Bischof Dr. Gebhard Fürst: Joannes Baptista Sproll - Ein Vorbild im Glauben für unsere Zeit

Ansprache anlässlich der Eröffnung des Bischof-Sproll-Gedenkortes im Bischöflichen Ordinariat

Sehr geehrter Herr Weihbischof,
sehr geehrter Herr Generalvikar,
sehr verehrte Mitglieder des Domkapitels und Mitglieder der Sitzung des Bischöflichen Ordinariats,

sehr geehrter Herr Oberbürgermeister Dr. Neher,
sehr geehrte Mitglieder des Stadtrats der Stadt Rottenburg,
liebe Angehörige der Familie Sproll!

Ich danke Ihnen, dass Sie am Abend des Tages der Offenen Tür anlässlich des renovierten und neu gestalteten Baus des Bischöflichen Ordinariats so zahlreich erschienen sind. Das neue Ordinariatsgebäude wäre unvollständig, würde es seine Geschichte ignorieren. Die Vertreibung von Bischof Sproll gehört zu dieser Geschichte!

Wir haben uns hier versammelt, um an die erschütternden Ereignisse vor 75 Jahren und an das mutige Wirken des siebten Bischofs unserer Diözese, Bischof Joannes Baptista Sproll zu erinnern. Wir stehen hier und jetzt an der Stelle, die zum Symbol für den Widerstand der Kirche gegen den Nationalsozialismus geworden ist.
Am 24. August 1938 wurde Bischof Joannes Baptista Sproll aus der Bischofstadt vertrieben, weil er, so ist dem Ausweisungsbefehl der Gestapo zu entnehmen, „eine dauernde Gefahr der Beunruhigung für die Bevölkerung“ darstellte. An diesem Portal, an dem wir uns zu dieser Stunde versammelt haben, erreichte der Protest gegen Bischof Joannes Baptista Sproll seinen Höhepunkt, nachdem Bischof Sproll im April 1938 bei der Volksabstimmung über den Anschluss Österreichs ferngeblieben war und sich somit demonstrativ gegen das nationalsozialistische Regime gestellt hatte. Am 23. Juli 1938, gegen 21 Uhr, versammelten sich mehrere Tausend Demonstranten in Rottenburg und zogen durch die Stadt hierher vor das Bischöfliche Palais. Eine größere Menge versuchte, die Freitreppe vor dem Portal zu stürmen, in das Palais einzudringen und Bischof Sproll herauszuholen. Ein namentlich nicht bekannter Augenzeuge hat die Ereignisse vom 23. Juli 1938 niedergeschrieben. Seine Schilderungen werden wir nun hören:

Bericht über die Vorgänge am 23. Juli 1938
(Niederschrift eines nicht genannten Verfassers)

„Gleich zu Beginn beobachtete ich, dass die Masse die Freitreppe vor dem Palais stürmen wollte. Ein Kreis junger Leute hatte die Freitreppe abgesperrt und warf zunächst jeden hinunter, der sie ersteigen wollte. Als sie aber von allen Seiten hinaufstürmten, wurde die Kette der Absperrenden durchbrochen, und nun standen die Stürmer am Portal. Dieses suchten sie zunächst ohne Werkzeuge einzudrücken. Immer wieder hörte man „ho ruck, ho ruck“ und das Anrennen ans Portal. Einer von den Stürmenden wurde zusammengedrückt, dass er weggeführt werden musste. Weil die Türe nicht nachgab, versuchten einige durch die untersten Läden ins Gebäude zu kommen. Die Läden hielten zunächst stand; schließlich sprang einer auf. Nun wurden mit den Füßen beziehungsweise einer Stange die unteren Fenster eingeschlagen. Die Fenstergitter jedoch verhinderten das Eindringen. So warfen sie zunächst einige Kanonenschläge durch die Fenster ins Gebäude hinein. (…)
Auch auf der Seite der Burggasse zu hörte man Türen und Fenster krachen. Auch aus dem Hause vernahm man den Lärm vom Aufschlagen der Türen und vom Sprengen derselben. Plötzlich leuchtete das Licht des ganzen Treppenhauses vorn am Palais auf. (…)
Während das Portal offen war, gab einer der Führer, der unten stand, mit lauter Stimme den Befehl: „Alle Formationen abrücken!“ (…) Unter anderem sagte er, sie werden so lange wieder kommen, bis der Führer Grund genug habe, einzugreifen. Es sei unmöglich, dass Bischof Sproll länger in Rottenburg bleibe. Sie werden nicht ruhen, bis Bischof Sproll fort sei.“

Meine sehr geehrten Damen und Herren, liebe Schwestern und Brüder!

Wenn wir diesen Ort am Seitenflügel des neu gestalteten Bischöflichen Ordinariats heute als Gedenkort an Bischof Joannes Baptista Sproll eröffnen, gedenken wir in Rottenburg einer von zwei unvergessenen Persönlichkeiten, die sich durch ihre entschiedene Gegnerschaft zum Nationalsozialismus bewährt haben. Beide haben ihren festen Ort in der Geschichte und im Bild dieser Stadt. Denn der gleich hier an das Bischöfliche Ordinariat angrenzende Platz trägt den Namen und das Gedenken an Staatspräsident Eugen Bolz, der von den Nazis im Februar 1945 in Berlin ermordet wurde. Beide sind durch ein Erinnerungsstück in der Kirche St. Bartolomeo auf der Tiberinsel in Rom zugegen.
Eugen-Bolz-Täschchen in dem seine Frau ihm am Vortag vor seiner Hinrichtung die Kommunion gebracht hat. An Bischof Sproll erinnert einer der Pflastersteine, die man hier gegen den Bischof geschleudert hat.
Bereits bei der Einweihung des Eugen-Bolz-Platzes vor genau fünf Jahren, am 8. Oktober 2007, habe ich versprochen, hier am Bischöflichen Ordinariat einen Ort des Gedenkens für Joannes Baptista Sproll zu schaffen.

