eigene muttersprachliche Gemeinden errichtet, die auch Bestand haben sollen. Diese Gemeinden sind für die legitime Bewahrung der eigenen Kultur und die Stabilität der eigenen Identität unerlässlich. In der eigenen Sprache beten und feiern zu können, ist ein wesentliche Hilfe, um nicht dem Druck der Assimilation in einem fremden Land ausgesetzt zu sein.

Es ist ganz selbstverständlich: Wir wollen keine Assimilation, denn dabei gehen viele wichtige Farben verloren. Genau so wenig aber kann ein Zustand gegenseitiger Abgrenzung akzeptiert werden, denn dabei bleiben die Farben nur nebeneinander stehen und sie ergeben kein gemeinsam leuchtendes Bild. Auf unserem Weg müssen manche Kirchengemeinden deshalb ein Besitzstandsdenken aufgeben, als ob die Kirchen- und Gemeinderäume allein den deutschsprachigen Gemeindemitglieder gehören würden und nicht allen Katholiken gleich welcher Nationalität und Sprache.

Auf diesem Weg müssen sich aber auch manche muttersprachlichen Gemeinden mit ihren Seelsorgern öffnen für die Interessen, Bedürfnisse und Nöte der deutschen Kirchengemeinden. Sie haben ebenso eine Mit-Verantwortung für alle Katholiken im jeweiligen Lebensraum. Muttersprachliche Pastoral darf nicht in erster Linie an der Heimat orientiert sein, sondern sie muss dem Migranten dazu verhelfen, dass er hier in Deutschland angekommen, angenommen, zuhause ist.

Unser Weg muss ein Weg des Miteinanders, der communio werden. Communio heißt auch: aus dem Bewusstsein durch das Band der Taufe und der Zugehörigkeit zur Katholischen Kirche aktiv aufeinander zu zu gehen und sich so miteinander auf den Weg zu machen, Schwestern und Brüder als Menschen im Glauben vereint. Die deutschsprachigen Kirchengemeinden können demzufolge nicht einfach darauf warten, bis die muttersprachlichen Gemeinden auf sie zukommen. Diese erleben sich dann oftmals als reine Bittsteller und nicht als gleichberechtigte Gesprächspartner. Deshalb müssen gerade die Kirchengemeinden initiativ werden und immer wieder Einladungen für gemeinsame Aktivitäten und Begegnungen aussprechen.

Auf der anderen Seite dürfen die muttersprachlichen Gemeinden nicht einfach erwarten, dass ihnen alles bestmöglich bereitet wird. Was möglich ist, hängt von der konkreten Situation und den Gegebenheiten vor Ort ab. Viel gewonnen wäre, wenn wir diesen Weg gemeinsam und miteinander gehen – geleitet von unserem Interesse und unserer Neugier aneinander, motiviert von unserer Offenheit füreinander, bestärkt durch unsere Eigeninitiative und unserem Durchhaltevermögen und in der Bereitschaft, auch Kompromisse mit zu tragen. Lassen wir uns leiten vom vielfarbigen Bild der einen Arche. Ich bin sicher: Wir haben dabei viel zu gewinnen!

1. In unserer Diözese gibt es viele »Eine-Welt-Kreise«, »Projekte« beispielsweise für Indien, »Unterstützungsaktionen« etwa für Gemeinden in Afrika. Diese Vielfalt der weltkirchlichen Initiativen und Solidaritätsbekundungen mit den Menschen auf der ganzen Welt können nicht hoch genug gewürdigt werden.
Oftmals jedoch scheint es einfacher zu sein »Weltkirche« in der räumlichen Distanz zu leben, als sie im Nahbereich der eigenen Gemeinde konkret zu verwirklichen. In unserer Diözese leben 215.000 Katholiken aus über 150 Ländern. Durch regelmäßige und verbindliche Kontakte zwischen Deutschen und Italienern, Kroaten und Spaniern, Polen und Ungarn kann sich »Welt-Kirche« bei uns unmittelbar vor Ort ereignen, alltäglich und vor allem in hautnahen Begegnungen.

2. Trotz dieser international bunt gemischten Zusammensetzung der Kirche in unserer Diözese gibt es bis heute eine eher national geprägte »einfarbige« Pastoral: einerseits in den jeweiligen »muttersprachlichen« Gemeinden und andererseits in den »deutschsprachigen« Kirchengemeinden. Die eine Kirche in vielen Sprachen und Völkern, wie sie die Jünger und die Menschen damals im Pfingstereignis erlebt haben, ist ein bleibender Auftrag an uns. Es bleibt dabei, heute mehr denn je: In der Kirche gibt es keine Ausländer.

3. Wenn es uns gelingt, im alltäglichen Umgang miteinander eine gemeinsame Pastoral zu entwickeln, die alle Menschen im Lebensraum gleichermaßen im Blick hat und bei der die jeweilige religiöse und kulturelle Eigenart erhalten und gepflegt wird; wenn wir gerade deshalb in einen lebendigen Austausch miteinander kommen kann, dann wird die Universalität und Katholizität der einen Kirche Jesu Christi vor Ort auch heute lebendig.

4. Unser Weg kann ein Beispiel für die Gesellschaft sein, wie verschiedene Nationen und Sprachgruppen trotz Mentalitäts- und Kulturunterschiede gleichberechtigt und selbstbewusst in einen Austausch treten, der getragen ist von Respekt und Wertschätzung. Bei einem solchen Kontakt geht es dann nicht um „besser“ oder „schlechter“, sondern um Verstehen und Lernen von einander mit klaren Ziel auf ein Miteinanders. Und so wird unsere Kirche immer mehr zu einem Sakrament des Heils für unsere Welt: Denn diese Erfahrungen können unserer Gesellschaft nur gut tun. Ihre hohe Mobilität und die zukünftigen Migrationsbewegungen werden unsere Gesellschaft in Deutschland zukünftig sicherlich noch stärker beschäftigen.

Ich bin mir bewusst: Wir sind am Anfang eines längeren Weges, dessen Verlauf und dessen Herausforderungen wir noch nicht genau kennen. Ebenso liegt aber auch noch im Verborgenen, welche interessanten Begegnungen, welche wertvollen Erfahrungen, welche humorvollen und geistreichen Gespräche wir miteinander haben können.

Als das Volk Israel aus Ägypten auszog, wusste es nicht, welche Schwierigkeiten, welche Probleme, welche Hindernisse ihm begegnen würden. Immer wieder gab es einige im Volk, die zurückkehren wollten in die alten Gebiete. Sie wollten zurück zu den alten Gewohnheiten. Sie sehnten sich nach den früheren Sicherheiten. Und trotz aller Schwierigkeiten haben sie durchgehalten und sind weiter gezogen, weil sie eine Vision, eine Sehnsucht, eine Verheißung hatten, weil sie eine neue Vorstellung vom Leben als Gottes Volk in sich trugen.

Ich wünsche Ihnen und uns allen, dass wir Pfingsten immer wieder auch unter uns Katholiken in der Diözese Rottenburg-Stuttgart erleben. Dass wir erleben, wie die Kraft des Heiligen Geistes es vermag, völkische, sprachliche und kulturelle Grenzen zu übersteigen und echte Begegnungen und ein echtes Miteinander zu ermöglichen. Halten wir fest an der Vision, unsere Kirche in unserer Diözese als eine Kirche aus vielen Völkern zu gestalten. Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit!

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