Bischof Dr. Gebhard Fürst: ‚In unsere Hand gegeben‘ Auftrag – Verantwortung – Herausforderung 2002

Ehingen

Liebe Schwestern und Brüder,

Pua und Schifra, zwei eher unbekannte Figuren der biblischen Geschichte, die uns heute als Hebammen in das Thema unseres Tages begleiten.

Mir scheint, so fern liegen die beiden nicht von der Überschrift: ‚In unsere Hand gegeben‘. Auftrag – Verantwortung – Herausforderung, denn die beiden führen mit bewunderswertem Mut vor, in schwieriger Situation mit Entschlossenheit, Zivilcourage und auch List für die eigene Überzeugung einzustehen.

Schauen wir nochmals genauer die Geschichte an:

In biblischen Zeiten konnte eine Frau nur als Hebamme eine anerkannte berufliche Stellung erlangen. Die Erzählung gibt uns einen kurzen Eindruck von ihrer Tätigkeit. Zwei hebräische Hebammen, Schifra und Pua, standen den hebräischen und ägyptischen Frauen gewöhnlich bei ihren Entbindungen bei, halfen ihnen, Leben zur Welt zu bringen. Sie haben ihr Leben aufs Spiel gesetzt, indem sie sich den Anordnungen des Königs von Ägypten widersetzten, jeden neugeborenen hebräischen Knaben zu vernichten. Um es etwas pathetisch zu formulieren: Sie gehorchten Gott mehr als dem Menschen, anders gesagt: Sie befragten ihr Gewissen und entwickelten daraus eine bedingungslose Moral, die gewiß gegen geltendes, in dem Fall willkürliches Recht verstieß und für das Leben Stellung bezog. In der Formulierung dieses Tages gesprochen: Die beiden Hebammen bemerkten, dass ihnen durch Gottes Gebot ein Auftrag in die Hand gegeben war. Sie nahmen diese Verantwortung als Herausforderung an und handelten entsprechend.

Machen wir uns kurz die Folgen klar, wenn sie anders oder auch nicht gehandelt hätten: Ohne ihren beherzten Einsatz wäre Moses bei seiner Geburt getötet worden und ohne Moses wäre Israel nicht aus der ägyptischen Knechtschaft befreit worden. Die große Geschichte von Moses und Israel wäre nie in Gang gekommen, wenn nicht zwei Frauen am Anfang, still und unbemerkt, kleine Geschichte geschrieben hätten.

Aber noch ein zweites ist wichtig: Denn diese Frauen zeigten Scharfsinn und Klugheit in ihren Verhandlungen mit dem König. Als der Pharao sie fragte, warum sie eigentlich die hebräischen Knaben nicht, wie er befohlen hatte, töteten, zeigten sie ihm nicht ihren ja durchaus begründeten Ungehorsam. Denn das hätte unweigerlich ihren Tod und damit das Ende ihrer nützlichen Tätigkeit bedeutet. Stattdessen sagten sie nur: "Bei den hebräischen Frauen ist es nicht wie bei den Ägypterinnen, sondern wie bei den Tieren: Wenn die Hebamme zu ihnen kommt, haben sie schon geboren." Für mich liegt in dieser zweiten Eigenschaft eine fast noch größere Stärke: Die beiden verwechseln ihren Glauben nicht mit starrsinnigen Prinzipien, sondern sind durchaus in der Lage, ihn konkret in der Situation anzuwenden und sich so klug zu verhalten, dass ihre Ziele auch längerfristig fruchtbar sind. Für diese wohlüberlegte List und ihre Achtung vor Gott und dem menschlichen Leben wurde den Hebammen, wie es sehr schön heißt, ‚von Gott zu Glück verholfen‘.

Klugheit und Frömmigkeit müssen sich also durchaus nicht ausschließen. Das ist ja etwas, was wir durchaus auch dem eben gehörten Evangelium entnehmen dürfen: Denn Frömmigkeit zeichnete gewiß die Jungfrauen allesamt aus. Alle zehn sind bereit, mit ihren Lampen aufzubrechen und dem Bräutigam entsprechend entgegenzugehen. Bei einem Teil von ihnen kommen zur Frömmigkeit eben auch Klugheit und Lebenspraxis dazu. Sie denken vorher nach und sind dann auch für konkrete Situationen vorbereitet. Wieder in den Worten ihres Tages gesprochen: Sie nehmen den Auftrag als Herausforderung in ihre Hand, tun dies aber in überlegter Verantwortung.

In glaubender Bereitschaft den Auftrag Gottes hören und doch in weltbewußter, kompetenter Klugheit zu handeln: Das verbindet die beiden hebräischen Hebammen mit den klugen Jungfrauen.

 

Es ist in unsere Hand gegeben, dass wir in ihre Schule gehen!

 

Amen.

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