An dieser Stelle erinnern wir nun an einen Bischof, der bereits seit vielen Jahrzehnten als „Bekennerbischof“ verehrt wird, an einen Menschen der für viele in der Stadt Rottenburg und in unserer Diözese Vorbild im Glauben ist. Sein Gewissen hat ihn vor allem in den schwierigen Jahren des Nationalsozialismus nicht schweigen lassen. Er hat mutig das Wort ergriffen und in seinen Predigten schon seit 1934 immer wieder der nationalsozialistischen Ideologie widersprochen.
Wir gedenken des siebten Bischofs der Diözese, der auch in schwerster Bedrängnis seinem Wahlspruch „Fortider in fide – Tapfer im Glauben“ treu blieb und ihn glaubwürdig eingelöst hat. Heute Abend steht dieser Wahlspruch in weißen Buchstaben an der Stelle auf dem Boden (links neben dem Podest), an die die Peiniger Bischof Sprolls vor 75 Jahren die Worte „Bischof Sproll: Volksverräter“ geschrieben haben. „Fortider in fide“ – Dass diese Worte hier heute stehen, zeigt, dass das Vertrauen, der Glaube und die Stärke dieses Bischofs allen Hass überdauert.

„Tapfer im Glauben“ – und „Man muss Gott mehr gehorchen als den Menschen.“ Beide Sätze werden dem Apostel Petrus zugeschrieben. Beide stehen für den Auftrag, die Botschaft von Tod und Auferstehung Jesu zu verbreiten, und die Konsequenzen dafür zu tragen.
Den christlichen Glauben frei auszuüben, das war auch für Bischof Sproll die grundlegende Forderung gegen die Unterdrückung. Selbst nach seiner Verbannung versuchte er von seinem Exil in Krumbad aus zu trösten und zu stärken und rief zur Nächstenliebe auf. „Tapfer im Glauben“, über diesem bischöflichen Wahlspruch liegen aber auch die Schatten der Einsamkeit über Leben und Amtszeit von Bischof Sproll. Er ist Ausdruck für die Stärke, die ihm sein Glaube und das Gebet in dieser Nacht vor 75 Jahren verlieh – und für den Halt den er, in den Jahren des Exils und sein weiteres Wirken als Bischof, nachdem er gezeichnet von den Erlebnissen und seiner schweren Krankheit nach Rottenburg zurückgekehrt war, in Jesus Christus fand. Die zeitübergreifende vorbildliche Haltung Bischof Sprolls entsprang einer geerdeten und gefestigten Verbindlichkeit christlicher Grundüberzeugungen. Darin ist er uns Vorbild –damals wie heute.

„Fortider in fide“ – Dieser Wahlspruch ist und wird so auch Mahnung und Richtschnur für uns, in einer Zeit, in der Menschen in vielen Teilen der Welt noch immer wegen ihres Glaubens und ihrer Sehnsucht nach Gerechtigkeit und Freiheit verfolgt, unterdrückt und getötet werden. Denken wir zum Beispiel an die Opfer des syrischen Bürgerkriegs und an die vielen tausend Opfer im Heiligen Land, im Nahen Osten und in den Krisenherden der Welt. . "Hören wir den Schrei derer, die weinen, leiden und sterben aufgrund von Gewalt, Terrorismus oder Krieg", mahnte Papst Franziskus vor einer Woche bei seinem Besuch in Assisi. Der Mut Bischof Sprolls und die Worte und Gesten des Papstes zeigen: Aufzustehen für das Leben im Namen Gottes und im Namen von Menschenwürde und Menschenrechten sind damals wie heute von höchster Aktualität.

Im Mai 2011 haben wir mit einem Gottesdienst in der Sülchenkirche den Prozess der Seligsprechung von Bischof Joannes Baptista Sproll eröffnet. Dort an der Grablege der Bischöfe und an dem Ort, wo die Wurzeln des Christentums bis in die ersten frühchristlichen Jahrhunderte zurückreichen.

Wenn wir nun das Tor, das vor 75 Jahren gewaltsam aufgebrochen wurde, erneut öffnen und es in Stille durchschreiten, verneigen wir uns in Ehrfurcht vor diesem großen Hirten unserer Diözese und danken Gott für sein Leben und Wirken.
Wir wollen Bischof Joannes Baptista Sproll gedenken und uns die Worte des Gebets um seine Seligsprechung in Erinnerung rufen:

Gebet um die Seligsprechung des „Bekennerbischofs“ Joannes Baptista Sproll

Herr Jesus Christus,
du hast deinen Diener Joannes Baptista Sproll
mit Mut zu Wahrheit und mit seiner großen
Liebe zu den Menschen erfüllt.

Im festen Glauben und in der Treue zu seinem
Gewissen hat er ein entschiedenes Nein zum
Lebensfeindlichen Nationalsozialismus
und zum trügerischen Wahn des Rassismus
gesagt und ist so für die Kirche
zum Bekennerbischof geworden.
Er hat sich selbst und sein
Leben nicht geschont und Verbannung und
Schwere Leiden auf sich genommen.

Wir bitten dich:
Zeige ihn der Kirche als Seligen,
damit er vielen den richtigen Weg weise.
Lass sein Vorbild leuchten in unserer Zeit
und schenke uns auf seine Fürsprache die Kraft,
für die Wahrheit des Glaubens einzutreten
und für den Dienst an den Menschen auch
Schweres auf sich zu nehmen.
Dir sei Ruhm und Ehre mit dem Vater
und dem Heiligen Geist
und jetzt und allezeit und in Ewigkeit. Amen.

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